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Popkultur

31.000 Euro Schmerzensgeld: Comedian macht Witz über Kind mit Behinderung

Comedians laufen gerade Sturm gegen die Entscheidung des Gerichts, das den Komiker dazu verdonnert hatte, dem Jungen und seiner Mutter Schmerzensgeld zu zahlen.

Mike Ward 2014 bei einem Auftritt | Foto: Canadian Press | Mario Beauregard

Der frankokanadische Comedian Mike Ward wurde vom Quebec Human Rights Tribunal dazu verurteilt, umgerechnet etwa 17.000 Euro Schmerzensgeld und knapp 7.000 Euro Strafe an den 19 Jahre alten Jérémy Gabriel zu zahlen.

Gabriel leidet unter dem Treacher-Collins-Syndrom, einer Erbkrankheit, die zu Gesichtsfehlbildungen führt. Gabriels Mutter, Sylvie Gabriel, muss der Comedian laut Urteil weitere 3.500 Euro Schmerzensgeld und 1.400 Euro Strafe zahlen. Ward hatte in seinem Programm von 2010 Witze über den Jungen gemacht.

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Mike Ward plant allerdings, das Urteil anzufechten. "Selbst Rocky hat den ersten Kampf verloren. Wir werden in Berufung gehen", schrieb der Komiker kurz nach dem Urteilsspruch. Und weiter: "Es ist ein trauriger Tag für das Recht auf freie Meinungsäußerung."

Das Gericht hatte zugunsten Gabriels entschieden und es als erwiesen angesehen, dass Ward die Rechte des Jungen als Behinderter, seine Würde und seinen Ruf verletzt hatte. Es wies Wards Verteidigung zurück, dass es einen "klaren Unterschied zwischen der Belästigung einer Person und einem künstlerischen Werk [gibt], das vor einem willigen Publikum aufgeführt wird", heißt es in der Canadian Press.

I wouldn't make the jokes he did, but he should have the right to make them. — Ed the Sock (@EdtheSock)21. Juli 2016

Jérémy erlangte in Quebec eine gewisse Berühmtheit, nachdem er 2006 nach Rom geflogen worden war, um dort für den Papst zu singen. Seine Familie reichte 2012 eine Beschwerde ein, nachdem Ward in einem Comedy-Special Witze über eine Reihe von Menschen gemacht hatte, die nach eigener Aussage von seinen Kollegen als Pointen-Futter gemieden werden würden.

Das Kind, das nach Rom gegangen war, um für den Papst zu singen—"petit Jérémy", wie Ward ihn nannte—gehörte in diese Kategorie. Während Ward einerseits sagte, er würde Gabriel sofort in Schutz nehmen, sollten sich andere über ihn lustig machen, hätte er doch den Eindruck gehabt, dass es sich bei ihm um einen todkranken Jungen handelt, dem mit seinem Papstbesuch ein letzter Wunsch gewährt worden war.

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"Aber fünf Jahre später war er immer noch nicht tot. Er ist nicht gestorben", witzelte er auf der Bühne. "Der kleine Bastard. Er stirbt einfach nicht."

Gabriel sei einfach nicht totzukriegen, fuhr Ward fort und sagte, dass er sogar einmal vergeblich versucht hätte, ihn zu ertränken. Als er dann Gabriels Krankheit im Internet nachgeschlagen hätte, hätte er herausgefunden, dass diese lediglich darin besteht, "hässlich" zu sein.

Jérémy Gabriel am 21. Juli 2016 bei einem Pressetermin in Montreal | Foto: Canadian Press | Graham Hughes

Gabriel, der für eine Stellungnahme nicht zu erreichen war, sagte vor dem Gericht aus, dass der Witz seiner Karriere und seinem Selbstbewusstsein geschadet habe. Er wäre deswegen in der Schule schikaniert worden. Im September letzten Jahres gab er an, dass er einen Selbstmordversuch unternommen hätte, nachdem er das Video gesehen hatte.

"Ich war 12 oder 13, als ich diese Videos sah", berichtete Gabriel der CBC im September. "Ich war noch nicht reif genug, um mit so etwas umgehen zu können—ich verlor mein Selbstbewusstsein und meine Hoffnung. Ich hatte dadurch das Gefühl, dass mein Leben weniger wert ist als das eines anderen, weil ich behindert bin."

Ward sagte zu seiner Verteidigung, dass die Hänseleien wahrscheinlich schon angefangen hätten, bevor er den Witz überhaupt gemacht hatte, und dass er nicht für alles verantwortlich gemacht werden könne, was Gabriel widerfahren sei. Er fügte noch hinzu, dass er den Witz sofort aus seinem Programm genommen hätte, wenn sich Jérémys Familie direkt bei ihm beschwert hätte.

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I am completely blown away & ashamed of our province & human rights commission. I thought they did important work. — Derek Seguin (@TheDerekSeguin)21. Juli 2016

"Ich mache Comedy, um Menschen zum Lachen zu bringen, nicht um ihre Gefühle zu verletzen", sagte er VICE News im Februar.

Ward machte die Gerichtsentscheidung dann auch zum Thema seines Programms beim Just for Laughs Festival in Montreal, wo er den Witz sogar noch einmal wiederholte, berichtete die CBC.

"Es zeigt nur, dass Mike Ward den Grund der Beschwerde und die Entscheidung des Gerichts nicht verstanden hat", sagte Gabriel der CBC.

Seit der Bekanntgabe des Urteils haben viele Comedians für Ward Partei ergriffen.