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Reisen

In Kolumbien können Touristen Kokain-Kochkurse besuchen

Auf einer Touristentour lernt man, wie man in einer Stunde sein eigenes Kokain herstellt.

„Wenn du willst, mache ich ein Foto mit dir und einer Line, die so lang ist", sagt mir der kolumbianische Walter White, während er seine Hände etwa 30 Zentimeter voneinander entfernt hält und mit mir diskutiert, was seine „Spezialtour" beinhaltet. „So lange du keine Bilder von unseren Gesichtern machst."

Am Anfang sprach er nur von den normalen Trips in die angrenzende Wildnis, die man von seinem Hostel aus machen kann, z.B. sechsstündige Pferdeausritte für 10 Dollar und ganztägige Jeep-Touren für 15 Dollar. Dann zeige ich auf den Eintrag im Gästebuch am Empfang und frage nach der „Spezialtour".

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„Du bist kein Bulle, oder?", fragt er.

„Nein."

„Ich habe mal für Pablo Escobar gearbeitet", sagt er. „Als Chemiker."

Da stand fest, dass ich am Abend bei der Tour mitmachen würde. 75 Dollar für einen Kokain-Kochkurs und drei Gramm des fertigen Produkts.

So wie der fiktionale Walter White aus der Serie Breaking Bad hat auch die kolumbianische Version Frau und Kind und ein gemütliches Heim in einer kleinen, ruhigen Stadt im südlichen Teil des Landes. Und genau wie der fiktionale Walter White hat seine Frau, so behauptet er, keine Ahnung, wie er sein Geld verdient.

Als er seine „Spezialtour" bespricht, redet er mit gedämpfter Stimme und hält einen Finger vor die Lippen.

„Kein Wort zum Taxifahrer", sagt er. „Kein Wort zu meiner Frau. Wenn sie fragt, sag ihr, du willst mehr über kolumbianischen Kaffee lernen."

Der ältere Gentleman, den wir einfach Walter nennen, ist kein großer Krimineller. Sein Geschäft läuft nach wie vor über Mundpropaganda. Ich hatte bereits in einem Hostel in Popayan—einem Ort der quälende sechs Stunden oder 150 Kilometer auf einer ungepflasterten Schlammstraße entfernt liegt—von der „Spezialtour" gehört. Man sagt, er hätte Informationen über seine Tour in Salento, das etwas zehn Stunden nördlich liegt und einen Haufen Backpacker anzieht, gestreut.

Anscheinend betreibt er von seiner Wohnung aus ein Hostel und vermietet Betten mit dreckigen Kissen und durchgelegenen Matratzen für sieben Dollar die Nacht an Touristen, die gerade aus interessanteren Städten kommen oder diese besuchen wollen.

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„Heißes Wasser verfügbar von 18.00 bis 21.00 Uhr täglich", steht auf einem Schild an der Badezimmertür meines Schlafsaals. Als ich einchecke, ist der Strom aus. Um 21.00 Uhr geht die Familie schlafen und entweder man ist ein- oder ausgesperrt.

„Was, wenn ich in der Nacht duschen möchte", fragt ihn ein Mädchen aus meinem Schlafsaal. „Könnte ich dann heißes Wasser bekommen?"

„Nada es imposible", sagt ihr Walter, „todo es posible."

Das ist sein Motto. Das steht sogar in einigen Einträgen des abgenutzten Gästebuchs, das er auf den Tisch wirft, als wir einchecken. Leute aus über 50 Ländern haben sich in dem Gästebuch verewigt, sagt Walter. Etwas mehr als eine Handvoll englischer Einträge bezieht sich auf die „Spezialtour".

Wie ich schon sagte, Walter versteckt seine kriminellen Machenschaften nicht sonderlich gründlich.

„Die Spezialtour ist verblüffend, wenn man auf so etwas steht", schreibt ein Mädchen aus England.

