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Unser Verfassungsschutz weiß nicht, welche Rechten er beobachten soll

Die Beobachtung rechter Gruppen gelingt dem Verfassungsschutz nicht immer gu ... hust ... NSU ... hust.

Der Verfassungsschutz hat die Aufgabe, Informationen über verfassungsfeindliche Bestrebungen zu sammeln und auszuwerten. Das gelingt ihm bei Gewalt von rechts nicht immer gu … hust … NSU … hust.

Die SZ zitiert jetzt aus einem vertraulichen Dokument, das zeigt, wie ratlos der Verfassungsschutz ist, wenn es um die Neue Rechte geht—also um jene, die rechts sind, aber keine bekennenden Neonazis. Das kann der Pegida-Demonstrant sein wie der Reichsbürger. Es zeigt sich: Der Verfassungsschutz hat keine Ahnung, wen von ihnen er eigentlich beobachten soll. Das Dokument ist deshalb so spannend, weil wir über die Arbeitsweise des Verfassungsschutzes als einem der drei Nachrichtendienste in Deutschland—logischerweise—kaum etwas wissen.

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Das Definitionsproblem

Der Verfassungsschutz—so zeigt das Dokument, aus dem die SZ zitiert—unterscheidet nur zwischen demokratisch und extremistisch, für alles dazwischen hat er keine Zuordnung. "Der Verfassungsschutz ist auch eine Verwaltungsbehörde—und differenzierte Erscheinungen lassen sich nicht einfach in Tabellen übertragen", sagt Matthias Quent, Leiter des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Thüringen, zu VICE. Aber: "Die Idee, dass nur ganz rechts außen Gefahren für die Demokratie lauern, hat mit der komplexen Realität nichts mehr zu tun."

Es gibt noch ein Problem, wenn die Staatsschützer rechte Gruppen versuchen einzuordnen: "Die Neurechten haben nichts gegen das Prinzip Staat an sich. Platt gesagt: Rassisten wollen nicht den Staat abschaffen, sondern die Ausländer. Der Verfassungsschutz tritt aber—so steht es im Gesetz—da ein, wo der Bund und die Länder in Gefahr sind." Das macht es schwerer.

Und wer nicht extremistisch ist, der kann ja nur … äh, demokratisch sein?

AfD und Pegida haben viele Gesichter

Für eine Schwierigkeit kann der Verfassungsschutz selbst nichts, aber es macht ihm das Leben schwerer: Eine Gruppe, die gleich heißt, kann von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich extrem sein. "Die Thüringer AfD würde ich beispielsweise als völkisch-nationalistisch beschreiben. In der baden-württembergischen AfD sieht das wieder anders aus", sagt Quent.

Das zeigt sich dann so: Der Verfassungsschutz stuft in Bayern und Berlin Pegida als "extremistisch" ein, in Sachsen nicht.

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Der Verfassungsschutz lässt sich nicht kontrollieren

Was der Verfassungsschutz Politikern in den parlamentarischen Kontrollgremien über seine Arbeit sagt, ist nicht öffentlich. NSA, NSU—wann immer Mitglieder des Verfassungsschutzes in Untersuchungsausschüssen öffentlich sprechen, heißt es oft "Dafür war ich nicht zuständig" oder "Das weiß ich nicht mehr".

"Es ist in Europa einzigartig, dass eine Behörde sich so wenig in die Karten schauen lässt", sagt Quent.

Genau aus diesem Grund sind Einblicke wie die aus dem oben genannten Dokument so spannend.

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