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KONY 2012: Wir hätten da noch ein paar Fragen

Vielleicht war Jason Russell damit beschäftig, nackt in aller Öffentlichkeit zu masturbieren, als er uns ein Interview geben sollte.

Die Leute hinter Kony sind wahrlich sehr begabte Marketingstrategen. Erst landen sie mit ihrem Video den größten YouTube-Hit aller Zeiten und jetzt sind sie mit dem verrückten Verhalten von KONY 2012K-Regisseur Jason Russell wieder in aller Munde. Am Donnerstag letzter Woche wurde Jason Russell wegen angeblicher Masturbation in der Öffentlichkeit festgenommen und hat sich auch noch dabei filmen lassen, wie er völlig verwirrt splitterfasernackt vor sich hinbrabbelt und Turnübungen macht.

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Nach seinem bahnbrechenden YouTube-Erfolg wurde das KONY 2012-Video und die dazugehörige Bewegung massiv im Internet kritisiert. Als jemand, der lange Zeit im Propaganda-Geschäft gearbeitet hat, beunruhigt es mich, dass Menschen auf der ganzen Welt Geld an eine Organisation spenden, die vollkommen anders ist, als sie denken. Selbst jetzt, wo das Interesse im Netz nachlässt, gibt es noch viele unbeantwortete Fragen. Wie jene, die ich mir überlegt habe, nachdem Kenny Laubbacher, „Head of Artist Relations“ von Invisible Children, VICE direkt nach unserem ersten Artikel über Kony zu einem Interview eingeladen hat. Laubbacher behauptete, dass unser Beitrag „vollkommen fehlinformiert ist und ziemlich unzuverlässige Quellen zitiert.“

Natürlich wollten wir das richtigstellen, aber seit damals sind wir an ihre PR-Leute verwiesen, unser Meeting eine Woche verschoben und wir von einem zum anderen weitergereicht worden, als wir fragen wollten, ob jemand bei IC uns für ein kurzes Telefoninterview zur Verfügung steht. Unser letzter verzweifelter Versuch, an ein paar Antworten zu kommen, wurde letzte Woche zerschlagen—Jedidiah Jenkins, „Director of Ideology“ (oder in den Worten von IC: „eigentlich der Brand-Manager“), kontaktierte uns via E-Mail und teilte uns mit, dass er uns ein zehnminütiges Interview geben würde, während er und CEO Ben Keesey darauf warten, ein Flugzeug zu einem Filmfestival zu besteigen. Aber bis wir die E-Mail gelesen und zurückgerufen hatten, war es zu spät—sie waren bereits an Board. „JJ“ war total enttäuscht. Hoffentlich wird er uns zu einem späteren Zeitpunkt Rede und Antwort stehen, aber momentan müssen wir diesen Artikel ohne ihre Stellungnahme veröffentlichen. Wir hoffen, dass dies unsere letzte Übersicht zu KONY 2012 und IC wird.

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Mein größtes Problem bei KONY 2012—uns so geht es wohl Vielenist, dass ihr gleichnamiger Film kein Wort über die christliche Ideologie von IC-Mitbegründer Jason Russell erwähnt. Das ist vor allem beunruhigend, als dass er kein regulärer Kirchgänger ist, sondern ein aktiver Evangelist. Alles deutet momentan darauf hin, dass dies absichtlich weggelassen wurde und Teil einer allumfassenden Medienstrategie ist.

„Der Trick ist, nicht in die Welt hinaus zu gehen und zu sagen: ‚Ich will euch taufen, mein Ziel ist es, euch zu bekehren,‘“ hatte Russell zu einer Gruppe Christen im letzten November gesagt. „Euer Ziel ist es, ihnen in die Augen zu blicken, so wie es Jesus getan hat und zu sagen: ‚Wer bist du und willst du mein Freund sein?‘ So wie er es mit den Prostituierten, dem Geldleiher und dem Fischer getan hatte.“

ICs Einkommensbericht zeigt massive [Spenden von der National Christian Foundation](http:// http://sfbayview.com/2012/kony-2012s-success-shows-theres-big-money-attached-to-white-saviors/)–einem Anti-Schwulen-, Anti-Abtreibungs-Organisation, die ugandischen Politikern dabei half, Gesetze zu erlassen, damit Homosexualität mit der Todesstrafe geahndet werden kann. IC-Unterstützer sind außerdem rechtsstehende, schwulenfeindliche Schwergewichte, wie die Caster-Familie, die in Kalifornien mit Spenden das Verbot von gleichgeschlechtlichen Ehen unterstützte.

Im Folgenden findet sich eine Auflistung, wie KONY 2012 die Fakten und Zahlen für den eigenen Zweck verdreht:

Russell behauptet, Joseph Kony ist der schlimmste Warlord der Welt. Die Liste vom Internationalen Gerichtshof, die man im Film sieht, sortiert die Angeklagten in zeitlicher Reihenfolger ihrer Anklage, nicht nach „Bosheitsgrad“. Bei der Definition von „Böse“ schätzen viele Experten Völkermord als schlimmer als Verbrechen an der Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen ein. Wenn man dieser Perspektive Glauben schenkt, wäre Omar al-Bashir, der sudanesische Präsident, die „schlimmste“ Person auf der Liste des Internationalen Gerichtshofes. Wenn man stattdessen annimmt, dass Genozid, Verbrechen an der Menschlichkeit und Kriegsverbrechen gleich schlimm sind, ist die „schlimmste“ Person auf der Liste Ali Kushayb, dicht gefolgt von Ahmed Haroun. Beide werden für ihre Verbrechen in Darfur angeklagt. Ahmed Haroun ist der Gouvaneur von Dschanub Kurdufan im Sudan und deshalb nicht wirklich schwer zu finden. Omar al-Bashir bereist ungestraft die ganze Welt.