In Kolumbien Kokain zu finden, ist nicht schwer oder wirklich mit Kosten verbunden. Während das Land versucht, sein Image zu verbessern, hat es in den letzten Jahren zunehmend die strafrechtliche Verfolgung einer der zwei Substanzen erhöht, für die es weltweit berühmt ist. Dementsprechend durchsucht die Polizei regelmäßig zwielichtige Touristen in Cartagena und Medellín, und Spezialagenten benutzen Mörser und Granatwerfer, um die Drogenhändler im Dschungel zu bekämpfen. Flugzeuge werfen Coca vernichtende Chemikalien ab, die ganze Hektar der Pflanze ausrotten; die Marine beschlagnahmt das Zeug tonnenweise.

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Nichts davon macht es jedoch schwerer, hier Kokain zu finden. Die Versorgung hat sich in den letzten paar Jahren kaum geändert.

„Während das Gebiet, das für die Coca-Blatt-Produktion genutzt wird, in 14 Distrikten zurückgegangen ist, hat dieser Trend nichts an der steigenden Produktion in 6 anderen Distrikten geändert. In 4 Distrikten gab es keine übermäßigen Änderungen", steht in einem Bericht der Vereinten Nationen aus dem letzten Jahr. „Im Großen und Ganzen hat sich das Bild kaum gewandelt und die Produktion des Rohmaterials für die illegale Droge Kokain blieb stabil."

Außerhalb der Clubs und Discotheken in den großen Städten verkaufen sogar die Tabak- und Kaugummihändler Koks. Wenn du zehn Dollar pro Gramm bezahlst, zahlst du zu viel. Taxifahrer bieten es dir unaufgefordert an—genau so wie betrunkene Typen in Bars, die ihr Englisch verbessern wollen.

Wenn Walter innerhalb von Kolumbien Kokain verkaufen würde, wäre das kein ertragreiches Geschäft. Stattdessen bietet er dir einen Rausch an, den du nicht bekommst, wenn du einem Typen an der Ecke 10.000 Pesos rüberschiebst. Er bringt dir bei, wie du das Zeug selber herstellst.

Es ist nicht so, dass ich öfter mit Drogenchemikern rumhänge, aber ich bin mir sicher, dass Walter nicht aussieht wie dein durchschnittlicher Kokainkoch. Er hat einen gepflegten Schnurrbart und einen netten Windbreaker mit dem Namen seines Hostels darauf.

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Er spricht ein langsames und einfach zu verstehendes Spanisch. Das deutet darauf hin, dass er es ständig mit Ausländern zu tun hat, die sowieso nur am Lächeln und Nicken sind und fragen, ob sie auch nachts warmes Wasser haben können oder er ihnen zeigt, wie man Kokain herstellt. Er hat es nie eilig. Er ist immer positiv eingestellt. Alles ist möglich.

Später am Tag meiner Ankunft sage ich ihm, dass ich für die Tour bereit bin.

„Das Wetter ist schlecht", sagt er. „Morgen."

Das Wetter war keineswegs schlecht. Aber wenn man mit solchen Dingen zu tun hat, ist ein bisschen Unzuverlässigkeit wahrscheinlich zu erwarten.

Walters Partner, den wir auch gleich Jesse nennen können, sieht tatsächlich aus wie ein Drogenchemiker.

Die oberen drei Knöpfe seines Hemds sind offen. Er trägt eine alte, verkrustete Mütze, die nicht ganz sein wildes Haar bedeckt. Er lächelt breit und spricht ein schnelles, umgangssprachliches Spanisch. Seine rechte Hand ist von den 20 Jahren des Kokainkochens in Santa Marta—einer Stadt an Kolumbiens Karibikküste, die früher von den Drogenkartellen regiert wurde und vor Kurzem von der New York Times als „von Straßenlampen beleuchteter Rückzugsort der Romantik" beschrieben wurde—deformiert.

Jesse hat das Kokain dort kiloweise hergestellt; zusammen mit Dutzenden Männern, die zu jeder Zeit auf einer Finca gearbeitet haben. Mittlerweile, so sagt er, passiert so etwas nur noch oben in den Bergen.

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Er sieht aus, als hätte er tagelang nicht geschlafen. Und das hat er, wie sich bald herausstellen soll, wirklich nicht.

