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Musik

Tod ist keine Lösung – Appendix

Seit Wochen hören wir kaum etwas anderes als „Sonic Mass", das Album, das Amebix nun 24 Jahre nach ihrem letzten offiziellen Release aufgenommen und veröffentlicht haben.

In unserer aktuellen Ausgabe feiern wir in aller Ausführlichkeit die Auferstehung von

Amebix

, einer der wichtigsten Bands der britischen Anarchopunkszene der frühen Achtziger, die aber immer mehr war als nur Szene-Exponent. Seit Wochen hören wir kaum etwas anderes als „Sonic Mass“, das Album, das Amebix nun 24 Jahre nach ihrem letzten offiziellen Release aufgenommen und veröffentlicht haben. Wir sprachen vor kurzem mit Rob Miller, dem Sänger, Bassisten und Kopf der Band über dieses Album und wie es überhaupt dazu kommen konnte

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VICE: Die offensichtlichste Weiterentwicklung von „Sonic Mass“ ist an der Albumproduktion messbar. Wie schätzt du aber das Songwriting auf musikalischer und textlicher Ebene im Vergleich zu den frühen Releases ein?

Rob Miller:

Der gesamte Prozess entwickelte sich sehr natürlich. Wir begannen ohne eine konkrete Idee. Wir warteten eigentlich nur darauf, dass sich beim Spielen irgendein Weg herauskristallisieren würde und sind ihm dann gefolgt. Die Lyrics waren teilweise schon vorhanden und warteten nur auf ihren Einsatz. Ich bin tatsächlich sehr erstaunt, wie stimmig das Ergebnis klingt, nachdem wir so lange voneinander getrennt waren.

In der Geschichte von Amebix spielte immer auch die jeweilige Umgebung eine wichtige Rolle. Welchen Umwelteinfluss gab es bei der Produktion des neuen Albums?

Die Umwelt war extrem wichtig. Stig und ich kommen vom Land, wir haben viel Zeit in der Natur verbracht. Ruhe und Reflexion waren für die Band und die kreativen Prozesse entscheidende Bedingungen. In einem Häuschen in Derbyshire aufzunehmen hat viele dieser Erinnerungen reaktiviert und uns tatsächlich bei der Arbeit am Album sehr beeinflusst.

In 24 Jahren kann viel Veränderung passieren. Was würdest du sagen, hat sich inhaltlich für Amebix verändert?

Ich hoffe doch, dass das so ist. Ich denke, vor allem der Nachdruck und das Vokabular, mit der die Ideen kommuniziert werden, sind stärker geworden. Ich habe einen großen Teil dieser Zeit mit Lesen, Nachdenken und Lernen verbracht. Ich hoffe, auch das macht sich im neuen Album bemerkbar.

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Womit hast du dich zum Beispiel beschäftigt?

Zum Beispiel mit neuplatonischer Philosophie und Studien zur Alchemie, Hermetik und Psychologie.

Seid ihr euch eigentlich über den immensen Einfluss eurer Musik auf nach euch kommende Bands im Klaren?

Das klingt vielleicht enttäuschend, aber ich habe tatsächlich keine Ahnung davon, was passierte, nachdem ich vor 20 Jahren abgetaucht bin. Ich habe mich in keinerlei Hinsicht mit neuer Musik beschäftigt. Vielleicht sollte ich mir ein paar dieser Bands mal anhören. Vielleicht aber auch nicht.

Wie wichtig waren Drogen für die Band und die Musik. Wie war damals deine Einstellung gegenüber dem Konsum und wie war dein Konsumverhalten?

Wir haben uns da alle hingegeben, der eine mehr, der andere weniger. Ich fand es aber nicht besonders angenehm zu sehen, wie das Potential und die Sehnsüchte vieler Leute von der Sucht aufgefressen wurden. Es hat uns sehr gebremst, wir hätten ohne den Konsum sicher mehr erreichen können. Auf eine perverse Art nahm es aber auch in mancherlei Hinsicht positiven Einfluss auf die Musik. Es ist ein zweischneidiges Schwert. Du musst damit umzugehen wissen.

Tod ist ein wiederkehrendes Thema in deinen Texten. Wann warst du selber dem Tod am nächsten?

In einem Gebirge auf South Uist im Jahr 1996. Es war Winter, ich war allein und der Kälte ausgesetzt. Ich habe es irgendwie geschafft, wieder lebend runter zu kommen und brauchte sieben Jahre, um diese Erfahrung zu verarbeiten. Das Leben hier ist schon ein bisschen anders als in Bristol oder Bath …

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Wir befinden uns in einer Zeit, in der es risikoreich und beinahe masochistisch ist, ein klanglich hochwertiges Album zu produzieren. Warum kommt „Sonic Mass“ gerade jetzt?

Wir haben uns das nicht ausgesucht. Es hat uns ausgesucht. Wir mussten nur da sitzen und darauf warten, dass es passiert. Es hat ja nun auch insgesamt fast drei Jahre gedauert, wir waren in drei verschiedenen Studios. Es braucht viel Zeit, Liebe und Geduld. Ich frage mich immer noch, wie wir es geschafft haben bei all den Hürden, aber es war von Anfang an selbstverständlich, dass es ein wirklich fertiges, in sich geschlossenes Album werden muss.

Ihr veröffentlicht das Album selber. Gab es interessierte Labels? Hat die Entscheidung für die DIY-Methode mit euren Erfahrungen mit dem „Monolith“-Album zu tun?

Ich habe in den letzten Jahren ein paar interessante Lektionen darüber gelernt, wie Musik kommerziell verwertet wird. Zu sagen, das hätte mich enttäuscht, wäre sehr milde ausgedrückt. Es wurde schnell klar, dass die einzigen Menschen, die wirklich an die Musik glauben, wir selbst sind. Also beschloss ich, mich genau darauf zu konzentrieren und die Dinge dahin zu lenken, wohin sie gehören. Wir wurden damals dermaßen ausgesaugt und bestohlen, dass es schon an Demütigung grenzt. Es war mir klar, so etwas darf nicht noch mal passieren.

Wie habt ihr das Album finanziert?

Ich habe mir so viel geborgt wie ich konnte. Ich habe manche Leute sogar mit Schwertern bezahlt. Die wenigen Leute, die tatsächlich mit uns gearbeitet haben, machten es ohne eine Gegenleistung, nur für die Musik. Es war sehr aufschlussreich zu sehen, dass es diese extrem hilfsbereiten Menschen um uns herum gibt, denen wir gar nicht genug danken können.

Üblicherweise fehlt Bands, die sich nach längerer Zeit zu einer Re-Union entschließen, das entscheidende Moment ihrer Anfangstage. Die meisten Re-Unions sind ärgerlich und überflüssig. Warum ist das bei Amebix anders?
Weil es keine Pose ist. Wir standen immer hundertprozentig hinter unserer Musik. Das ist eine ganz eigene Dynamik, die von niemandem erzwungen oder beeinflusst werden kann. Diese Musik sind wir, im Guten wie im Schlechten. Wie würdest du die aktuellen Ambitionen dieser Band beschreiben?
Ich fühle mich zu nichts gezwungen. Wir haben nichts mit dem Musikbusiness oder dem Alltag einer Rockband zu tun, wir müssen nicht in diese Routine aus Touren, Albumproduktion, Promotion, Tour usw. Wir bewegen uns außerhalb dieses Zirkus. Wir können morgen aufhören oder neues Material schreiben. Wer weiß das schon? Amebix’ Sonic Mass ist bei Amebix Records erschienen.