Wenig offener Antisemitismus, aber viel Hass: Der Berliner Al-Quds-Tag in Bildern

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Wenig offener Antisemitismus, aber viel Hass: Der Berliner Al-Quds-Tag in Bildern

Die Pro-Gaza-Demonstration endete friedlich—obwohl beide Seiten sich fast im Sekundentakt gegenseitig Nazivergleiche an den Kopf warfen.

Alle Fotos: Björn Kietzmann

Der diesjährige Al-Quds-Tag in Berlin ist friedlich zu Ende gegangen. Das war absolut nicht selbstverständlich, denn die diesjährige Demo stand unter einem besonders schlechten Stern: Der andauernde Konflikt im Gazastreifen hat bereits 36 Israelis (davon 2 Zivilisten) und 789 Palästinensern (davon laut UN 578 Zivilisten) das Leben gekostet.

Bei vergleichbaren, viel kleineren Demonstrationen hatte es in den letzten Wochen in Deutschland nicht nur immer wieder Gewalt gegen Gegendemonstranten, Passanten und Journalisten gegeben. Vor allem waren auf diesen Demonstartionen teilweise judenfeindliche Parolen gerufen worden, die in dieser Offenheit schon seit Jahrzehnten nicht mehr auf Deutschlands Straßen zu hören gewesen waren. Dementsprechend lief die Debatte über den „alten Antisemitismus mit neuen Protagonisten“—d.h. von „migrantischen islamischen Jugendlichen in Deutschland“, in den deutschen Medien heiß.

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Gegen halb drei am Freitagnachmittag hatten sich ungefähr 1000 Menschen auf dem Adenauerplatz zur Al-Quds-Demo versammelt. Den Großteil bildeten dem Anschein nach tatsächlich „migrantische Jugendliche“, mit dabei waren aber auch einige Deutsche, vor allem Linke und Montagsmahnwachende—und zwei orthodoxe Rabbiner aus England, die sich gegen das „zionistische Regime in Israel“ stellten.

Gegen die Al-Quds-Demonstranten hatten sich gleich zwei Pro-Israel-Demonstrationen formiert: direkt gegenüber des Adenauerplatzes stand das Bündnis aus Antifaschisten, Piraten, Jusos und anderen Linken. Etwas weiter den Kudamm hinunter hatten sich ca. 200 eher bürgerliche Demonstranten der jüdischen Gemeinde versammelt. Eigenartigerweise war hier auch ein Häufchen Deutschnationaler mit „Stauffenberg-Flagge“ aufgetaucht, die auch nach wiederholten Bitten der Veranstalter nicht gehen wollten.

Kurz nachdem sich die Pro-Gaza-Demo in Bewegung gesetzt hatte, stand sie bereits der linken Gegendemonstration gegenüber. „Raus mit Faschisten, raus mit Rassisten“ riefen die Pro-Gaza-Leute den Israel-Unterstützern zu, die mit trotzigen „Lang lebe Israel“-Rufen antworteten. Die Polizei war aber so gut vorbereitet, dass es bei Beschimpfungen blieb. Trotzdem war die Stimmung durchgehend extrem angespannt. Immer wieder brachen Gruppen von libanesischen und palästinensischen Jugendlichen aus der Demo aus, um die Gegendemonstranten mit Israelfahnen anzugreifen, die sie von der anderen Straßenseite herausforderten. Jedesmal gelang es jedoch den Ordnern und der Polizei gerade noch, die Scharmützel schnell unter Kontrolle zu bekommen.

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Die Demo zog also größtenteils friedlich den Kudamm zum Wittenbergplatz entlang. Die meiste Zeit waren Sprechchöre wie „Free Palästina“ oder „Augen auf, Augen auf, unsere Kinder gehen drauf“ zu hören—„Zionisten sind Faschisten“ und „Kindermörder Israel“ wurde aber auch oft genug skandiert. Und vor allem in den aufgeheizten Momenten gab es immer wieder jemanden, der aus voller Lunge „Takbir“ rief—worauf es genauso feurig „Allahu Akbar“ aus der Menge zurückschallte.

Das klingt in dem Zusammenhang zwar wie ein Schlachtruf, ist aber nicht wirklich antisemitisch. Auch „Kindermörder Israel“ ist laut Staatsanwaltschaft von der freien Meinungsäußerung gedeckt. Die fragwürdigsten Plakate wurden von Deutschen herumgetragen, die sich dafür auch länger mit der Polizei auseinandersetzen mussten. Zwischendurch haben laut Tagesspiegel 20 bis 30 Demonstranten „Israel vergasen“ skandiert—was von den anderen Demonstrierenden aber schnell unterbunden wurde. Insgesamt soll es drei Verhaftungen wegen antisemitischer Äußerungen oder Plakate gegeben haben.

Am Wittenbergplatz schließlich endete Al-Quds-Demo schließlich in ein paar Redebeiträgen, einem Gebet und einem Regenschauer. Die Demonstranten gaben ihre Plakate ab, rollten ihre Fahnen zusammen und bekamen auch nicht mit, wie ein kleiner Trupp noch einmal versuchte, sie mit einer Israelfahne aus der Reserve zu locken. Die Israel-Unterstützer wurden von der Polizei ziemlich umstandslos entfernt, und der Tag endete ohne größere Ausschreitungen. Nachdem sich aber beide Seiten im Laufe des Tages im Sekundentakt Nazi-Vergleiche an den Kopf geworfen hatten, lässt wohl wenig darauf hoffen, dass viel Verständnis für die jeweilige Gegenposition entwickelt werden konnte. Und im Gazastreifen geht der Konflikt sowieso weiter.

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Björn Kietzmann

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