„[Walter] sagte, ihr wolltet gestern Abend zur Finca kommen, aber mir war nicht danach", erzählt mir Jesse später. „Wir hatten gestern Nachmittag fünf Leute hier. Zwei französische Typen, zwei Mädchen, ein Mädchen aus der Schweiz. Wir haben 10 Gramm hergestellt. Einer von ihnen hat es übertrieben." Er zeigt auf sein Herz. „Wir haben die ganze Nacht gefeiert. Ich habe überhaupt nicht geschlafen."

In letzter Minute verstehe ich, dass Walter nicht mit uns kommen wird. Die anderen Möchtegernkoksköche springen mit mir und diesem neuen Mann ins Taxi.

„Zur Finca", sagt er. Es ist 8 Uhr Morgens.

Die Finca liegt erschreckend nah an der Stadt. Auf der Schotterpiste hinter der Kuhweide einfach links, dann über den Hügel und durch einen kleinen Wald und du bist da. Die ganze Fahrt dauert weniger als fünf Minuten. Ein Nachbar—der, wie ich später lerne, dafür bezahlt wird, dass er schweigt—baut Kaffee an. Er nimmt sich Zeit, um uns den Unterschied zwischen Caturro, einer alten kolumbianischen Kaffeesorte, und Tabi zu erklären, einer neueren, größeren Version, bei der sich die Arbeiter nicht mehr bücken müssen, um sie zu pflücken.

Eine Minute später reden wir über eine andere Pflanze.

Jesse zeigt auf sechs Zweige mit Coca-Blättern, die auf einem Schneidebrett neben einem Betonklotz liegen.

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„Diese nennt man Pajarito", sagt er. Es ist eine kleinere Variante der Coca-Pflanze, die die Farmer zwischen den Kaffeepflanzen anbauen, um ein bisschen nebenbei zu verdienen. Sie ist klein und leicht zwischen anderen Pflanzen zu verstecken; perfekt für ländliche Gebiete. „In den Bergen haben wir die Größeren auf großen Grundstücken. Dort bauen wir kein Pajarito an."

Das einzige Gebäude der Finca besteht aus einer großen Betonküche und einem Holzofen auf dem harten Erdboden. Eine abgedeckte Lampenkonstruktion befindet sich darüber. In einem separaten—aber offenen—Teil des Gebäudes gibt es ein Loch als Toilette.

„Wer will damit anfangen, die hier zu schneiden?"

Als ich einen anderen Touristen dabei beobachte, wie er endlich die Coca-Blätter schneidet, wird mir klar, dass sich das Kochen von Kokain nicht großartig vom normalen Kochen in einer Pfanne unterscheidet. Der Hauptunterschied, denke ich, liegt darin, dass man in der Regel darauf verzichtet, Batteriesäure in seine Pfanne zu kippen.

Statt also Gemüse und etwas Hühnchen in einen Topf zu geben, schmeißt man kleingeschnittene Coca-Blätter, einen Löffel unverarbeitetes Kalium, Harnstoff und Schwefelsäure hinein und würzt das Ganze mit einer Prise Zement—als Bindemittel. Jesse fängt an, alles durchzurühren. Dann schnappt er sich einen Benzinkanister und kippt etwa ein Viertel davon in den Topf. Das hilft dabei, die Alkaloide—die aktive Zutat des Kokains—schneller aus den Blättern zu extrahieren.

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Er steckt seine verkrüppelte Hand in die Mixtur, drückt die Blätter zusammen und zuckt vor Schmerz zusammen. Trotz allem taucht er seine Hände ja schließlich in einen Sud voller ätzender Zutaten. Dann schnappt er sich eine Handvoll Blätter und wirft sie weg. Er verteilt die Beweise, während er durch den Raum geht. Sie haben ihren Zweck erfüllt.

„Für den Fall, dass die Polizei kommt, bin ich immer bereit zu verschwinden", sagt er.

Ich habe das Gefühl, dass dieser Fluchtplan weder mich noch die Anderen beinhaltet.

