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Barcraft – Der Krieg der Welten mit Bier

Wenn du auf Starcraft und Bier stehst, dann ist Barcraft vielleicht was für dich. Im schlechtesten Fall lernst du dort Freunde kennen, die deinen Computer reparieren können.

Manchmal, wenn es mir nachts auf dubiosen Pornoseiten zu langweilig wird, drifte ich auf YouTube ab und fühle mich schäbig dabei, weil ich mir „Let’s Play“-Videos anschaue. Doch, Gott sei Dank, bin ich mit dem Guilty Pleasure, anderen Menschen beim Computerspielen zuzuschauen, nicht allein und seit ein paar Wochen treffen sich die Nerds unserer Hauptstadt sogar in aller Öffentlichkeit dafür. Der Veranstalter, David Krause, versicherte mir, dass Barcraft, „natürlich der geilste Scheiß ist, der in letzter Zeit erfunden wurde.“ Ich war mir da nicht ganz so sicher.

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Mein Weg zum Barcraft verschlägt mich in den Berliner Osten. Auf einem Industriegelände, in dem Hippies auf der Straße Protestbanner basteln und sich die Leute an einem frühen Samstagabend in Bars betrinken, versteckt sich hinter einer Lagerhalle mit eingeschlagenen Fenstern das CK-99. Von außen sieht das Ganze aus wie eine weitere Lagerhalle, die von ein paar Sprayern umgestaltet wurde, innen erwartete mich aber eine Mischung aus Sportsbar und Arcade. Der Ort sieht aus wie das Liebeskind zwischen einem Sci-Fi-Movie und einer Videospielekonsole. Hier hat man sich getroffen, um ein paar Videospieleprofis beim Zocken zuzuschauen. Das Spiel heißt Starcraft II und hat in Korea einen Status wie bei uns Fußball. Spieler füllen ganze Stadien und werden dort als Superstars gefeiert. David, der mich empfängt, erklärt mir das Spielprinzip so: „Starcraft ist ein Real-Time-Strategiespiel, das im Weltraum spielt. Es gibt drei Rassen, die sind alle sehr unterschiedlich, sind aber gegeneinander sehr gut ausbalanciert.“ Die drei Völker bedienen sich klassischer Science-Fiction-Stereotypen: bestienartige, Ekel-Aliens, technisch fortgeschrittene Elite-Außerirdische und Menschen.

„Barcraft selbst kommt aus Nordamerika, genau genommen Seattle“, erzählt David. Dort hätten einfach ein paar Jungs angefangen, in Sportsbars statt Football oder Baseball Starcraft zu schauen, während sie ihr Feierabendbier tranken. Genau das schwappt jetzt auch nach Deutschland und fand letzten Samstag zum zweiten Mal in Berlin statt. Nachdem ich vor zehn Jahren sogar mal den Vorgänger Starcraft–Broodwar gespielt hatte, dachte ich, dem Spiel zu folgen, würde gar nicht so schwer werden. Das Spielprinzip ist dasselbe geblieben: Du baust Gebäude, Gebäude bauen Einheiten, mit denen du den Gegner bekämpfst.

Das erste Spiel ist SASE gegen CRAZY MOVING, seinen echten Namen benutzt hier keiner der professionellen Spieler, selbst der Team-Coach, nennt sich selbst SIRSCOOTS. Als sich einer der anderen Zuschauer zu mir rüberbeugt und seine Match-Analyse mit mir teilen möchte, erkenne ich, dass mein Vorwissen keinen Wert hat. Glücklicherweise verteilen sie hier spezielle „Newbie“-Flyer, für Leute wie mich, damit ich mir die Basics vom Spiel aneignen kann. Im zweiten Spiel HUK vs HEART bin ich besser gerüstet. HUK, dessen Spieleralias sich eher Anhört wie der Name einer Krankenversicherung, wird augenblicklich von den Zuschauern bejubelt, als er vom englischsprachigen Kommentator angekündigt wird. „Die Szene wird grob in ‚Foreigner‘ und ‚Koreaner‘ unterteilt“, erläutert David. „Weil die Koreaner so die Oberchecker in dem Spiel sind.“ Dass deshalb natürlich hier alle Fans des europäischen Underdogs HUK sind, scheint da logisch. Selbst als HEART mit seinen Einheiten Herzen malt, wird das nur mit einem Nicken quittiert. Ein Profispieler hat hier 200 bis 300 APM (actions per minute), was bedeutet, dass er pro Sekunde zwischen 4-6 Mausklicks oder Tastaturbefehle gibt. Nicht nur Spieler haben Starcraft zu ihrem Hauptberuf gemacht, in einem Nebenraum stellt mir David Mori Langer vor. Während im Hauptraum ein internationales Match aus den USA übertragen wird, kommentiert er hier von Berlin aus ein Turnier in München und streamt es live ins Internet. Er ist hauptberuflich Starcraft-Kommentator, mit einem dazugehörigen YouTube-Kanal. Später wird das deutsche Finale noch auf dem großen Bildschirm mit seinen Kommentaren übertragen. Zum Finalspiel lehne ich mich in den bequemen Sessel zurück, schlürfe mein Bier und lasse den wilden Weltraum-Laser-Explosions-Wahnsinn auf mich wirken. Auch wenn mir das tiefe Verständnis fehlt, ist es irgendwie unterhaltsam. Mori kommentiert mitreißend irgendetwas über einen mutigen „Canon-Rush“ und eine „Early-Base-Expansion“ und langsam beginne ich zu verstehen, worum es geht. Wenn du, so wie ich, Fußball auch schon immer laut, stinkend und prollig fandest, aber auf geselliges Biertrinken stehst, ist Barcraft vielleicht was für dich; und im schlechtesten Fall lernst du hier Freunde kennen, die deinen Computer reparieren können, wenn du dir beim Surfen auf dubiosen Pornoseiten mal wieder den Bundestrojaner-Virus einfängst.