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Die Münchner Sicherheitskonferenz hat Natohasser und Russlandfreunde vereint

Arnold Schwarzenegger, Ken Jebsen, Russia Today: Damit du weißt, wer in München wirklich den Aluhut aufhatte, unseren Bericht vom Wochenende—nur zur Sicherheit.

Am Wochenende fand die 51. Münchner Sicherheitskonferenz statt. Die Konferenz hat Tradition. Wie alles in Bayern. Was früher noch den schönen Namen „Wehrkundetagung" trug, soll nun ein Forum der Zivilgesellschaft sein, wo die Lenker der Welt Ordnung in das Chaos bringen. Gouvernator Arnold Schwarzenegger war auch da.

Besonders die Diskussion über Waffenlieferungen an die ukrainische Armee beschäftigt dieses Jahr Politiker und freut die anwesenden Vertreter der Rüstungsindustrie. Die Liste an Konflikten ist lang. Fast sechzig Delegationen und 500 Teilnehmer dürfen in Hinterzimmern und auf Fluren ihre Positionen klarmachen. Medial aufbereitet wird das Ganze vom Bayerischen Rundfunk.

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Mit Ausgaben des Veranstalters von rund 1,1 Millionen Euro—wobei die Bediensteten noch nicht bezahlt sind—kommt das Spektakel auch den miesepetrigen Steuerzahler nicht ganz billig. Der Vorwurf, es handle sich um eine reine NATO-Sicherheitskonferenz und der Westen plane hier neue Einmärsche auf der ganzen Welt, bringt am Samstagmittag auch viele Menschen auf die Straße. Neben echten Pazifisten und linken Scharfmachern nutzt auch der Träger des goldenen Aluhuts, Ken Jebsen, die Demonstration und sucht sich neue Freunde. Der neue „investigative" Fernsehsender Russia Today darf dabei natürlich auch nicht fehlen.

Während der Platz vor dem Bayerischen Hof zu allen Seiten abgeriegelt und streng bewacht ist—wer da zehn Minuten länger steht oder zwei Mal den gleichen Weg geht, wird erst mal von Kopf bis Fuß durchsucht—, kümmert sich um die Demonstranten am Marienplatz kaum jemand. Von einer Demo lassen sich die Münchener schließlich nicht vom Samstags-Shopping abhalten.

An die 3.000 Menschen sind laut polizeilichen Angaben an diesem Tag auf dem Marienplatz, um gegen die Sicherheitskonferenz zu demonstrieren. Neben Länder- und Parteifahnen sieht man auch in diesem Jahr viele selbstgemachte Transparente, Schilder oder Banner mit bekannten Parolen wie „Waffelexporte…Keine Angst vor heißen Eisen". Das Motto der Demo ist „Kein Frieden mit der NATO".

Dieses Jahr ist der Protestzug aber auch ein Forum für Russlandfreunde. Schilder mit der Aufschrift „Je suis Putin", russische Flaggen und die Flaggen der autonomen Republiken Luhansk und Donezk tragen da manche durch das russisch-kalte München.

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Die Auftaktrede an diesem Tag hält Walter Listl, Sprecher der DKP Südbayern und Mitorganisator der Demonstration. Für ihn ist die Sicherheitskonferenz ein korruptes Spiel um Macht und Geld. Tonangebend seien neben den Vertretern der NATO-Staaten auch die Rüstungsindustrie und Waffenexporteure, so Listl im Interview. „Das ist keine Konferenz, wo es um Sicherheit geht, sondern das ist Kriegspropaganda", ergänzt Listl in seiner Rede, „die Leute im Bayrischen Hof, die da zusammensitzen, haben allesamt Blut an ihren Händen."

