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Sex

Sasha Greys Problem mit sockentragenden Pornodarstellern

Sasha Grey, bekanntermaßen so etwas wie der Nietzsche der Pornoindustrie, hat kürzlich ihren ersten Roman veröffentlicht. In 'Die Juliette Society' geht es, wie sollte es anders sein, vor allem um eines: Ficken. Wir haben uns bei ihrer Buchpräsentation...

Sasha Grey, bekanntermaßen so etwas wie der Nietzsche der Pornoindustrie, hat kürzlich ihren ersten Roman veröffentlicht. In Die Juliette Society geht es, wie sollte es anders sein, vor allem um eines: Ficken. Keine Leseratte, die etwas auf sich hält, würde sich das wohl entgehen lassen. Deswegen haben wir uns bei ihrer Buchpräsentation in Hamburg einmal genauer umgesehen.

Es ist ein schwer in Worte zu fassendes Gefühl, das einen beschleicht, wenn man einem Menschen gegenübersteht, den man aus Hardcore-Filmen kennt. Jemandem zum ersten Mal die Hand zu schütteln, dessen Anus man öfter gesehen hat als seinen eigenen. Dass sich Sasha Grey adrett gekleidet auf dem Sofa lümmelt und Tee trinkt, macht das ganze Ich-glaub-wir-haben-uns-schon-einmal-gesehen-Gefühl jedenfalls nicht weniger surreal. Im Interview vor der Lesung, zu dem ich mit einem feierlichen „VICE Magazine is family“ begrüßt werde, erklärt sie, vor allem für eine weibliche Zielgruppe schreiben zu wollen. Der Markt der erotischen Literatur sei eben nun mal in erster Linie auf Frauen ausgerichtet und ihre weiblichen Fans hätten sie seit Längerem um einen Roman bekniet.

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Daniel

Die Realität sieht dann allerdings anders aus. Der erste Fan, den ich vor dem schicken Mojo Club an der Reeperbahn treffe, bringt es schmerzfrei auf den Punkt: „Klar bin ich wegen ihrer Pornos hier. Das Buch interessiert mich nicht wirklich, ich wollte einfach mal einen Pornstar treffen“, sagt Daniel, 28.

Rainer und sein Sohn

Als nächstes sehe ich ein Paar, bei dem es sich augenscheinlich um Vater und Sohn handeln muss, und hoffe inständig, sie mögen aus einem nobleren Grund hier sein. Vater Rainer, 65, präsentiert mir folgende Geschichte: „Ich bin mit meinem Sohn extra die 100 Kilometer aus Rendsburg gefahren, um sie zu sehen. Wir sind beide große Steven-Soderbergh-Fans und fanden Sasha in The Girlfriend Experience großartig.“ Ich möchte es ihnen von ganzem Herzen glauben.

Es herrscht allgemein ein eher ruhiges Treiben. Suspekte Männer in Trenchcoats sind nicht zu sehen, dafür jede Menge Hipster. Ich stelle fest: Titel wie Face Invaders oder Grand Theft Anal scheinen abseits zwielichtiger Internetforen nur mäßig zu regem Austausch zu taugen. Die Einsiedler dieser verschwiegenen Bruderschaft bleiben für sich, harren der Dinge, die da kommen mögen. Vielleicht sind sie auch einfach nur befriedet angesichts der Möglichkeit, ihrem Star nach vielen unentgeltlichen Stunden auf Youporn & Co mit den 13 Euro für das Ticket auch einmal etwas zurückgeben zu können. Nur: Wie würden sie reagieren, wenn ihnen die Queen of Anal auf einmal persönlich gegenübersteht?

