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Mein Astralkörper und ich

Laut diverser Esoterik-Foren haben 1/5 der Menschheit ausserkörperliche Erfahrungen gemacht. Allerdings sollen auch 1/5 der Menschheit an irgendwelchen psychischen Störungen leiden. 


Als ich mir den „Horrorfilm“ Insidous zum dritten Mal in Folge streamte, konnte ich mich irgendwann mit dem kleinen, gruseligen Jungen im Koma identifizieren. Es ging um die jedem gegebene Möglichkeit, im hypnoseartigen Zustand den eigenen Körper zu verlassen, um Seelenwanderungen zu unternehmen. So kam ich auf die Idee, unbedingt auch mal meinen Körper verlassen zu wollen, solange ich noch jung und abenteuerlustig bin. Laut Internet und diverser Esoterik-Foren haben bereits 1/5 der Menschheit ausserkörperliche Erfahrungen gemacht und Spaziergänge durch die Welt unternommen, während sie physisch im Bett lagen. Allerdings sollen auch mindestens 1/5 der Menschheit an irgendwelchen psychischen Störungen leiden.

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Zwischen all den Esoteriktrends ist das Angebot breit gefächert, ob Luzides Träumen, Astralprojektionen oder Selbsthypnose, für alles gibt es Hilfsmittel, Fachliteratur, Duftkerzen und die richtigen Soundtracks zum einstimmen. Aber ich holte mir lieber eine Frau.
Mit dem Nickname verträumte Waldfee Diana und etwa fünf kontraproduktiven Forenbeiträgen kam ich endlich zu einer „Lehrerin“, die mich auf meine Astralreise begleiten wollte, Esra. Sie ist eine Frau, von der man sich wünscht, dass sie sich ganz vorne in dein Freundebuch einträgt, weil sie immer die richtigen Heilsteine dabei hat. Ihre Traumreiseberichte machten mich mehr als neugierig auf meinen Astralkörper und sie meinte, seit ihrer ersten Periode in der Lage zu sein, Schwingungen im Halbwachzustand zu spüren. Und hellsehen zu können.

Sie erzählte mir im Esoterikforum von dem Ingenieur und Astralpionier Robert A. Monroe, der sich in den 50er Jahren intensiv mit Traumreisen beschäftigt hat. Er vertritt die Theorie, dass jeder während des REM-Schlafes seinen Körper verlässt, beziehungsweise traumwandert, nur vergisst man das normalerweise, sobald man den Wachzustand wieder erreicht hat. Als er seine besondere Fähigkeit der Fernwahrnehmung im Schlaf entdeckte, dachte er, er habe den Verstand verloren und begann es näher zu erforschen. Schließlich ist es nicht alltäglich, dass man seine Träume nicht nur realistisch empfindet, sondern auch Eindrücke wahrnimmt. Er schrieb eine umfassende, fünfstufige Anleitung, unter welchen Vorraussetzungen er besonders erfolgreich seinen Körper verlassen hat. So kannst auch du als Normalsterblicher traumwandern. Medizinisch gesehen gibt es natürlich andere Erklärungen, für die, die nicht an Seelen glauben, die nur durch eine mysteriöse Nabelschnur an den sterblichen Körper gebunden sind. Entweder hat man einen Hang zur Schizophrenie, hat zuviel Ketamin genommen oder man war kurz tot und das Hirn ist voller Sterbehormone, die Halluzinationen erzeugen. Oder man ist eben Esra aus meinem neuen Lieblingshilfeforum und will dir die fabelhafte Astralwelt zum Preis eines Long Island Iceteas nahe bringen.

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In meinem Zimmer zündeten wir Kerzen an, während sie ihre Decke auf dem Boden ausbreitete und mir ihre Trommel zeigte—für mich war das der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Irgendwie kam es dazu, dass ich mir etwas luftiges für sie anzog und mich ins Bett legte, dass wir vorher in eine Nord-Süd Position ausgerichtet haben. Sie deckte mich anschließend zu, wie die Mutter, die ich nie hatte. Was danach passierte, lässt sich am besten in fünf Schritten beschreiben, zum nachmachen zu Hause: 1. Ein warmer, ruhiger und dunkler Raum sind Grundvoraussetzung für eine ausserkörperliche Erfahrung. In Verbindung mit einem regelmäßigen Trommeln führte das zum entspanntesten Tiefschlaf, den ich seit langem hatte, der erste Versuch war also ein Reinfall.