Der Zug setzt sich pünktlich in Bewegung. Während die ersten Demonstranten bereits den Viktualienmarkt erreicht haben, stehen andere noch am Marienplatz und frieren—die Polizei hat die Demo gleich zu Anfang gestoppt, wegen zu langer Seitentransparente. Maximal drei Meter lang und mindestens drei Meter auseinander. Da misst die bayerische Polizei schon mal nach. Dank der Polizeiblockade wird die Route abgekürzt. Der Schwarze Block ist not amused. Kurz vor der Abschlusskundgebung kommt es noch zu einer kleinen Rangelei mit der Polizei. Die Abschlussrede hält Sevim Dağdelen. Sie sitzt für die Partei die Linke im Bundestag. Auch sie greift die NATO und die Teilnehmer der Sicherheitskonferenz mit scharfen Worten an. „Wir sind gegen diese Privatkonferenz, die einzig und allein der mörderischen Durchsetzung von Kapitalinteressen dient", ruft sie in die Menge, die ihre Aussage mit Pfiffen und Buhrufen bestätigt. Zur Ukraine hat Dağdelen einen phrasenhaften Vorschlag: „Die Eskalationsspirale in der Ukraine muss gestoppt werden—wir brauchen eine Verständigungspolitik und Dialoglösungen, kein neues Feindbild Russland und die Ukraine als Frontstaat gegen diesen Feind." Doch wenn das Haus brennt, schleppt die NATO nur den Benzinkanister ran, fügt sie bissig hinzu. Die Menge johlt und klatscht.

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Zur Beruhigung der Gemüter scheint es, haben die Veranstalter den Münchener Liedermacher Konstantin Wecker mit ins Programm geholt. „Ich bin überzeugter Pazifist und schon seit Jahren auf der Demo gegen die Sicherheitskonferenz. Die Stimme des Pazifismus darf nicht sterben!", sagt Wecker. Dabei sei es schwerer geworden, die Gegenposition zu halten. Man werde als Weichei beschimpft und angegangen. Doch gerade für die kommenden Generationen sei es wichtig, diese Demos aufrecht zu halten. Für Wecker ist die Sicherheitskonferenz seit jeher nur „eine Vorbereitung zum Krieg, bei der nur die Waffenhändler gewinnen können".

Während die Gegendemonstranten ihre verkürzte Route gelaufen sind, haben im Hochsicherheitstrakt Bayerischer Hof schon längst die ersten Gespräche und großen Reden begonnen. Gerade ist Angela Merkel aus Moskau eingetroffen und sichtlich gezeichnet. Dort war sie mit François Hollande bei Putin zu Besuch. Eine gute Zeit scheint sie nicht gehabt zu haben. Im Gegensatz zu Arnold Schwarzeneggers glamourösen Auftritt (beste kalifornische Bräune) ist sie todernst und müde. Erst in der anschließenden Fragerunde durch das Plenum wird sie ein wenig fitter. Als der ehemalige Außenminister des Vereinigten Königreichs, Malcom Rifkind, sie schon wieder nach Waffenlieferungen fragt, haut sie ein paar Hardfacts raus. Ein Szenario, in dem man Waffen an die ukrainische Armee liefert und Putin davon beeindruckt ist, kann sie sich nicht vorstellen. Egal wie viele Waffen man liefere, auch Angriffswaffen, Putin wird immer noch eine Schippe drauflegen. Aber die Debatte sei natürlich trotzdem wichtig.

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Einig sind sich alle Teilnehmer der Konferenz in einem Punkt. Der Kampf gegen den Islamischen Staat, den alle nur Daesh nennen, ist richtig und läuft auch ganz gut. Dankbarkeit an die arabischen Partner und an die Peschmerga in Kurdistan seitens des Westens.

Währenddessen schwenkt Petro Poroschenko symbolträchtig russische Pässe, als Beweis für den Kampfeinsatz russischer Soldaten in der Ukraine. Die Bedrohung im Osten Europas wird von ihm verständlicherweise polemisch aufgeladen. Einzig die US-Vertreter schwingen die Moralkeule noch heftiger. John Kerry und John McCain betonen die Gräuel des internationalen Terrors. McCain hatte die Debatte um Waffenlieferungen an die Ukraine erst ins Rollen gebracht.

