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Sex

Sex in Teheran

Bevor 1984 der Krieg mit dem Irak ausgebrochen ist, bin ich in einer relativ armen Gegend in Teheran aufgewachsen. Als ich 24 Jahre später in das Land zurückkam, haben mir meine Freunde aus der Kindheit die Augen für das Sexleben der weniger...

Bevor 1984 der Krieg mit dem Irak ausgebrochen ist, bin ich in einer relativ armen Gegend  in Teheran aufgewachsen. Als ich 24 Jahre später in das Land zurückkam, haben mir meine Freunde aus der Kindheit die Augen für das Sexleben der weniger privilegierten Unterschicht geöffnet.

Dass sie nicht so viel Geld und Ausstattung haben wie die Oberschicht, hält die armen Leute im Iran nicht davon ab, Partys zu feiern. Und Sex ist - wie für ihre reichen Landsleute - die maßgebliche Form der Unterhaltung. Eine verheiratete Freundin hat mir von diesen Partys erzählt. Sie macht zwar  nicht mit, aber sie wusste, dass ich jemanden finden würde, der mich zu einer Orgie bringen könnte, wenn ich zu einer gewissen Zeit abends in einen bestimmten Teil der Stadt gehen würde.

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Kurz nachdem sie mir das erzählt hatte, saß ich schon mit einer Freundin von mir im Auto und knatterte in der Abenddämmerung durch die schwüle Innenstadtluft. Ich erinnere mich noch an das Dröhnen zum Gebet von einer nahegelegenen Moschee, und Horden von frommen Männern und ihren Frauen, die in schwarze Tschadors gekleidet waren. Niemand sammelt in Teheran den Müll ein, deshalb sind die Straßen voll davon, und die Berge, die die Stadt einkesseln, fangen die Verschmutzung auf. Das macht diesen Teil von Teheran nicht unbedingt zu einem schönen Ort.

Endlich kamen wir an einem Feld in den hintersten Ecken der Stadt an, weit ab von allem und jedem. Ein Feuer wurde in Sichtweite von ein paar geparkten Autos angezündet, wo sich circa 14 Mädchen und Jungs begrüßten. Statt schicken Sportwagen und vornehmen Klamotten standen da alte verrostete Karren und Mädchen, die ihre Hijabs über ausgeleierten Jeans und T-Shirts trugen. Anstelle des Markenalkohols, den sie auf der Party der reichen Kids hatten (Smirnoff und Jägermeister kriegt man auf dem Schwarzmarkt für circa 55 Euro pro Flasche), tranken die Leute selbstgemachten Reiswein und rauchten Opium (Opium gibt's überall im Iran. Es ist billiger als Essen.). Hin und wieder machten sich Mädchen und Jungs Hand in Hand in die Wälder auf; Musik, die aus einem Autoradio erklang, ergänzte die ganze Situation.

Die Leute kamen aus der Unterschicht von Teheran - nicht unbedingt Bedienstete, aber Hausangestellte, Taxifahrer, Bauarbeiter. Sie haben nicht genug Geld, um das Kommiteh zu bestechen, die geheime Moralpolizei des Irans, falls sie erwischt werden, aber sie wissen sich schon zu helfen. Sie leben in den wirklich schlechten Gegenden der Stadt, also müssen sie auf Draht sein - ein Junge hat mir erzählt, wie er einmal beim Trinken erwischt wurde und den Priester anbetteln musste. „Ich bin so ein guter Muslim, aber der Teufel ist in mich gefahren," sagte er und küsste dem Pfaffen die Füße. „Du hast mir gezeigt, dass es ein Fehler war." Er ist offenbar davon gekommen, sonst wäre er nicht mit hier - und würde kommen.

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Von all den Leuten, die sich an diesem Abend beim Wald versammelt hatten ist ein Typ mir besonders aufgefallen. Er hatte sehr kurz geschnittenes Haar. Zu dieser Zeit dachten die meisten Jungs in Teheran, es sei cool, Emo-Frisuren zu haben, die echt eklig sind [Emo-Frisuren sind seitdem vom iranischen Regime verboten worden]. Der Typ war sehr, sehr sexy und muskulös und ich führte ihn in das dichte Dunkel des Waldes. Er erzählte mir, dass er bei der Armee ist.

Als wir an einer kleinen, abgelegenen Lichtung ankamen, zog ich mich aus und ließ ihn meinen Körper anfassen. Ich ließ ihn alles mit mir machen, was er wollte, aber ich bestand darauf, dass er ein Kondom benutzt. Ich hab ihm einen geblasen. Er war nicht älter als 16. Er kam schnell und wir gingen zum Rest der Gruppe zurück.

An diesem Abend ist etwas seltsames passiert. Da war diese Frau, auf der vier oder fünf Typen waren. Sie trug massenhaft Make-Up und war viel älter als alle anderen, die da waren. Die Typen verhielten sich sehr dramatisch, natürlich, - für sie muss es gewesen sein wie in einem westlichen Porno, den sie im Internet gesehen haben - sie stöhnten laut und bewegten sich übertrieben.  Sie sahen aus wie Schauspieler, aber die Frau war total ruhig. Wenn ich an ihrer Stelle gewesen wäre, wäre ich sehr laut gewesen, aber sie war sehr leise und still - fast traurig, obwohl sie eine Nutte hätte sein können. Als ob es sich nicht gelohnt hätte, so viele Typen auf einmal zu unterhalten. Das war echt seltsam.

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An diesem Abend habe ich auch noch mit einem Mädchen rumgemacht, dass ich als die Tochter einer Frau aus meiner alten Nachbarschaft erkannte. Sie war mir zu jung und war auch nicht auf jemanden wie mich aus. Sie wollte einen Freund finden, keine verwestlichte Bisexuelle. Die Ablehnung der Regierung von außerehelichem Sex hat zu einer sexuellen Ökonomie geführt. Die Mädchen aus ärmeren Familien stehen unter hohem Druck, sich mit einem wohlhabenden Ehemann „hoch zu heiraten" - und die reichen Typen aus der Stadt nutzen das aus. Sie kommen in ihren teuren Autos an und nutzen die verarmten Mädchen aus, weil die Mädchen hoffen, dass die Typen sich in sie verlieben und ihnen einen Ausweg bieten. Offensichtlich passiert das kaum.

Ich wurde eingeladen, zur Fortsetzung der Party in einer Lagerhalle zu gehen, aber ich ging nicht mit. In der Innenstadt war man nicht gerne geil, weil da kaum jemand über Sexualkrankheiten Bescheid weiß und die Leute arm und dreckig sind. Arm und dreckig in Teheran ist ziemlich anders als arm und dreckig in London.

TEXT: ROXANA SHIRAZI
FOTO: AZA SHADE

Bisher: SEX IN TEHRAN - MEINE ERSTE IRANISCHE ORGIE

Roxana Shirazi ist die Autorin von The Last Living Slut: Born in Iran, Bred Backstage (Harper Collins).

Roxana Shirazi auf Twitter