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Vice Blog

„Ich hau dich nieder, schwarze Drecksau“

In der Wiener Straßenbahn wird ein Mann aus Somalia von einem Österreicher als „Drecksneger" und „schwarze Drecksau" beschimpft. Niemand schreitet ein, aber jemand filmt.

Screenshot aus dem Video.

Wenn man sich bei bestimmten Veranstaltungen der FPÖ oder bei Pegida umhört, dann merkt man schnell, wie Menschen hier eingeteilt werden: in „fleißige, anständige Österreicher" und „kriminelle Wirtschaftsflüchtlinge". Bei Pegida fielen am Sonntag Sätze wie: „Nicht alle Muslime sind Terroristen, aber beinahe alle Terroristen sind Muslime" oder „Lasst sie an den Grenzen verrecken". Und genau das tun die Menschen, denen wir keinen einzigen legalen Weg geben, um nach Österreich zu kommen.

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Sie sterben an den Grenzen Europas, wie nirgendwo anders. Währenddessen schauen wir zu und unsere Innenministerin fordert in der ZIB 2 unter anderem, bei der Flucht gerettete Menschen nicht nach Europa zu bringen, sondern wieder zurück nach Afrika, wo sie dann in Zusammenarbeit mit UNHCR einen Weg nach Europa finden können. UNHCR hält diese Idee für unrealistisch. Es ist erschütternd, dass Mikl-Leitner hier nicht Österreich in der Verantwortung sieht, sondern Flüchtlinge stattdessen schnellstmöglich wieder loswerden will. Aber mit diesen Aussagen wird sich die Innenministerin Sympathiepunkte bei gewissen Gruppen geholt haben.

Diese Tendenzen sind nichts Neues und sie sind überall in der Gesellschaft zu finden. Seit Jahren wird wahrscheinlich in jeder Schulklasse Schwarzfahrer von Pepe Danquart gezeigt, um Kinder zu sensibilisieren und auf Alltagsrassismus aufmerksam zu machen. Nun gibt es ein Video, das die Lehrer gleich dazu zeigen können. Die reale Version des Films. Ein Österreicher beschimpft einen Mann aus Somalia in der Straßenbahn als „Negerdrecksau" und „schwarze Drecksau" und droht ihm mit „ich hau dich nieder". Die anderen Fahrgäste sehen zu, einer filmt.

Wir haben lange überlegt, ob wir das Video hier zeigen sollen und uns schlussendlich dagegen entschieden. Denn auch wenn dieser Fall Missstände so drastisch aufzeigt, dass es wehtut, geht es nicht um den Einzelfall, sondern um eine Grundhaltung, die leider in Österreich noch viel weiter verbreitet ist, als wir uns das oft eingestehen. Das liegt auch daran, dass wir nicht konsequent dagegen vorgehen. Neben der Tatsache, dass ein Mann einen anderen Menschen so widerlich beschimpft, ist an dem Video vor allem schockierend, dass niemand einschreitet. Und ob es wirklich reicht, heimlich ein Video zu machen, ist eine andere Frage.

Wien wird oft als die lebenswerteste Stadt der Welt bezeichnet. Wir liegen regelmäßig auf Platz 1 diverser Rankings und brüsten uns auch gerne damit. Umso beschämender ist es, dann ein solches Video zu sehen, bei dem man das Gefühl nicht los wird, dass der hohe Lebensstandard anscheinend nur für gebürtige Österreicher gilt. Jemand, der Einwanderer so behandelt, kann sich nicht gleichzeitig darüber aufregen, dass sie sich angeblich nicht integrieren. Unsere Staatsbürgerschaft haben wir uns nicht erarbeitet. Sie ist nichts, auf das wir stolz sein können und erst recht gibt sie uns nicht die Erlaubnis, uns Menschen, die sie nicht besitzen, überlegen zu fühlen.

Michael Unger, Pressesprecher der Wiener Linien, erklärt, dass in solchen Fällen der Fahrer benachrichtigt werden sollte, der Menschen der Straßenbahn verweisen und auch die Polizei anfordern kann, wenn er es für notwendig hält. „Der Vorfall passiert weiter hinten im Zug, es kann gut sein, dass der Fahrer es nicht mitbekommen hat—gerade alte Garnituren sind sehr laut. Hier ist Zivilcourage gefragt."

Hanna auf Twitter: @HHumorlos