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Kranker Scheiß aus dem Leben eines Tätowierers

Eine junge Frau, die beim Tätowieren kommt, ein alter Biker, der sich den falschen Namen stechen lässt und ein Pärchen, das sich Intim-Selfies in die Haut ritzt.
Alle Fotos von der Autorin

Wir haben in den letzten Monaten schon viel kranken Scheiß gehört—Würstelstandverkäufer, Kosmetikerinnen und auch Zahnärzte haben uns ihre ärgsten Geschichten aus dem Arbeitsalltag erzählt. Nun haben wir uns eine Berufsgruppe angeschaut, deren Kundschaft schon von Natur aus eine gewisse Exzentrik mit sich bringt.

Tätowierer erfüllen vielen Leuten ihre langersehnten Tattoo-Wünsche—dass dabei der Fantasie keine Grenzen gesetzt und die Motive so unterschiedlich wie die Träger sind, haben wir euch schon hier gezeigt. So persönlich teilweise die Bedeutungen sind, so intim sind auch oft die auserwählten Körperstellen. Ich habe mit einigen Tätowierern in Wien darüber gesprochen, wie es ist, tagtäglich tiefe Einblicke in die Seele und Körper ihrer Kunden zu haben. Das sind ihre Geschichten in eigenen Worten.

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Die Befriedigte

Alle Fotos von Stefanie Katzinger

Bei Kunden, die noch nie tätowiert wurden, ist es nicht unüblich, ein paar Freunde zur Unterstützung mitzunehmen. Auch diese Kundin—ein junges Mädchen—kam mit 3 Freundinnen zu ihrem Termin. Als ich sie gefragt habe, was denn das Motiv sein sollte, hat ihre Clique ganz aufgeregt gekichert und sie war ganz schüchtern. Schließlich hat sie mir gesagt, dass sie ein Muttermal in ihrem Bikinibereich hat und drum herum Blütenblätter möchte, damit es wie ein Gänseblümchen aussieht. Das ist ja eine einfache Aufgabe.

Natürlich musste sie mir zuerst einmal das besagte Muttermal zeigen. Sie hat zuerst ihre Short ausgezogen und zögerlich die Unterhose runtergezogen. Man hat es immer noch nicht gesehen. Es war wirklich sehr, sehr tief in ihrem Bikinibereich—genau genommen direkt neben ihren Schamlippen. Ich musste ihr dann auch gleich sagen, dass es nicht funktionieren wird, wenn sie das Höschen beim Tätowieren runter hält, weil das einfach zu viele Hände auf zu engem Raum wären. Sie musste ihre Unterhose ausziehen und ich ihre Beine leicht spreizen, um an die Stelle zu kommen. Ihre Freunde sind vor Lachen gestorben, aber die Kundin hat sich schon etwas wohler gefühlt—trotz der offenherzigen Position.

Während ich sie tätowiert habe, war sie auch ganz ruhig. Als ich dann kurz zu ihr rauf geschaut habe, habe ich dann gesehen, dass ihre Augen geschlossen waren und sie sich in die Lippe beißt—aber nicht so, wie ich das normal von Kunden gewöhnt war. Ich habe dann bemerkt, dass aufgrund der schwierigen Stelle meine Hand direkt in der Mitte ihrer Vulva lag. Und Tätowiermaschinen vibrieren nun mal. Sie war also kurz davor, einen Orgasmus zu haben. Ich weiß nicht, ob sie tatsächlich gekommen ist, weil das Tattoo dann fertig war, aber ihre Freundinnen fanden es jedenfalls unglaublich lustig.

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Der Pisser

Es macht natürlich einen Unterschied, ob man einen Kunden hat, der noch nie tätowiert wurde, oder eine stärker tätowierte Person. Bei Leuten, die regelmäßig unter die Nadel kommen, kann man davon ausgehen, dass sie zum Beispiel wissen, wie ihr Kreislauf auf die Schmerzen reagiert. Nur um sicher zu gehen, frage ich trotzdem immer nach, ob der Kunde schon etwas gegessen hat und sich auch wirklich fit fühlt.

