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Wirres Deutschland

Deutsch statt schwul—Die Homosexuellen in der AfD

Homos können auch reaktionär sein. Ein Interview mit den homosexuellen, konservativen Fans von Beatrix von Storch.

Wir dachten zuerst, es sei Satire, aber es gibt sie wirklich: die Bundesinteressengemeinschaft „Homosexuelle in der AfD“. Und letzte Woche hat sie sich neu aufgestellt. Nun ist die AfD allerdings nicht gerade die Partei, die sich in Sachen Rechte für LGBT irgendwie stark macht. Im Juni 2013 hatte man einen Stand beim schwulen Berliner Motzstraßenfest. Der Landesverband hatte sich im Vorfeld (vermutlich auch, um nicht den letzten Rest Credibility auf dem Fest zu verlieren) „ohne Vorbehalte“ für völlige steuerliche Gleichstellung von Homo- und Heteropaaren ausgesprochen. Sofort wurde das aber von der Bundespitze der Partei revidiert. Schwulenrechte seien lediglich ein „politischer Nebenkriegsschauplatz“ und nicht „identitätsstiftend“. Dann gibt es natürlich noch Beatrix von Storch, die sich immer gerne für die „Familie“ (klassisch selbstverständlich: Mutter, Vater, Kinder. Sonst nicht.) und gegen alles andere positioniert. Grundsätzlich ist es immer schwer zu verstehen, wenn sich ausgerechnet Angehörige einer Minderheit zu reaktionären Parteien hingezogen fühlen. Um herauszufinden, warum man als schwuler Mann ausgerechnet sein Heil in einer der unschwulsten Parteien des Landes suchen muss, habe ich mit Alexander Tassis gesprochen, dem stellvertretenden Sprecher des Landesvorstandes in Bremen und Bundessprecher der „Homosexuellen in der AfD.“ Er hat mir erklärt, dass die Gleichstellung der Homosexuellen praktisch schon erreicht ist, warum die Welt des 19. Jahrhunderts einfach die bessere war, und gezeigt, dass es auch schwule Männer gibt, die nicht über die gute alte Zeit hinwegkommen, als Schubert cooler war als Mykki Blanco, und man sich nicht auf dem CSD entblößt hat.

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VICE: Letzten Mittwoch ist Conchita Wurst vom EU-Parlament eingeladen worden und ihre Parteifreundin Beatrix von Storch war scheinbar so empört, dass sie die Flagge von „Manif pour tous“ aus ihrem Bürofenster gehängt hat. Ist das nicht ein ziemlich homophobes Statement?
Alexander Tassis: Die Frau von Storch habe ich als integre, flotte und lustige Person erlebt, die auch mit mir als Homosexuellem kein Problem hat. Und Conchita Wurst ist ein bisschen zwiespältig. Ich kann schon verstehen, dass sich da einige Leute drüber aufregen. Also ich nicht. Sie oder er kann soviel singen, wie er möchte, auch in Brüssel. Aber gerade diese Politisierung in diesem Bereich halte ich für albern und vollkommen kontraproduktiv.

OK, aber das ändert ja nichts daran, dass sie die Flagge von Manif pour tous aus ihrem Bürofenster gehängt hat. Die ja auch das Symbol der Bildungsplan-Proteste in Baden-Württemberg geworden ist.
Was war das für ein Plakat?

Das ist diese französische Anti-Homo-Bewegung, die sich nach der Einführung der Homo-Ehe in Frankreich gebildet hat.
Frau von Storch lehnt für Deutschland die Homoehe nicht ab. Das ist mein Wissenstand. Ob das Wort Ehe darauf angewendet werden soll oder nicht—das ist das, wie ich das erlebe. Mehr weiß ich aber nicht.

