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Stelle 1: Die Ehe ist ein Vertrag zum wechselseitigen Gebrauch der Geschlechtsorgane
Wilfried Grießer: Ehe ist—etwa bei Kant—geradezu als Geschlechtsgemeinschaft definiert. Man sagt ja auch „die Ehe vollziehen", wenn man den Vollzug des Geschlechtsaktes meint. Verweigert ein Partner den Geschlechtsakt grundsätzlich und permanent, so besteht die Ehe eigentlich nur noch auf dem Papier. Daraus folgt umgekehrt, daß die Ehe eben ein zeitlich überdauerndes grundsätzliches Ja beider Partner zum Geschlechtsakt impliziert. Das heißt natürlich nicht, daß jeder jederzeit „bereit" sein muß.
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Natürlich ist ein „Nein" möglich. Was mir nur sauer aufstößt ist, daß eine bestehende Ehe nach dem Gesetzesentwurf (§ 33 StGB) hinkünftig in jedem Fall als Straferschwerungsgrund gilt, obwohl eine Ehe ja nachgerade auf Geschlechtlichkeit angelegt ist. Das ist das Skandalon aus meiner Sicht! Ich denke auch, daß eine Frau, selbst wenn sie die Scheidung will, immer noch lieber (unfreiwillig) von ihrem Noch-Partner penetriert werden möchte als von einem wildfremden Mann (der dann möglicherweise HIV-positiv ist o.ä.).
Stelle 2: Frauen lieben wildgewordene Penisse und gewaltfreie Sexualität ist unsexy
Wilfried Grießer: Was die Rede vom Ding betrifft, habe ich Hegels ,Phänomenologie des Geistes' im Hintergrund—das Ich als Ding und das Ding als Ich ist hier ein zentraler Topos. Mit ,Ding' assoziiere ich die Wirklichkeit und Weltlichkeit der Frau, die als dieser Körper existiert und gerade nicht „heilig" ist, um in Wahrheit aus der Vorstellung voneinander gar nicht herausgetreten zu sein. Die politische Sprache hingegen tendiert zur erbaulichen Vorstellung.Woher wissen Sie, dass eine Frau zustimmt, von einem „,wildgewordenen' Penis überfallen zu werden, wenn Sie nicht fragen möchten, weil dadurch der Reiz verloren geht?
Wogegen ich anschreibe, ist eine Hochsprache der Sexualität, die in Wahrheit eine Säkularisierung ehedem klerikaler Zugänge darstellt. (Man schimpft zum Beispiel auf die römisch-katholische Kirche, überbietet diese aber in der Keuschheit.) Sexualität ist immer spontan, lebt immer auch von „Überfällen" in einem freilich „spielerischen" Sinn, auf der Basis grundgelegten Vertrauens ineinander. Wiederum ist das eigentliche Skandalon, daß auch in aufrechter Ehe hinterher eine Unfreiwilligkeit zum Zeitpunkt t behauptet werden kann und dies sogar strafverschärfend ist. Also muß „mann" auch in aufrechter Ehe jederzeit formelle Zustimmungen einholen („Willst du tatsächlich?" „Willst du immer noch?" …), um sozusagen rechtlich auf der sicheren Seite zu sein. Das aber ist der Tod lustvoller Sexualität.
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Erhellt das nicht von selbst? Ein Phallus natürlich, der drauf und dran ist, zum (wie immer näher gearteten) sexuellen Akt schreiten zu wollen, also über die Frau (spielerisch) „herfallen" zu wollen …
Ganz im Gegensatz zum sterilen politischen Körper, dem es zusehends gleichgültig ist, „Mann" oder „Frau" zu sein (der also die Geschlechtsorgane abgespalten hat), bestimmen die Geschlechtsorgane zugleich Seinsweisen des Mannes beziehungsweise der Frau.
Stelle 3: Kriminalität entsteht, wenn der Mann nicht Mann sein kann.
Wilfried Grießer: Depression gründet im Verlust von Weltlichkeit und Gestaltungsmöglichkeit. So, wie durch Überregulierung vieles an unternehmerischer Initiative verhindert wird, wird auch die Sexualität durch politische Vorstellungen, Sprachnormen usw. gehemmt. Paragraf 205a macht dabei das „Kraut nicht fett"—es ist die Summe derartiger Paragrafen beziehungsweise der Geist dahinter, der lähmt.
Eine letzte Frage, die alles Vorherige aufwirft:
Wilfried Grießer: Männliche und weibliche Sexualität unterscheiden sich schon anatomisch—der Mann muß eindringen und erobern, die Frau will aufnehmen und den Mann in sich „festhalten". Die Frau kontinuiert ihre Mutter (so wie sie geboren wurde, gebiert sodann sie), der Mann hingegen muß bei der Penetration den umgekehrten Weg seiner Geburt beschreiten. Dem Mann droht immer der Weltverlust, an das Haus gebunden zu werden, und die Lösung liegt darin, daß die Frau eben „Ding" ist und Weltlichkeit hat. Der Feminismus ermuntert die Frauen zur Weltlichkeit, aber er drängt zugleich die Männer aus der Welt hinaus, und unbestimmte Formulierungen wie die des Paragrafen 205a sowie des Paragrafen 218 StGB (selbst der Bundespräsident hatte präzisere Formulierungen eingefordert!) stellen noch das sexuelle Spiel in den Horizont politischer Hochsprache …Erklärt Hanna auf Twitter, was mit der Welt passiert ist: @hhumorlos