So auch bei diesem Kunden, der schon viele Tätowierungen hatte und sich die Finger stechen lassen wollte. Er versicherte mir, dass alles OK wäre. Nach einer kurzen Motivbesprechung habe ich begonnen, ihm die Fingerknöchel zu tätowieren. Das ist zwar eine recht schmerzhafte Stelle, aber durchaus erträglich, weil es nicht lange dauert. Nach 10 bis 20 Minuten sollte sowas fertig sein.

Gerade wollte ich mit dem dritten Finger beginnen, als er leicht zuckte. Ich habe ihn noch gebeten, bitte stillzuhalten, aber als ich von der Hand hochgeschaut habe, habe ich gesehen, dass er am ganzen Körper gekrampft hat. Dann ging auch alles ganz schnell. Seine Augen haben sich verdreht, er hat sich angepisst und ist vom Sessel gefallen. Ich wollte die Rettung rufen, aber er hat so getan, als wäre nichts passiert. Um das Malheur in der Hose zu kaschieren, hat er sich einfach seinen Pullover umgebunden. Da auch mich das Ganze sehr erschrocken hat, wollte ich ihn eigentlich nicht mehr weiter tätowieren. Nachdem er mir aber versprochen hat, er würde gleich im Anschluss zum Arzt gehen, habe ich mich doch noch überreden lassen. Die weiteren Finger hat er gut überstanden. Ob er beim Arzt war, wage ich aber zu bezweifeln.

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Die Idioten

Ein sehr großer Teil in meines Job ist es, Kundenwünsche abzulehnen. Natürlich ist das nicht bei jedem Tätowierer so, da viele Studios hauptsächlich bestehende Kunden mit lange geplanten Terminen haben. In unserem Studio ist aber auch Laufkundschaft gerne gesehen—mit ein paar Ausnahmen.

Einmal kam ein zirka 20-jähriger Bursche rein. Er wollte sich sein erstes Tattoo stechen lassen. Sein Wunsch war das Wort „Hure" in riesigen Buchstaben auf seinen Unterarm zu haben. Ich weiß nicht, was ich mir als Antwort erwartet habe, aber auf meine Frage, warum er das haben möchte, meinte er nur: „Das ist einfach mein Lieblingswort." Ich habe ihn dann weggeschickt und ihm empfohlen, mal darüber nachzudenken, wie das seine Mutter finden würde.

Was leider auch immer wieder gefragt wieder, sind Tattoos mit Nazi-Symbolik. Da sogar diesen Idioten bewusst ist, dass das ein heikles Thema ist, versuchen sie immer, sich im Gespräch zuerst langsam heranzutasten: angefangen mit allgemeinen Fragen nach Skript oder Porträts, bis sie dann konkret nach dem SS-Totenkopf, Runen oder im ärgsten Fall auch einem riesigen Hitler-Porträt fragen. Diesen Leuten sage ich natürlich, dass ich nichts dergleichen stechen werde und dass sie auch nicht mehr zurückkommen brauchen. Das wirklich Erschreckende daran ist, dass es sich dabei meistens um junge, unscheinbar wirkende Typen handelt—keine offensichtlichen Neo-Nazis.

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Die Turteltauben

Pärchen-Tattoos sind natürlich immer stark gefragt und werden von mir auch oft abgelehnt. In diesem Fall war der Kunde aber ein alter Bekannter und um die 40. Ganz eifrig hat er mir erzählt, dass er die große Liebe kennengelernt hat und sie sich tätowieren lassen wollen—es wäre aber etwas „speziell". Ich hab mir gedacht, er ist alt genug, um das selbst zu wissen und außerdem mach ich alles gerne, was irgendwie unüblich ist.

