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Politische Programme statt Penisbilder—Wahlkampf auf Grindr

Im Vorfeld der anstehenden Kommunalwahlen in den Niederlanden haben einige Kandidaten Grindr für sich entdeckt. Soziale Medien spielen zwar eine immer größere Rolle im Wahlkampf, doch dieser Schritt versetzt die Internet-Community in Aufregung.

Jan-Bert Vroege

Im Kontext der anstehenden Kommunalwahlen in den Niederlanden haben einige Kandidaten der Partei Democraten 66 (D66) Grindr für sich entdeckt, worüber nun nicht mehr nur Penisbilder, sondern auch politische Programme verbreitet werden. Soziale Medien spielen zwar eine immer größere Rolle im Wahlkampf, doch dieser Schritt versetzte die Internet-Community in Aufregung. Ich habe Jan-Bert Vroege, einem Grindr-nutzenden D66-Kandidaten, angerufen, um herauszufinden, was ihn zu dieser Entscheidung verleitet hat.

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VICE: Hi Jan-Bert. Wie seid ihr darauf gekommen, Grindr für den Wahlkampf zu nutzen? 
Jan-Bert Vroege: Wir haben nächsten Samstag eine kleine Veranstaltung in Amsterdam geplant, bei der es um schwulenspezifische Themen geht. Ein paar Mitglieder haben sich gefragt, wie sie mehr Aufmerksamkeit für das Event bekommen können, und so sind wir auf die Idee gekommen, die Veranstaltung über Grindr anzukündigen.

Warst du schon vorher bei Grindr registriert?
Ja, ich hatte schon ein Profil. Ich musste mein Foto also nur noch durch ein großes D66-Logo ersetzen und den Titel zu „Let’s have a date on the 19th of March“ ändern. Einige haben gesagt, dass es ein großartiger Weg war, angesichts der bevorstehenden Wahlen die Aufmerksamkeit auf unsere Partei zu lenken. Andere hatten viele Fragen zu allen möglichen Themen—nicht nur Schwule betreffend, sondern auch Dinge, die die Leute in Amsterdam generell beschäftigen, zum Beispiel der Mangel an Wohnraum und Parkplätzen.

Die Leute haben angefangen, ihre Fragen zu stellen, und die App erwies sich als sehr gutes Medium, um mit der allgemeinen Öffentlichkeit zu kommunizieren.

Hast du Leuten auch Nachrichten geschickt? 
Ich verschicke keine Nachrichten, sondern antworte nur, wenn ich eine Nachricht bekomme. Es geht nicht nur darum, unsere Botschaft zu verbreiten—es geht eher darum zuzuhören, was die Leute zu sagen haben.

Wie lange nutzt ihr die App schon als Werbeplattform für eure Partei?
Wir haben letzte Woche Montag damit angefangen. Am ersten Abend haben mich alle gefragt, was ich die ganze Zeit mit meinem Telefon mache. Am Ende des Abends hatte ich zwischen 35 und 40 Mitteilungen bekommen. Ich dachte: ,Wow, was geht hier vor sich!‘ Ich bekomme jeden Tag zwischen 30 und 50 Nachrichten von verschiedenen Leuten.

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Gibt es noch andere Kandidaten, die Grindr benutzen, um Wähler zu gewinnen?
Ja, wir haben sechs homosexuelle Kandidaten in der ganzen Stadt, die jetzt für alle erreichbar sind. Es stehen zwei Wahlen an—eine für den Bezirk und eine für den Stadtrat. Deshalb wollen wir alle erreichen.

Warum richtet ihr euch besonders an Homosexuelle? 
Es sind nicht nur schwulenbezogene Themen, über die wir reden wollen—es geht um alle Themen. Wir wollten zeigen, dass die D66 eine Partei ist, die sich für neue Technologien begeistert. Wir wollten zeigen, dass wir ein Verständnis für Schwule haben und wir die Partei sind, die diese Themen seit Langem anpackt.

Wir waren die erste Partei, die sich für die gleichgeschlechtliche Ehe eingesetzt hat und wir arbeiten seit 25 bis 30 Jahren an der Gleichberechtigung von Schwulen. Es ist ein großes Thema für D66 und ein Großteil der Schwulen weiß, wie wir zu diesen Themen stehen. Die Leute auf Grindr sind nicht nur Schwule, sondern auch Bürger von Amsterdam. Sie haben die gleichen Probleme wie alle anderen Einwohner der Stadt. Viele von ihnen interessieren sich überhaupt nicht für schwulenbezogene Fragen.

Da es sich um eine Datingapp handelt, bekommst du wahrscheinlich auch Nachrichten, die man im Rahmen eines traditionellen Wahlkampfs nicht bekommen würde?
Meistens geht es um Politik—Leute schicken uns Nachrichten, um zu sagen, dass ihnen die Kampagne gefallen hat und dass sie uns wählen werden. Aber es gibt furchtbar viele Touristen in der Stadt, die Grindr benutzen und nicht wissen, was die D66 ist. Sie wissen nichts von den Wahlen und stellen deshalb etwas andere Fragen.

Betrachtest du das Ganze als politische Methode, die in Zukunft noch beliebter werden könnte? Werdet ihr die App nach den Wahlen weiterhin nutzen?
Das weiß ich noch nicht. Vielleicht. Es ist gut, es einmal gemacht zu haben. Jemand hat mir erzählt, das wir damit weltweit die ersten waren. Aber ich denke, dass es in ein paar Jahren nicht mehr so beliebt sein wird, wenn Grindr von allen für politische Zwecke, Marketing oder Werbezwecke genutzt wird. Wenn es eine neue Technologie gibt, werden wir sie vielleicht nutzen. Wir suchen immer nach neuen Wegen, um mit Leuten zu kommunizieren, aber im Moment ist Grindr am beliebtesten.