Mehrere Male während des Prozesses ruft er seinen Assistenten—einen milchgesichtigen, stillen 20-Jährigen, der mir versichert, dass er das schon seit Jahren tun würde, aber so aussieht, als gehöre er in die Schule—und sagt ihm, er soll oben beim Hügel schauen, ob Leute kommen. Sein kokainsüchtiger Schäfer- und Wachhund, Cati, hatte sich ein paar Mal bemerkbar gemacht.

In diesem Moment wird mir klar, dass die Bestrafung für das Herstellen von Kokain wahrscheinlich höher ist als die für den Besitz (bis zu 1 Gramm ist legal in Kolumbien). Ich bezweifle, dass die Polizei „Journalist" als Verteidigung akzeptiert. Obwohl die Touren mindestens drei Mal pro Woche angeboten werden, wurde bisher niemand aus dem Koch-Duo jemals verhaftet. Ich hoffe, heute ist nicht das erste Mal.

Das Kokain ist fast fertig fürs Kochen. Jesse kramt ein Stück Stoff hervor, legt es über eine Zinntasse und kippt den Sud durch den Stoff hindurch in die Tasse. Dann sammelt er die letzten Blattreste zusammen und kippt die Zinntassen-Mixtur in einen Plastikbeutel. Die geringe Dichte des Benzins sorgt dafür, dass es oben schwimmt und eine schleimige, grünliche Flüssigkeit am Boden des Beutels zurücklässt. Er nimmt eine Kiefernadel, sticht ein Loch in den Plastikbeutel und lässt die Substanz wieder in den Zinnbecher fließen. Den Beutel mit dem Benzin schmeißt er in die nahen Büsche.

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In der Küche hat der Assistent mit dem Babyface bereits ein Feuer angesetzt; mit einem einzigen Metalltopf darauf. Er holt eine kreideähnliche Substanz—Backpulver—heraus, und schmeißt sie in den Topf. Ein paar Sekunden später fängt es an zu brodeln. Er kippt die kochende Substanz über die Coca-Mixtur. Es zischt. Dann kippt er den Inhalt der Zinntasse in einen großen metallenen Kochlöffel. Er hält den Löffel über das Feuer; die Mixtur fängt an zu kochen und zu verdampfen. Entlang der Ränder des Löffels bildet sich langsam eine grünliche Substanz.

„Das ist das Kokain", sagt Jesse. Er reicht einem anderen Touristen den Löffel. „Mach ein Foto und zeig es deinen Freunden." Im Gegensatz zu Drogenboss Stinger Bell aus der US-Serie The Wire hat Jesse kein Problem damit, wenn man Notizen macht.

„Du bist echt ein guter Koch. Ich könnte es selbst nicht besser machen", sagt Jesse.

Es dauert etwa fünf Minuten, bis der Rest der Flüssigkeit verdampft ist. Was übrig bleibt, ist eine nach Dreck aussehende Substanz, die in einen kleineren Löffel gekratzt wird. Es sieht nicht sonderlich appetitlich aus und weiß ist es auch noch nicht.

„Seht euch das an", sagt er. „Stellt einen Timer auf drei Minuten."

Der Assistent holt eine normale Glühbirne aus seiner Tasche und schraubt sie in die abgedeckte Lampenfassung, während er auf einer schiefen Holzbank balanciert. Er nimmt den kleineren Löffel und legt ihn auf eine Plattform unter die Lampenkonstruktion. Wir warten. Drei Minuten später ist das Pulver knochenweiß.

Es ist 9 Uhr Morgens. Vom Blatt zum Pulver in einer Stunde.

Er baut ein paar Lines. Die Touristen schlagen zu. Ihre Reaktionen sind einheitlich; und durchweg positiv.

„Du wirst nichts Besseres als das finden", sagt Jesse. „Sag deinen Freunden, es gibt nichts Besseres als kolumbianischen Kaffee."

Disclaimer: Dieser Artikel dient nur der Unterhaltung und der Information. Versuch nicht, irgendetwas in diesem Artikel nachzumachen—das gilt auch für das Herstellen von Kokain. Das ist total illegal.