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Wahlen 2015

Die Wahlkampf-Fails der Woche

Strache bleibt beim „Anurinieren"-Sager, die ÖVP verlernt Grammatik, Marcus Franz wettert gegen Amnesty und Neos werben mit Stock Photos.

Foto: brandiatmuhkuh| flickr | cc by 2.0

Wahlkampf ist eine sehr komplizierte Sache. Wahlkampf ist Krieg. Wahlkampf ist Show. Wahlkampf ist wie Wrestling und wäre auf jeden Fall besser, wenn Politiker Elastan-Hosen tragen würden.

Trotzdem wollen wir uns mit der Show nicht einfach nur zufriedengeben, sondern Dinge aufzeigen, die uns frustrieren, die wir für plumpen Populismus halten oder die einfach nur anders laufen sollten. Deshalb sammeln wir wöchentlich die größten Wahlkampf-Fails und lassen euch über das Ergebnis abstimmen.

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Den größten Fail der letzten Woche hat laut unserer Umfrage und eurer Abstimmung mit Abstand die FPÖ hingelegt:

Umfrage von Polldaddy

Anscheinend fandet ihr es auch nicht ganz logisch, dass Heinz-Christian Strache sich in einem deutlichen Fall von Polizeigewalt auf die Seite von Jeannée, aber nicht auf die Seite der Polizei stellt (die das Ganze selbst eher kritisch sieht).

Und hier sind die Kandidaten für die aktuelle Woche.

Heinz-Christian Strache bleibt bei seinem Anurinieren-Sager

Screenshot via ORF

Nach dem Sommergespräch mit Heinz-Christian Strache schienen alle irgendwie ein bisschen baff, wie gut und staatsmännisch sich der FPÖ-Chef doch geschlagen hätte. Ja, Straches sprachliche Wendigkeit eifert immer mehr dem freiheitlichen Evergreen Jörg Haider nach—und so traurig es klingt, vielleicht kamen seine Skills beim Wordrap wirklich daher, dass er sich irgendwann wirklich schon mal in sowas Ähnlichem wie Rap-Musik versucht hat (auch wenn das ziemlich bizarr ausfiel).

Ein Teil der Zuseher hat sich damit von Strache wieder einmal einlullen lassen. Wenn man aber inhaltlich genauer hinhörte, war da doch eine Vielzahl haarsträubender Aussagen vertreten. Da wäre zum Beispiel der faktische Unsinn, den er über Wirtschaftsflüchtlinge aus dem Kosovo erzählt hat (mal ganz abgesehen davon, dass es „Jugoslawien" seit 2003 nicht mehr gibt, aber egal). Oder die Verschwörungstheorien rund um Jörg Haider, die er geschickt von sich wies, aber für Anhänger der Mossad-Märtyrer-Theorien und der Haider-wollte-Hypo-aufdecken-Hypothese irgendwie doch zufriedenstellend beantwortete.

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Und dann wäre da auch noch der Umstand, dass er beim leidigen Thema „Anurinieren bei der Abschiebung" freiwillig in die Offensive ging und minutenlang wiederholte, dass seine Ausdrucksweise vielleicht hart, aber inhaltlich völlig richtig gewesen wäre (was vernünftige Menschen wiederum als völlig falsch bezeichnen würden).

Dass all das durchgeht, liegt zum einen sicher am Gewohnheitseffekt des Publikums, aber zum anderen auch daran, dass Heinz-Christian Strache über die Jahre das nötige Selbstvertrauen entwickelt hat, um mit völliger Erkenntnisresistenz auf eigene Fehler zu reagieren. Dass an genau den Stellen, wo es am nötigsten gewesen wäre, nicht nachgebohrt wurde, hilft leider dem Mythos. Der FPÖ-Chef mag rhetorisch professionell und schlagkräftig rübergekommen sein, inhaltlich war der Auftritt aber dennoch ein Fail voller faktisch falscher Behauptungen und ruhig formulierter Kampfansagen.

Die ÖVP Wien und ihre FPÖ-Innenministerin

… im Blatt von — ÖVP Wien (@oevpwien)August 17, 2015

Das mit dem Subjekt und dem Objekt ist eine schwierige Sache. Neo-ÖVPler Marcus Franz kann ein ganzes Lied davon singen—und wir würden wetten, dass das Lied die ungegenderte Nationalhymne wäre. In dem Fall geht es aber zur Abwechslung mal nicht um Grapsch-Sexismus, sondern um Grammatik. Und zwar in diesem Satz aus der HEUTE: „Eigentlich wollte die FPÖ Innenministerin Johanna Mikl-Leitner mit einer parlamentarischen Anfrage so richtig ,aufblattln'."