Sie müssen doch als „Schwule in der AfD“ eine Meinung dazu haben, dass Ihre Europa-Abgeordnete während des Auftrittes eines schwulen Künstlers eine Flagge öffentlich zeigt, unter der sich die Homophoben Frankreichs sammeln, bei deren Proteste es mehrfach zu Übergriffen gegen Homosexuelle gekommen ist?
Wenn das so ist, dass da Gewalttätigkeiten passiert sind, dann ist das natürlich abzulehnen, sich mit so was zu identifizieren. Das ist klar. Aber da müsste nochmal geklärt werden, was da genau dahinter steckt.

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Wie stehen Sie zur Gleichstellung von Homosexuellen?
Wir sind dafür, nur das Neue bei uns ist eben, dass wir denken, dass diese juristische Auseinandersetzung und die Gleichstellungsfrage in einigen Jahren erledigt sein wird. Unser Thema ist nicht, weiterhin irre Forderungen stellen, wie Gender-Mainstreaming oder anderes, sondern nicht zu überziehen und die heutigen Probleme anzusprechen, wie den Islamismus, der die Homosexuellen hier in Deutschland bedroht. Die juristische Gleichstellung, das sind nur Kämpfe von gestern.

Aber die Gleichstellung ist doch noch gar nicht erreicht. Inwiefern ist das dann ein Kampf von gestern?
Das ist kein großes Thema für uns. Wir wollen auf die Themen der Zukunft setzen. Die eingetragene Lebenspartnerschaft und die Steuerregelung sind ja im Grunde 99,9%-ig gleich. Beim Adoptionsrecht besteht kein Adoptionsverbot für homosexuelle Paare mehr. Wenn die leiblichen Eltern das Einverständnis geben, ist das bereits heute erreicht. Die Quasi-Gleichstellung wird in den nächsten Jahren durch das Verfassungsgericht wahrscheinlich vollzogen werden. Und da haben wir auch keine großen Probleme mit.

Was ist die Daseinsberechtigung einer homosexuellen Interessengemeinschaft in der AfD?
Die Homosexualität ist eben ein Lebensstil einer kleinen Minderheit, der sich abhebt. Die soziale Landschaft einer Nation wird gebildet, wenn allerhand Milieus zusammenkommen. Das Schöne ist doch, dass die AfD eine Bildungsbürgerpartei ist. Wir wollen auf die großen historischen Leistungen und Vertreter der deutschen Schwulenbewegung verweisen, wie Karl Heinrich Ulrichs. Wir wollen in der homosexuellen Emanzipation die ganzen Konzepte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts wieder aufnehmen. Das ist leider in der Nazi-Zeit verlorengegangen und auch nicht von den linkeren Schwulenverbänden aufgegriffen worden.

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Was wäre denn so eine historische Leistung?
Zum Beispiel hat Karl Heinrich Ulrichs vor dem deutschen Juristentag 1867 die Einführung einer Art eingetragener Lebenspartnerschaft gefordert. Ein wunderschönes Konzept, das in der Romantik fußt. Ein positives Deutschlandbild ist uns auch wichtig. Diese ewige Opferhaltung und diese ewige Konzentration auf die Nazi-Zeit ist natürlich wichtig aus der Sicht der Opfer. Wir wollen aber keine sein. Wir wollen selbstbewusste Deutsche sein, mit unseren Traditionen. Und das gehört für die AfD mit zu den guten deutschen Traditionen. Das Magnus-Hirschfeld-Centrum war eine deutsche Gründung. Die Schwulenbewegung, wie sie heute ist, ist quasi in Deutschland entstanden.

Na ja, nach der Reichsgründung 1871 wurden die Repressionen gegen Homosexuelle verstärkt und Ulrichs ging dann ins Exil nach Italien. In diesen frühen Bewegungen ging es ja eher darum zu sagen: „Hey, wir sind halt Homos, aber eigentlich doch ganz genau so wie ihr.“ Und dann nach Stonewall und der Queer-Theory ist es heute: „Wir sind anders. Kommt halt klar.“ 
Mut zu Deutschland ist ja unser Oberspruch und der Nationalstaat stellt für uns einen hohen Wert dar. Das Gemeinsame ist das deutsche Volk. Da gehören Schwule und Moslems und Hindus und Buddhisten und Christen und sogar Heteros dazu. Das ist eine Idee, von der alle anderen Parteien sagen, das ist von gestern, aber das ist die Idee von morgen für uns.

