Die neuen Erstwähler geben uns Hoffnung
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Die längste Wahl der Welt

Die neuen Erstwähler geben uns Hoffnung

Sie sind das Zünglein an der Bundespräsidentschafts-Waage: Die 16-Jährigen, die in das aktualisierte Wählerregister aufgenommen werden.

Die Verschiebung der Wiederholung der Stichwahl zum österreichischen Bundespräsidenten ist genau so anstrengend, wie sie sich inzwischen liest. Seit Anfang des Jahres haben wir schon so einiges mitgemacht: Improvisierte Antrittsvideos, generell Richard Lugner, Weißblaue Geschichten, die Anfechtung, das Wahlkarten-Debakel samt Klebergate und jetzt auch noch die Verschiebung. Diese Wahl ist so dermaßen überreif, sie mieft schon richtig. Mit dem Termin am 4. Dezember kommt aber endlich frischer Wind ins Spiel: Neue Erstwähler.

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Das ursprüngliche Wählerverzeichnis für die Bundespräsidentenwahl umfasste alle Österreicher, die am Stichtag des 23. Februar ihren aufrechten Wohnsitz in Österreich führten und bis zum ersten Wahlgang am 24. April ihr 16. Lebensjahr vollendet hatten. Für den ersten Termin der Wahlwiederholung am 2. Oktober war dieses Wählerregister nicht aktualisiert worden—zehntausende Wahlberechtigte waren verstorben, "neue" 16-Jährige durften jedoch nicht nachrücken. Mit der Anwendung einer aktualisieren Wählerevidenz soll sich das ändern. Irmgard Griss stellt die Legitimität einer solchen bereits in einem Facebook-Posting infrage—sofern nur die Stichwahl wiederholt wird.

Laut Berechnungen des ORF sterben in Österreich durchschnittlich 217 Wahlberechtigte täglich. Am 3. Dezember—dem Tag vor dem Urnengang—werden seit der Stichwahl am 22. Mai 196 Tage vergangen sein. Zum Zeitpunkt der Wahl werden also statistisch gesehen 42.532 Österreicher, die bei der aufgehobenen Stichwahl ihre Stimme abgeben durften, verstorben sein. Damals lag Alexander Van der Bellen um 30.863 Stimmen vor Norbert Hofer.

Auf Anfrage bei der Statistik Austria werden zwischen 24. April und 4. Dezember rund 45.600 Personen ihr 16. Lebensjahr vollendet haben. Das deckt sich ganz gut mit den geschätzten 42.532 Menschen, die bis zur Wahl verstorben sein werden. Der Stichtag, der sich auf den aufrechten Hauptwohnsitz bezieht, soll für das aktualisierte Wählerregister am 4. Oktober angesetzt werden.

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Geht man von der Zahl der gültigen Stimmen in der Stichwahl vom 22. Mai aus, werden demnach von insgesamt 4.477.942 Wählern an die 45.000 "ausgetauscht"—Alt gegen Jung. Das ist letztendlich ungefähr 1 Prozent. 1 Prozent, das, wie wie gelernt haben, ausschlaggebend sein kann. Laut einer Analyse des Instituts für Jugendkulturforschung entscheiden sich übrigens 58 Prozent der unter 30-Jährigen für Alexander Van der Bellen.

Julia, Leon, Magdalena und Michelle sind 4 aus 45.600. Sie haben nach dem ersten Wahlgang ihr 16. Lebensjahr vollendet oder werden dies noch bis zum 4. Dezember tun. Damit sind sie plötzlich Teil einer Stichwahl, die sie bis zu diesem Punkt nicht mitbestimmen durften. Zu unserem Glück scheinen sie sich der Verantwortung, die ihnen auf den jungen Schultern lastet, nur allzu bewusst.

Julia

Foto mit freundlicher Genehmigung

VICE: Du kommst quasi zum Wahlrecht wie die Jungfrau zum Kind—wie findest du das?
Julia: Ich finde es wirklich gut, dass auch ich jetzt die Chance habe, bei der Bundespräsidentenwahl meine Stimme abzugeben. Ich bin politisch sehr interessiert und habe mich schon vorher geärgert, das ich wegen meines Alters leider nicht mitwählen konnte.

Stimmt, auf das Ergebnis des ersten Wahlgangs hattest du noch keinen Einfluss. Bist du denn glücklich mit den beiden Optionen?
Ich bin durchaus zufrieden, ja. Ich finde, dass sie eine wirklich interessante Konstellation abgeben.

Weißt du schon, wen du wählen wirst? Kennst du die Wahlprogramme beider Kandidaten?
Wie bereits erwähnt bin ich politisch sehr interessiert und habe mich daher schon viel mit den Standpunkten beider Kandidaten befasst. Unter anderem habe ich mir schon viele TV-Konfrontationen angeschaut und dabei auch meinen persönlichen Favoriten gefunden.

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Glaubst du, dass Erstwählern wie dir damit eine besonders große Verantwortung zukommt?
Ich denke, dass das Wahlrecht natürlich eine gewisse Verantwortung mit sich bringt, jedoch sehe ich es mehr als Privileg an, meine Stimme bei so einer wichtigen Entscheidung abgeben zu dürfen.