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Da steht, dass die FPÖ (Subjekt) die Innenministerin (Objekt—no pun intended) auflaufen lassen wollte. Für die ÖVP Wien, oder zumindest ihren Twitter-Betreuer, war die Klinge der HEUTE aber anscheinend zu fein oder das Auge beim Lesen zu schnell. Jedenfalls witterten sie sofort eine „FPÖ-Innenministerin" und setzten zum Rundumschlag an: Gegen die Zeitung mit dem vermeintlichen Fehler, aber auch gegen den Herausgeber einer ganz anderen Zeitung, weil Ironie und so.

Was die ÖVP Wien an diesem Tag lernen musste: Ironie funktioniert auf Twitter nicht. Und: Fehler werden hier auch nicht so schnell vergeben wie woanders. Besonders dann, wenn man #epicfail schreit und dann nicht mal ein kleines #failchen kommt. Den #epicfail hat diesmal jedenfalls nicht die HEUTE geliefert. Inzwischen zeigte sich die Volkspartei via Twitter-Präsenz jedenfalls einsichtig und demütig: „Sie haben recht. Wir sollten langsamer lesen und verorten Herrn Fellner doch bei ÖSTERREICH."

Aber selbst wenn die ÖVP Wien richtig gelesen hätte, könnte man sich bei der momentanen Asylpolitik Mikl-Leitners fragen, ob FPÖ-Innenministerin nicht vielleicht ein passender Freud'scher Verschreiber wäre.

NEOS WERBEN MIT STOCK PHOTOS VON „WIENERN"

Screenshot via HEUTE

Authentizität ist in der Politik ein rares Gut. Und genau deshalb steht sie auch so hoch im Kurs—gerade im Wahlkampf, wenn alle Politiker und Wahlkampagnen nach denselben Kriterien bewertet werden wie Rapper oder Urlaubsziele. Wir sind uns sicher, dass diese Logik gerade für eine Wirtschaftspartei eigentlich Sinn ergeben müsste.

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Trotzdem ist es nicht immer so einfach, authentisch zu sein oder zu wissen, was Leute damit überhaupt meinen. Für die einen ist Straches Xenophobie authentisch, für die anderen Strolz' Esotrip—und die jeweils anderen finden dasselbe Auftreten völlig aufgesetzt. Wahrscheinlich ist beides nicht ganz fair gegenüber der Wirklichkeit. Aber das ist Wahlkampf generell eher selten.

Womit wir bei den Neos wären, die laut Bericht in der HEUTE auf ihren Sujets für Wien gar nicht mit Wienern werben—sondern mit Stock Photos. Für die einen ist das wahrscheinlich authentisch, weil Werbung nun mal genau so funktioniert und irgendwie sowieso jeder Wiener sein kann. Für die anderen ist genau das völlig aufgesetzt, weil sich schwer authentisch mit falschen Bildern Politik machen lässt. Ist zwar sicher günstiger, aber vielleicht eben auch ein bisschen billig.

Marcus Franz vs. Menschenrechte

Was Amnesty sonst noch so will: weltweit Erleichterung der — Marcus Franz (@MD_Franz)August 15, 2015

Marcus Franz schafft es immer wieder, für Gesprächsstoff zu sorgen. Am Samstag ärgerte er sich anscheinend so über den Amnesty International-Bericht zu Traiskirchen, dass er zum Gegenschlag ausholen musste. Wie können die sich denn auch anmaßen, die grauenhafte Situation im Erstaufnahmezentrum zu kritisieren und sich gleichzeitig für Menschenrechte einsetzen? Sexarbeit will Amnesty International entkriminalisieren und den Zugang zu sicheren Abtreibungen verbessern. Ein Skandal.

Der Gute ist ja bekannt dafür, dass er—und nur er—weiß, was mit dem Körper einer Frau zu machen ist. Angrapschen ist super, Sex gegen Geld zu tauschen nicht. Vielleicht schwingt dabei einfach auch die Angst mit, das nächste Mal zur Kasse gebeten zu werden.

Seine Anti-Choice-Einstellung ist ganz Parteilinie. Im ÖVP-Grundsatzprogramm steht: Die Menschenwürde ist für uns in keiner Lebensphase verhandelbar. Wir lehnen den Schwangerschafts­abbruch ab. Sie haben wohl vergessen, dass ungewollt Schwangere auch Menschen sind.

Und hier die Abstimmung: