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Eine Wiener ÖVP-Politikerin redet am Herd über Feminismus

Die ÖVP Wien ist in den 60ern angekommen und hat ein Video veröffentlicht, in dem sich eine der Kandidierenden am Herd gegen Gendern ausspricht.

Zwischenfragen in schönem Team Stronach-Gelb gehalten. Screenshot aus dem Video.

Eine selbstbewusste Frau steht in einer kargen Küche am Herd und brät liebevoll ein paar Würste. Dann dreht sie sich zum Zuseher und sagt: „Nein zu gegenderter Sprache. Für mein Selbstbewusstsein als Frau brauche ich kein Binnen-I." Sprache sei etwas sehr Persönliches und niemand habe das Recht, in ihre private, persönliche Sprache einzugreifen. Dann dreht sie sich wieder zum Herd.

Die Frau heißt Caroline Hungerländer, ist ÖVP-Politikerin, Listenplatz 6 bei der Wienwahl und hofft, in den Gemeinderat einziehen zu dürfen. Außerdem bezeichnet sie sich selbst als „Bewahrerin des Schönen."

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Was das Schöne sein soll, kann man sich nach ihrem Homevideo denken: Ungegenderte Sprache, traditionelle Familien, kochende Frauen und Bratwürste. Sie beantwortet die selbstgestellte Frage „Frauen an den Herd?" zwar mit einem „jeder soll selbst entscheiden", fügt dem aber hinzu, dass die Familie zu wichtig sei, um „Spielball linker Ideologien" zu sein.

Dass die ÖVP manchmal Schwierigkeiten hat, andere Modelle anzuerkennen, als das eigene, ist so alt wie die Ansichten der ÖVP selbst. Die Ehe für alle wertet nach den konservativen Ansichten der ÖVP die klassische Ehe ab. Emanzipierte Frauen gefährden Familie und Nachwuchs. Und auf den Po wollen sie sich jetzt plötzlich auch nicht mehr greifen lassen.

Dieser Ansatz ist derselbe, wie ihn ein Andreas Gabalier verbreitet. Weil „plötzlich" etwas akzeptiert wird und in der Gesellschaft Platz findet, das früher in der Öffentlichkeit nicht toleriert wurde, ist die Tradition gefährdet. Eure Familienmodelle und Ideale einer Gesellschaft verschwinden nicht, nur weil homosexuelle Paare heiraten dürfen, die Ehe wird deswegen nicht aussterben. Wenn sie einmal ausstirbt, dann aufgrund der Tatsache, dass sie in 50 Prozent der Fälle scheitert.

Und mit Gendern und Feminismus ist es so eine Sache: Frau Hunderländer hätte ohne die Bestrebungen und den Kampf vieler Frauenrechtlerinnen und (weniger) Frauenrechtler keinen Listenplatz 6, für den sie kämpfen könnte. Dass SIE jetzt keinen Feminismus mehr braucht, ist schön für sie. Dass es 2015 aber immer noch keine tatsächliche und völlige Gleichstellung von Mann und Frau gibt, ist doch Grund, Werte zu vermitteln , die diese Ungleichheit bekämpfen.

Es freut mich für Frau Hungerländer, dass sie selbstbewusst ist und kein Gendern braucht, der Job einer Politikerin ist es aber, Interessen der Bevölkerung zu vertreten, und die besteht zu Hälfte aus Frauen. Und ein sehr großer Teil davon ist im Alltag noch immer mit Nachteilen konfrontiert, ob sie dabei selbstbewusst sind oder nicht.

Altes verteidigen obwohl sich Neues bewährt hat. Go, ÖVP!

Auf ihrem Blog schreibt Hungerländer „mach auf deiner Ebene das, was du zu tun in der Lage bist. Ist überigens (sic!) auch mein politisches Credo." Auf Ebene der ÖVP Wien ist das eh eine sehr niedrige Ebene, also sollte man sich über Videos wie dieses nicht groß empören. Wäre da nicht die Bundes-ÖVP, die ebenfalls genau diese Ansichten vertritt und sich mit Marcus Franz zusätzlich noch einen der größten Anti-Feministen im Parlament ins Boot geholt hat, der mit Georg Nagel beim christlich-fundamentalen Marsch für die Familie Grüße von seinen Parteikollegen an die Menge ausrichten lässt.

Wenn Hanna nicht am Herd steht, ist sie auf Twitter: @HHumorlos