Von SS und Animal Hoarding: Das Sanatorium Wienerwald
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Von SS und Animal Hoarding: Das Sanatorium Wienerwald

Verlassene Gebäude haben immer diesen speziellen Charme, der irgendwo zwischen ‚The Shining' und Tschernobyl liegt. Das Sanatorium Wienerwald im niederösterreichischen Feichtenbach ist so ein Ort.

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Verlassene Gebäude haben immer diesen speziellen Charme, der irgendwo zwischen The Shining und Tschernobyl liegt. Das Sanatorium Wienerwald im niederösterreichischen Feichtenbach ist so ein Ort—und gleichzeitig ist es ein Ort wie kein anderer. Neben dem postapokalyptischen Ambiente, das das Sanatorium heute ausstrahlt, ist es auch ein früheres Lungensanatorium, eine Kriegerheilstätte während des Ersten Weltkriegs und ein „Lebensborn" der SS im Zweiten.

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Wenn man das Sanatorium, das gut eine Autostunde von Wien entfernt liegt, heute besucht, hat man das Gefühl, dass man den gesamten Werdegang der Einrichtung immer noch in den einzelnen Zimmern sehen kann: Zuerst Sanatorium für Gäste wie Franz Kafka und Ignaz Seipel, dann Heim für unterernährte Kinder, Austragungsort der österreichischen Staatsmeisterschaften im Bahnengolf und schließlich ein Fall von Animal Hoarding.

Mit der Gründung 1903 erlangten die Lungenspezialisten Hugo Kraus und Arthur Baer große Aufmerksamkeit durch deren fortschrittliche Behandlungsmethoden. 1938 dann die Beschlagnahmung und Umwidmung zu einem Mütterheim durch SS und Gestapo. Nach der Übernahme des Hauses durch die Nazis nahm sich Hugo Kraus nach offiziellen Angaben das Leben und vergiftete sich selbst. An dem Suizid des Arztes gibt es aber bis heute Zweifel. Laut einer Zeugin kam es zu einem Messerstich in dessen Brustkorb.

Arthur Baer wurde verhaftet, tagelang verhört und dazu gezwungen, das Sanatorium dem „Lebensborn e.V." zu überschreiben. Das Ziel dieses Vereins war es, die Geburtenrate „arischer" Kinder zu erhöhen. So diente das Heim bis Ende des Krieges unter anderem dazu, Geburten unehelicher Kinder von NS-Parteiführern zu vertuschen.

Nach Ende des Krieges wurden hier über 4.100 unterernährte Kinder aus Wien und Umgebung untergebracht und medizinisch versorgt, bis 1950 ein Verkauf der heruntergekommen Einrichtung unausweichlich war. Danach war der ÖGB als Eigentumer eingetragen.

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Es folgten weitere Um- und Zubauten, wie das 1980 fertiggestellte Hallenbad, das die Erhaltung des Gebäudes unrentabel machte oder die hauseigene Minigolfanlage, auf der 1984 die österreichischen Staatsmeisterschaften im Bahnengolf ausgetragen wurden.

Zuletzt wurde das fünfstöckige Haus als Hotel geführt und steht nun seit 2002 leer. Im März 2007 sorgte der Ort noch einmal für Aufregung, als eine Frau 46 Hunde und 18 Katzen in den ehemaligen Hotelzimmern hielt. Ein letzter Plan das Haus in eine private Organisation zur Suchttherapie umzufunktionieren, im Jahr 2008, wurde nie umgesetzt.

Was heute übrig geblieben ist, sind kahle Mauern, leere Betten und die Urlaubsplanung für das Jahr 2002. Die Gauermannwanderung inklusive „Ziegenbock-Bingo mit schönen Preisen" wird vermutlich auch nicht mehr angeboten.