Der Kunde meinte, er würde mir so schnell wie möglich eine Vorlage schicken. In der selben Nacht wache ich irgendwann auf und schaue reflexartig immer auf mein Handy, um kurz Nachrichten zu checken. Das erste, was ich sehe, ist ein riesengroßer Schwanz. Und anschließend eine Vagina. Dazu hat er mir geschrieben, dass er bitte ihre Pussy realistisch auf seinen Oberschenkel und sie seinen Penis am Bauch/Leistenbereich tätowieren lassen möchten. Natürlich in Originalgröße.

Bei dem Termin kam zuerst die Frau an die Reihe und ich habe ihr das Riesenteil auf den Bauch gestochen. Sie war damit fertig und ging nach Hause. Dann war der Herr dran. Da er zirka zwei Meter groß und der Oberschenkel dementsprechend riesig ist, hat er mich gebeten, die Pussy bitte größer als in Originalgröße zu stechen. Dafür musste ich damals auch noch in den Copy-Shop laufen, um dann mit einer DIN A4-großen Vagina zurückzukommen. Er war glücklich und es ging los. Während dem Stechen bekam er per MMS ein neues Foto von der gleichen Vagina zugeschickt—jedoch mit etwas Weißem drauf. Das wollte er gerne bei der Tätowierung ergänzen. Als ich ihn fragte, ob das denn Sperma wäre, meinte er ganz entrüstet: „Nein, hältst du uns für pervers? Sie hat es sich nur gerade selbst besorgt." OK, normal. Zum Abschluss kam noch der Spruch „Ain't no pussy like my girl's pussy" dazu.

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Drei Wochen später habe ich ihn zufällig auf der Straße getroffen. Ich habe mich erkundigt, ob auch alles gut abgeheilt ist und wie es der Geliebten geht. Aber da waren sie schon nicht mehr zusammen. Anscheinend stört es sie aber nicht großartig, denn keiner der beiden hat sich bisher für ein Cover-Up interessiert.

Der kleine Fehler

Ein ehemaliger Kunde hat einmal eine Meisterleistung gelandet. Es war ein Bekannter von mir, und da er ziemliche Angst vor dem Tätowieren hatte (obwohl er in einer Biker-Gang war), hat er einiges getrunken, bevor es ernst wurde. Er hat mir im Vorhinein immer nur gesagt, er wolle den Namen seiner Frau tätowiert haben—wie sie heißt, hat er aber davor nie erwähnt. Als wir nach ein paar Gläsern Whiskey zum Tattoo gekommen sind, hab ich erst mal den Namen, den er mir endlich gesagt hat, vorgezeichnet. Der Kunde war total begeistert und wollte es auch gleich aufs Handgelenk packen, damit es jeder sieht. Als wir fertig waren, hat er sich Tausend Mal bei mir bedankt und meinte, dass er es gar nicht erwarten könne, das neue Tattoo seiner Lady zu zeigen.

Am nächsten Tag war ich dann sehr verwirrt, als er auf einmal mit ein paar seiner Biker-Freunden vor unserem Studio stand und fuchsteufelswild war. Am Liebsten wollten sie mich sofort prügeln, aber ich habs noch geschafft, kurz zu fragen, was denn das Problem ist. Der gute Mann hat in seinem Whiskey-Dusel anscheinend den Namen seiner Frau und mit dem seiner Freundin verwechselt—wovon die Gattin nicht so begeistert war. Um seinen eigenen Fehler zu vertuschen, hat der Biker anscheinend erzählt, dass ich das bestimmt absichtlich gemacht habe. Zum Glück konnte ich seinen Freunden erklären, dass das Blödsinn ist. Immerhin kannte ich weder die eine noch die andere und natürlich habe ich ihm ja auch die Vorlage gezeigt, bevor ich losgelegt habe. Als Friedensangebot habe ich dann vorgeschlagen, ihm den Schriftzug zu covern—aber nur, wenn seine Freunde als Zeugen dabei sind.