Warum kann nicht einfach Heinz Fischer Bundespräsident bleiben?
Wie auch sonst überall im Leben gehören Veränderungen in der Politik nun mal dazu, deshalb werde ich zwar mit ein wenig Wehmut, aber trotzdem mit Vorfreude einen neuen Bundespräsidenten wählen.

Leon

Foto mit freundlicher Genehmigung

VICE: Wann wirst du 16?
Leon: Am 15. September.

Damit darfst du am 4. Dezember zum ersten Mal wählen gehen. Freust du dich?
Einerseits freue ich mich, dass ich endlich wählen darf, weil das zeigt, dass ich ab meinem 16. Geburtstag mehr Rechte habe. Andererseits war ich sehr überrascht, dass ich jetzt den Bundespräsidenten wählen darf, weil ich gedacht habe, dass ich eigentlich nicht darf—aber auf einmal ändert sich ja der Stichtag. Zusammengefasst freue ich mich aber und bin froh darüber.

Bist du denn überhaupt zufrieden mit dem Ausgang des ersten Wahlgangs?
Ja, eigentlich schon. Ich bin froh, dass es mein Favorit in die Stichwahl geschafft hat—ich will jetzt nicht erwähnen, wen ich wählen werde, aber für diese Person wäre ich von Anfang an gewesen und ich hoffe auch, dass diese gewinnt.

Glaubst du, dass Erstwählern wie dir jetzt eine große Verantwortung zukommt? Wie gehst du damit um?
Ja, auf alle Fälle. Weil mit uns sehr viele neue Stimmen dazukommen und wir natürlich das Wahlergebnis beeinflussen werden. Wie gesagt—ich freue mich, Verantwortung zu übernehmen.

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Zum Schluss noch—bei der Angelobung von Heinz Fischer warst du ungefähr vier Jahre alt. Wird dir der Bundesheinzi auch so fehlen wie uns?
Naja. Ich gebe ehrlich zu, ich habe mich früher nicht so sehr mit Politik beschäftigt, aber seit ein paar Jahren immer mehr. Und was ich so gelesen, gehört und mitbekommen habe, ist er ein sehr guter Bundespräsident gewesen. Aber ich kann jetzt noch nicht sagen, ob ich ihn vermissen werde, da es ja noch keinen Nachfolger gibt und dieser sich auch erst behaupten muss.

Magdalena

Foto: Katharina Korn

VICE: Wann wirst du 16?
Magdalena: Ich bin am 18. Mai 16 geworden, also noch vor der ersten Stichwahl.

Wie findest du, dass du jetzt plötzlich mitwählen darfst?
Einerseits gut—endlich habe ich die Möglichkeit zu wählen und somit zumindest ein bisschen was an der österreichischen Politik mitzubestimmen. Andererseits werden so die Jugendlichen ins kalte Wasser gestoßen, vielleicht haben sich einige gar nicht mit der politischen Lage Österreichs auseinandergesetzt, da sie nicht wussten, dass sie im Endeffekt wahlberechtigt sein werden.

Guter Punkt. Bist du zumindest glücklich mit den Auswahlmöglichkeiten?
Teils teils. Ich hätte schon einen anderen Kandidaten besser gefunden, aber naja. Jetzt heißt es wohl Daumen drücken, das Österreich nicht ganz gespalten wird.

Weißt du schon, wen du wählen wirst?
Ich weiß bereits, wen ich wählen werde, da ich ebenso linksliberal eingestellt bin wie die meisten in meinem Umfeld. Ich kenne auch die Standpunkte der Kandidaten.

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Wie gehst du damit um, dass ihr Erstwähler jetzt quasi das Zünglein an der Waage seid?
Eine große Verantwortung kommt schon in gewisser Weise auf uns zu, weil so ein Kreuzerl vielleicht auf den ersten Blick nicht nach viel ausschaut, aber dennoch viel bewirken kann.

Michelle

Foto: CC0 | Public Domain

VICE: Bald darfst du zum ersten Mal wählen gehen! Wie ist das für dich?
Michelle: Ich finde das gut, weil ich glaube, gut genug über die Wahl informiert zu sein. Es macht mir aber Sorgen, dass das bestimmt nicht bei allen 16-Jährigen so ist. Wir sollten besser auf diese Verantwortung vorbereitet werden, vor allem in der Schule.

Ein bisschen wirst du ja vor vollendete Tatsachen gestellt. Bist du glücklich mit dem Ausgang des ersten Wahlgangs?
Nein. Ich bin ziemlich enttäuscht, dass jemand wie Norbert Hofer es in die Stichwahl geschafft hat.

Kommt Erstwählern wie dir damit eine besonders große Verantwortung zu?
Auf jeden Fall—aber keine größere Verantwortung als jeder/jedem anderen Wahlberechtigten.

Du bist mehr oder weniger mit Heinz Fischer aufgewachsen—vermisst du ihn schon?
Ich bin es ehrlich gesagt einfach gewöhnt, ihn als Präsidenten zu haben. Also ja, schon ein kleines bisschen.

Franz auf Twitter: @FranzLicht