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Kann eigentlich jeder ein Flüchtlingsheim eröffnen?

Was Til Schweiger kann, können wir schon lange—oder? Wir haben Experten gefragt, wie man eigentlich eine Flüchtlingsunterkunft anmeldet.
Foto: imago/Hans Scherhaufer

Wir haben in der Vergangenheit nicht unbedingt positiv über Til Schweiger, den nuschelnden Brad Pitt Deutschlands, berichtet. Das liegt zum einen daran, dass er sehr oft sehr furchtbare Filme macht, zum anderen ist er dafür bekannt, alkoholisiert gerne mal gewalttätig zu werden. Eine Sache tut der Schauspieler und Regisseur momentan allerdings, die durchaus lobenswert ist: Er setzt sich offen und lautstark für Flüchtlinge ein. Nachdem er seinen rechtsgerichteten Facebook-Fans vor Kurzem mitteilte, sie sollen sich gefälligst „verpissen", verriet er nun, dass er zusammen „mit Freunden" den Bau einer Erstaufnahmestelle in Osterode plane.

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Bei den Freunden handelt es sich um die Firma Princess of Finkenwerder (kein Scherz), die nicht nur gewinnorientiert arbeitet (und somit Fragen nach der Qualität der Unterbringung aufwirft), sondern außerdem mit Unternehmen aus der Sicherheitsbranche zusammenarbeitet, die unter anderem auch in Krisengebieten aktiv sind. Das sorgte vollkommen zu Recht für Kritik und so ganz in trockenen Tüchern scheint das Projekt auch noch nicht zu sein, trotzdem warf Schweigers Ankündigung eine ebenso spannende wie wichtige Frage auch: Können nur schwerreiche Filmstars beschließen, ein Flüchtlingsheim eröffnen, oder geht das auch als ganz normaler Bürger? Und wenn ja, wie?

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„Die Unterbringung fällt in die Zuständigkeit der Länder, das heißt, sie ist bundesweit unterschiedlich geregelt", erklärt Martina Mauer vom Flüchtlingsrat Berlin. Die genaue Beschaffenheit ebenjener Unterkünfte ist nämlich—im Gegensatz zur Dauer des Aufenthalts—nicht im Asylverfahrensgesetz festgelegt. „In einigen Bundesländern betreiben die Kommunen selbst Sammelunterkünfte in landeseigenen Immobilien, oder sie mieten private Immobilien, oder der Betrieb einer Unterkunft wird an einen Wohlfahrtsverband oder eine private Firma vergeben, die entweder die Immobilie selbst stellt oder die Unterkunft in einer Landesimmobilie betreibt. Alles möglich."

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Das bedeutet: Wer eine passende Immobilie hat, kann einen Vertrag mit der jeweils zuständigen Behörde abschließen, der sich im grundlegenden nicht sonderlich von einem herkömmlichen Vermietungsvertrag unterscheidet—nur die Ansprüche an das Gebäude und die vertraglich festgelegte Mindestnutzungsdauer sind eben dem Zweck angemessen etwas anders. Wie solche Verträge aussehen könnten, kann man sich beispielsweise auf der Website der Berliner Unterbringungsleitstelle angucken.

Der Klugscheißer-Guide zu Flucht und Asyl in Deutschland.

In aller Regel sind diesbezügliche Angebote an die zuständigen Sozialämter, die Stadtverwaltung oder den Landkreis zu richten. Sinnvoll ist es außerdem, den Kontakt zu lokalen Flüchtlingsinitiativen zu suchen, die einem ebenfalls weiterhelfen können. Allerdings wird primär nach Objekten gesucht, in denen sich eine größere Anzahl an Personen unterbringen lässt—seine Privatwohnung anzubieten, mag also gut gemeint sein, ergibt als tatsächliche Flüchtlingsunterkunft aber oft wenig Sinn. In Berlin beispielsweise muss ein passendes Gebäude laut den offiziellen Leitlinien der verantwortlichen Unterbringungsleitstelle mindestens 50 Personen fassen. Welche spezifischen Regelungen in den einzelnen Bundesländern greifen, lässt sich übrigens in dieser Übersicht von Pro Asyl sehr gut nachvollziehen.

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„In Berlin ist es denkbar, dass eine private Firma XY sich mit einer Immobilie und einem tollen Konzept an den Senat, beziehungsweise die zuständige Unterbringungsleitstelle wendet und dann den Auftrag zum Betrieb einer Unterkunft bekommt", sagt Martina Mauer. Es ist also durchaus möglich, eine Non-Profit-Organisation zu gründen, ein passendes Gebäude zu erwerben und über die Unterbringungskosten—die ähnlich wie bei Hartz-4-Empfängern vom Staat getragen werden—die getätigten Ausgaben zu refinanzieren.

Das kann rein theoretisch jeder, nicht nur Til Schweiger.