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Also sind Sie eher deutsch als schwul?
Ja.

Was für Probleme gibt es momentan in der Homobewegung, die Sie anders angehen würden?
Wozu muss man sich mit Konservativen innerhalb und außerhalb der AfD darüber streiten, ob man die eingetragene Lebenspartnerschaft Ehe nennen muss oder nicht? Wozu auf einen Begriff beharren? Die Ehe soll für Verbindung zwischen Mann und Frau gelten. Die Eigenständigkeit von schwulen und lesbischen Beziehungen hängt doch nicht an diesem Wort.

Das heißt, für Sie ist der Hauptreibungspunkt zwischen Konservativen und Homosexuellen die Verwendung des Wortes „Ehe"?
Sprache ist etwas Wichtiges im politischen Miteinander. Da fährt man entweder angebotsorientiert oder verbeißt sich in sein kleines, spezielles Politikfeld. Ich glaube nicht, dass der LSVD oder queer.de sehr gut damit beraten sind, die reine Lehre durchzusetzen.

Letzte Woche wurde die Petition gegen den Bildungsplan abgelehnt. Die Proteste dagegen wurden von der „Initiative Familienschutz“ von Beatrix von Storch initiiert. Sie schreiben auf Ihrer Facebookseite, dass Bildungspläne eines Ihrer Hauptthemen werden.
Wenn man den Bildungsplan tatsächlich gelesen hat, fragt man sich wirklich, ob der von Irren geschrieben worden ist. Jedes Schulfach wird durchgegendert. In Geschichte, in den andere Fächern, bis zur Mathematik. Es wird auch nicht erklärt, sondern brachial vorgeschrieben. Ohne auf das Schülerbegehren, sich auf das Thema Homosexualität einzulassen, einzugehen. Das halte ich für vollkommen abwegig. Da wird weniger Toleranz gegenüber Homosexuellen bei rauskommen, wenn solche Pläne gegen Eltern und Schülerwillen durchgesetzt werden.

Na ja, mich hat Mathe jetzt nicht so interessiert, aber trotzdem musste ich das lernen.
Aber es ist eben eine private Sache. Bei deutscher Geschichte und Mathematik gibt es ja gewisse Fakten. Zwei mal zwei ist vier. Das muss man doch nicht veralbern, Äpfel und Birnen haben doch auch genügt und man muss doch nicht auch noch soziologische Modelle in den Mathematik- und den naturwissenschaftlichen Unterricht mit einführen. Das ist abwegig und hat etwas mit Gendermainstreaming zu tun und es wird nicht die Liberalität gegenüber Homosexuellen stärken, sondern das wird von der Elternschaft als Anschlag auf das Elternhaus begriffen werden. Wir als Schwule und Lesben in der AfD sehen das genauso. Der gesamte Bildungsplan ist abwegig.

Aber geht es nicht eigentlich darum, Homosexualität zu normalisieren?
Wir wollen das Thema Homosexualität auf traditionelle Art behandeln. Zum Beispiel durch die Nennung von großen Vorbildern aus der deutschen Geschichte. Alexander von Humboldt, Franz Schubert etc. Was nutzen denn dem Schüler irgendwelche Rechenbeispiele oder absurde soziologische Modelle? Der will doch Vorbilder haben. Ein Schubert-Liebeslied richtet sich immer an einen Mann. Schubert war stockschwul und ist einer der großen Kulturträger der österreichisch-deutschen romantischen Tradition. Das sind doch Dinge, mit denen man anfangen kann, um Homosexuelle als normal erscheinen zu lassen.

Mehr von Stefan erfahrt ihr, wenn ihr ihm bei Twitter folgt: @batepsycho