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Stephanie

Und dann finden sich doch noch ein paar Frauen ein. So wie Stephanie, 30, aus Hamburg. „Sasha ist ultra-feministisch und hat der Männerwelt mal richtig den Arsch aufgerissen. In jungen Jahren so versaut zu sein, das gibt doch sonst niemand zu. Auch wenn ich persönlich ihre ersten Filme etwas harmlos fand.“ Harmlos ist bei Grey relativ. In ihrem Debüt-Film konnte sie angeblich selbst Veteran Rocco Siffredi schocken, als sie bat, ihr während der Fellatio in den Bauch zu schlagen.

Das typische Literaturpublikum sieht jedenfalls anders aus. So ist den Zuhörern anfangs eine gewisse nervöse Unsicherheit anzumerken. Bei Wörtern wie „cock“ und „pussy“ wird gekichert, die Stimmung erinnert unweigerlich an Aufklärungsunterricht. In den vorgelesenen Passagen des Romans wird genamedroppt ohne Ende, was ein wenig nervt. Hier möchte jemand keinen Zweifel an seiner Intellektualität aufkommen lassen. Godard, Buñuel, Kubrick. Wir haben's kapiert, Sasha. Aber wenn sie Hochliteratur und Filmklassiker annähernd so verschlingt wie in ihrer kurzen Pornokarriere Schwänze, möchte man das der gerade einmal 25-Jährigen zweifellos nicht zum Vorwurf machen.

Grey, die sich als Fan von Charlotte Roche outet, ist sichtlich fasziniert vom Klang der deutschen Sprache. Als Synchronsprecherin Swantje Wascher mit sonorer Stimme Passagen des Romans auf Deutsch vorliest und das Wort „ficken“ sagt, grinst Grey über beide Ohren und nickt zustimmend. Dem lüsternen Publikum gefällt das. Angesprochen auf die nicht gerade berühmten Erotikqualitäten der deutschen Sprache antwortet Grey: „Es kommt natürlich drauf an, wer spricht, aber manchmal höre ich Deutsch wirklich gerne.“ Obwohl Deutsch so einen strengen Ton hat, frage ich sie unschuldig, die Antwort bereits ahnend, und ernte zur Bestätigung ein dreckiges Lachen.

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Im Anschluss an die Lesung signiert Sasha eifrig Bücher, die eilig gekauft werden, um für ein paar Sekunden ihre volle Aufmerksamkeit zu bekommen. Probleme mit durchgeknallten Fans habe sie aber nicht, sagt sie. Bisher seien sie immer ziemlich cool gewesen, nur manche würden sie auf die Wange küssen wollen, was sie aber ablehnen müsse, damit sie nicht vom gesamten Publikum geküsst wird. Dieses Phänomen trete aber hauptsächlich in Europa auf. Sasha Grey sagt, sie sei glücklicher als je zuvor in ihrem Leben. Ob das auch daran liege, dass sie ihr Sexleben wieder für sich selbst habe? „Ja, es ist großartig. Es war toll, meine sexuellen Fantasien durch Pornografie erforschen zu können, aber ich bin jetzt mehr denn je mit meiner Sexualität und meinem Körper im Reinen. Nur anfangs war es schwierig beim Sex, weil ich mich ständig gefragt habe: ,Hey, wo ist hier eigentlich die Kamera!?‘“

Aber eins wollen wir dann doch noch wissen, und diesen Dialog gebe ich am bestem im Wortlaut wider:

VICE: In deinem Buch erwähnst du sockentragende Pornodarsteller, erklärst es zu meinem großen Ärgernis aber nicht. Also: Was zur Hölle hat es damit auf sich?
Sasha Grey: Haha, das weiß ich eben auch nicht! Es ist ein großes Mysterium! Und immer sind sie weiß, was für ein Turn-Off! Ein Turn-Off, wenn man zuschaut, ein Turn-Off, wenn man die Szene spielt, ein Turn-Off abseits der Kamera. Das geht eigentlich nie.

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Beruhigend zu wissen, dass selbst du das nicht weißt.
Da sind wir alle gemeinsam im Dunkeln!

Fotos: Jörn Ehrenheim

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