2. Eine weitere Vorraussetzung, die ich beim ersten Mal nicht bedacht hatte: man ist im besten Fall bereits ausgeschlafen, so, dass man sich auf einen Punkt „hinter der Stirn“ konzentrieren kann. Also zwischen den Augen, irgendwo im Unterbewusstsein. Wenn ihr innerlich schielend einen Gedanken fassen könnt, sollte man langsam Schwingungen spüren. Lasst euch dafür Zeit, das braucht absolute Ruhe und Entspannung. Esra beschrieb mir diesen Moment als leichtes Flimmern, der Zustand zwischen Schlaf und Wachsein sollte also an einer Wellenbewegung erkannt werden.

3. Spürst du endlich Schwingungen? Ich tat das jedenfalls, es war das heimische Gefühl, das man empfindet, wenn man im Bett neben einer Frau liegt, die man im Internet kennengelernt hat und die vor sich hin trommelt, während man langsam sein inneres Auge auf einen Punkt ca. 30cm über seinen Kopf konzentriert. Aus 30cm sollte dann ein größerer Abstand werden und schon sieht man sich selbst aus der Vogelperspektive. Glaubt ihr nicht? Ich auch nicht, mich selbst habe ich jedenfalls nie gesehen – aber mein Zimmer. In einem verschwommen, surrealistischen Wachtraum, den ich lieber mit einer einfachen Wahrnehmungstäuschung vergleiche. Untermalt vom Trommeln wirkte es tatsächlich so, als ob man sich langsam von sich selbst entfernt.

4. Esra hat im Schritt vier die Welt im Schwebezustand erkundet, ich bin leider nie so wirklich aus meinem Zimmer gekommen, allerdings war das alleine schon nervenaufreibend. Die Schwingungen spürt man wirklich, vor allem, wenn man mit Herzrasen aufwacht und sich fragt, wie viele Tage man am Stück im halbbewussten Zustand verbracht hat. Es waren etwa vier Minuten.

5. Solltet ihr es schaffen, sehr, sehr weit in die Welt hinauszuschweben, achtet auf eure Nabelschnur—sie ist mit eurem physischen Körper verbunden und sollte sie reißen, kann das zum Tod führen, oder ihr fallt ins Koma. Stellt euch die Nabelschnur als eine Art Leitfaden vor, der euch zurück in euren physischen Körper führen soll, wenn ihr genug habt. Wobei das einer der Mythen ist, die um Astralprojektionen kursieren, ihr werdet nicht an einer Astralreise sterben, höchstens an schlechten Lebensumständen. Esra gestand mir auch ihre anfängliche Sucht nach Astralreisen, nachdem sie ihre unbegrenzten Möglichkeiten im Wachtraum entdeckt hat. Sie riet mir zu einem Meteoriten, den ich neben mein Bett legen sollte. Der schwarze Klotz heilt nicht nur Krebs, Darmbeschwerden und Lungenembolie, er stärkt auch deine Abwehrkräfte und deine Nabelschnur.

Fazit: Während der Astralreisen nimmt man seine Umwelt wahr, hört Geräusche und Stimmen, es wirkt also alles ziemlich real und wird hinterher auch als echt beschrieben, außerdem hat „Astral Projection“ 10.569 Likes auf Facebook. Wer an Wissenschaft glaubt, sei damit geholfen, dass ihr euren Körper nicht wirklich verlasst, sondern lediglich einer Wahrnehmungstäuschung unterliegt, die eurer Großhirnrinde entspringt, weswegen eure Erinnerungen in die Vogelperspektive produziert werden, was von Neurologen als Rechenfehler im Hirn beschrieben wird. Wahrscheinlich werden im Scheitellappen des Gehirns Eindrücke des Auges mit der Vorstellung des umgebenden Raumes verknüpft, so Dr. Blanke aus der Universitätsklinik Genf. Auch Dr. Penfield stellte fest, dass elektrische Stimulation im temporalen Gyrus bei Patienten eine „ausserkörperliche Erfahrung“ induzierte. Eine gesunde Mischung aus Wahrnehmung, Erinnerung und Vorstellungsvermögen führt also unter dem meditativen Aspekt zu einer Astralprojektion. Wer aber lieber denkt, dass er Schamanenreisen durch Zeit und Raum unternimmt, sollte einfach lang genug wach bleiben, um sich den Unterhalt zu verdienen, um seine Meteoriten und die warmen Betten zu finanzieren.