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Wir sind mit Lugners Limousine zum Magistrat gefahren

„Gratis Sekt, Limo und Kinogutschein für fast keinen Aufwand. Komm schon, fahr mit!" Wir haben uns von Richard Lugner in einer Limousine durch Wien kutschieren lassen.
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Fotos: Christoph Schattleitner | VICE Media

„Grüß Gott, haben Sie nicht Lust, Richard Lugner als Präsidentschaftskandidat zu unterstützen? Sie bekommen dafür auch etwas gratis!" Der ältere Mann geht ausdruckslos weiter. „Hach, mit Jüngeren ist es leichter", sagt die studentische Wahlkampfhelferin. „Die kann man alle mit der Limo locken." So auch diesmal.

Ich fülle in die Unterstützungserklärung meine Adresse ein. „Ing. Richard Lugner" steht schon vorausgefüllt drinnen. „Unterschreiben darfst du erst am Magistrat. Ausweis hast eh mit, oder?"

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Die Limo biegt um die Ecke. Wir, insgesamt acht Leute, steigen ein. Sandro, unser Barkeeper und Lugners Wahlkampfhelfer, köpft die Sektflasche und schenkt großzügig ein—in Plastikbecher. Das ist so Lugner.

Die Leute, die für Lugner unterschreiben

Mit mir fahren zwei 17-jährige Lehrlinge: „Wir haben heute eh nix zu tun", sagt Sanella, und: „Die Limo macht Urspaß!" Da sie die österreichische Staatsbürgerschaft nicht hat, darf sie heute nicht für Lugner unterzeichnen. Aber sie würde, wenn sie könnte. Warum? „Weil der Lugner urcool ist." Warum? „Ja, weil er die Lugner City hat."

Der 21-jährige Markus, der sich mit seinen Kumpels auf der BeSt-Bildungsmesse in der Stadthalle informiert und in der Lugner City gegessen hat, sieht es ähnlich: „Es ist eh egal, wer Präsident wird. Hauptsache halt kein Hitler, aber sonst ist es echt egal. Die machen ja eh alle das gleiche." Und was kann der Lugner, was macht ihn besonders? „Naja, cool ist er." Sonst nichts? „Sonst nix."

Zusammengefasst: Alle, die in der Limo sitzen, finden Lugner eh ganz OK, aber eigentlich sitzen sie nur in der Limo, weil sie einmal in einer Limo sitzen wollten.

Will ich das wirklich?

Nach 10 Minuten ist der Spaß aber auch schon vorbei. Im Magistratischen Bezirksamt des 15. Bezirks heißt es dann unterschreiben. Mir geht das alles ein bisschen zu schnell, ich fühle mich ein bisschen wie ein Tourist, der aufgrund seiner Unwissenheit überrumpelt und ausgenutzt wird.

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Will ich Richard Lugner wirklich unterstützen? Kenn ich ihn dafür gut genug? Will ich meinen Namen amtlich für seine Kandidatur verbürgen? Oder noch größer gedacht: Ist meine politische Überzeugung wirklich mit einem Plastikbecher Sekt zu haben? Ich stammle wirres Zeug vor mich her, bis der Magistratsbeamte unterbricht: „Wollen Sie jetzt unterschreiben oder nicht?"

Ich denke weiter: Die Party-Limo, der Sekt, die jungen, gut gelaunten Leute, der Lugner—es ist ja eh alles ganz lustig. Auch die Idee, dass ein Kandidat die Fahrt zum Wahllokal bezahlt, ist wahrscheinlich nicht die allerböseste eines Wahlkampfs. Andere Parteien verteilen ja auch irgendwelche Wahlzuckerl, und wer weiß, vielleicht steigert eine Limousine zum Amt ja die politische Teilhabe.

Der Anstand gebietet es

Ich spüre den Druck deutlich. Ich könnte es mir einfach machen, ich könnte einfach sagen: „Hey, ich bin Journalist, ich schau nur zu." Aber ich wollte das ganze Programm. Und da gebietet die Höflichkeit eigentlich, diesen verdammten Zettel zu unterschreiben. Ist ja eh nur eine Unterstützungserklärung.

Und es fällt schwer, mit Lugner-Sekt intus im Magistrat zu sagen: „Entschuldigung, bitte vergessen Sie diesen Zettel, ich hätte bitte gerne ein neues, unbeschriebenes Formular." Während ich so hin und her überlege, beginnt der verständnisvolle Beamte zu erzählen.

Zu ihm würden fast nur Lugner-Leute kommen, „neutrale" Unterschriften gäbe es so gut wie keine. „Die meisten Leute wissen gar nicht, dass sie unterschreiben können." Aber einmal, sagt er, „einmal saß auch einer so da. Und wollte eigentlich nicht unterschreiben. Der hat dann den Zettel zerrissen, und um ein neues Formular gebeten. Er hat dann statt Lugner Van der Bellen gewählt." Dieser Gedanke gefällt mir. Es ist nichts dabei, Wahlgeschenke anzunehmen, aber man sollte sich nicht von ihnen lumpen lassen, sondern frei und rational entscheiden. „Danke, jetzt weiß ich, was ich mache", antworte ich dem Beamten. „Ich geh jetzt wieder."

Christoph auf Twitter: @Schattleitner