Bei dieser Frage ist die EU geschlossen zurückhaltend. Welche Waffen auch? Bzw. wie bekommen wir die dahingeflogen? Von allen Seiten wird auf die offensichtlichen Mängel der Bundeswehr hingewiesen. Die deutschen Vertreter sind sich einig. Gemeinschaftliche Aufrüstung in der EU ist quasi schon beschlossene Sache.

Wichtig sei die territoriale Integrität europäischer Länder und Russland habe mit der Annexion der Krim das Völkerrecht gebrochen. Lawrows Auftritt in München ist dagegen eine eher kalte Nummer. Bei der hybriden Kriegsführung kämpft nun mal offene Propaganda gegen das Öffentlich-Rechtliche. Auch auf Regierungsebene.

Aber natürlich sollten wir uns alle nicht den Aluhut aufsetzen müssen, denn es gibt immer noch Menschen, die sich sehr sachlich mit den Inhalten der Konferenz auseinandersetzen. Das Junge Forum der Gesellschaft für Außenpolitik organisiert ein Public Viewing der Diskussionspanels. Anschließend wird mit Professoren und Doktoren diskutiert. Ohne Aluhüte.

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Geladen sind der langjährige SZ-Korrespondent Dr. Michael Birnbaum, der Leiter des Berliner Büros der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung, Dr. Alexander Wolf und der ehemalige Professor an der deutschen Beamtenuniversität in München/Berlin, Dr. Gunther Schmid. Jeweils ein Vertreter für Presse, Wissenschaft und Politik quasi. Es gelten die Chatham House Rules für Journalisten. Keine wörtlichen Zitate und keine Verbindungen von Aussagen zu Namen. Das heißt, wir geben hier auch nur den Tenor des Podiums wieder. Vorteil: Die Leute toben sich aus.

Es wurde auch hier allgemein festgestellt, dass nur derjenige, der auch die militärische Macht hat, Druck zu auszuüben, den Anspruch auf Leadership anmelden kann. Den deutschen Führungsanspruch muss man also unterfüttern.

Glücklicherweise konnten wir Dr. Gunther Schmid, der selbst das ganze Wochenende auf der Sicherheitskonferenz verbracht hat, anschließend für ein Interview gewinnen. Er hält die Münchner Sicherheitskonferenz für alles andere als eine NATO-Kriegskonferenz. Er ist vielmehr begeistert vom internationalen Charme und den interessanten Menschen, die man dort trifft. „Wie borniert muss man sein, dass ich auf ein Plakat klebe, ‚Kein Frieden mit der NATO'?", fragt Dr. Gunther Schmid.

Für ihn tritt hier eine Zivilgesellschaft zusammen, die für Frieden und Ordnung in der Welt kooperiert. Es waren tatsächlich wenige offizielle Militärs auf der Konferenz. „Mindestens ein Drittel der Leute waren Wirtschaftsvertreter", schwärmt Schmid. Den russischen Außenminister hat er als sehr kalt und arrogant erlebt. Das einzige Kind, das nicht mitspielen darf. Lawrow sei ein schlechter Verkäufer russischer Positionen und Putin ein schlechter Taktiker, vor allem, was die Krim angeht. Schmid ist das personifizierte Taktieren auf dem Schachbrett internationaler Politik. Deshalb deutet er die Androhung von Waffenlieferungen an die Ukraine auch so: „Die westliche Diskussion, dass man Waffen liefern könnte, hat natürlich Merkels und Hollandes Besuch in Moskau erst möglich gemacht." Und dieser Satz ist plausibel und wir finden alle gut, wenn sowas klappt. Aber die ganze Veranstaltung mutete an wie ein perfekt inszeniertes Abtasten bis unter die Gürtellinie. Man muss ja abchecken, wer am besten bestückt ist.

Die angrenzenden Nobelboutiquen in der Theatinerstraße jedenfalls hatten super Umsätze. Zu Bewachung des Areals und auch der 5 Höfe, Münchens teuerstem Einkaufszentrum, durften dieses Jahr auch wieder Tausende Polizisten im Namen des Weltfriedens frieren. Ein voller Erfolg