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Der Internationale Gerichtshof hat keine Liste von allen bösen Menschen der Welt, sondern nur von jenen, die wegen ihrer „Situation“ untersucht werden. Bisher wurden nur „Situationen“ in Uganda, Darfur, Kenia, der Demokratischen Republik Kongo, Libyen, Elfenbeinküste und der Zentralafrikanischen Republik durch den Internationalen Gerichtshof untersucht. Gräueltaten an anderen Orten der Welt zählen nicht. Die Männer auf der Liste des Internationalen Gerichtshofes sind nicht die schlimmsten Menschen der Welt, nur die schlimmsten Menschen der sieben Orte, die untersucht wurden.

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen hat dieses Jahr einen Toten durch die Lord’s Resistance Army registriert. Invisible Children sagt, dass es drei gibt. Viel, viel weniger als die 16 Menschen, die vor kurzem von einem amerikanischen Soldaten getötet worden sind.

Rein zahlenmäßig sterben in Uganda in einem Jahr mehr Menschen bei Autounfällen als seit 2006 durch die Lord’s Resistance Army.

Das Video ist wirklich schockierend, was seinen Umgang mit Fakten betrifft, so dass sich die Menschen, die sich ein Armband gekauft haben, ziemlich verarscht vorkommen sollten.

Die Kommentare von Hollywood-Schauspieler und Celebrity-Aktivist [George Clooney sind aus dem Kontext gerissen](http:// http://abcnews.go.com/blogs/politics/2012/03/the-sudan-and-kony-qs-for-george-clooney-3152012/) und beziehen sich auf den Sudan, nicht die Lord’s Resistance Army. Er wurde nicht für das KONY 2012-Video interviewt. Der Ausschnitt stammt aus einem NBC-Interview mit Brian Williams. Dennoch sagte Clooney vor kurzem, dass er möchte, dass Bashir berühmt wird.

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Die Aussagen von Shepard Fairey wurden aus der Henry Rollins Show genommen und beziehen sich nicht auf KONY 2012, sondern auf die Occupy-Bewegung, mit der er zusammen arbeitete. Fairey sagt, dass man ihn nicht gefragt hatte, ob das Zitat für das Video verwendet werden dürfe, und dass er nicht für IC als Organisation steht, aber er unterstütze das Ziel ihrer Kampagne.

Angelina Jolie unterstützt die Bewegung nicht—das steht auf dem Bild im Film—aber nur im Kleingedruckten (gefolgt von Blindtext–z.B. „Lorem ipsum, usw.“)

Die Aufnahmen im Film von Gulu sind von einem ehemaligen Besuch. Es wird so dargestellt, als wäre die Krise im Norden Ugandas immer noch so schlimm. Jeder, der in Gulu lebt, kann einem sagen, dass die „Armee“ von wohltätigen Weißen mit Ali Baba-Hosen, Birkenstock-Sandalen und Stirnbändern schon lange dort angekommen ist. Mit ihnen kamen die sauberen chinesischen Hotels (die normalerweise für Entwicklungs-Konferenzen ausgebucht sind), Restaurants, Clubs, Yogaschulen und Reiseveranstalter. Archivmaterial zu zeigen, ist in Ordnung, aber es muss in Kontext gebracht werden, sonst entsteht ein falsches Bild. Aber, ich nehme mal an, das ist ja die Idee dahinter.

Der ugandische Politiker, welcher in KONY 2012 als erstes interviewt wird, ist Lt. Santo Okot Lapolo, von dem gesagt wird, dass er mal eine Bombe hübsch verpackt an Vincent Otti geschickt haben soll, dem mittlerweile toten Stellvertreter von Joseph Kony. Er ist außerdem für die Veruntreuung von Steuergeldern bekannt.

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Der amerikanische Politiker im Film—Senator Jim Inhofe—ist berühmt dafür, große Ölfirmen zu unterstützen (und von ihnen enorme Spenden zu erhalten). Außerdem sagte er, dass Gefangene aus Abu Ghraib dankbar für die Behandlung durch amerikanische Folterer sein sollten.

Auf der anderen Seite interviewen die Filmemacher zwei der liberalsten Politiker aus Uganda und Amerika, Norbert Mao und den ehemaligen Senator Russ Feingold. In einem seltenen Moment von stark zusammengeschnittenem Mitgefühl scheint es so, als wenn alle Seiten der Politik sich einig sind.

Die Filmemacher gratulieren sich selbst, als Obama sich entscheidet, „auf sie zu hören“ und Militärberater nach Zentralafrika schickt. Obwohl dies etwas ist, dass die ugandische Regierung angefordert hatte, nicht IC. Der Beschluss wurde von Senator Feingold verfasst, nicht IC. Der Brief, den Jason Russell vorliest, ist nicht an Invisible Children und seine Freunde gerichtet, sondern an den Kongress. Abgesehen von Invisible Children und ihren Freunden schreibt ihnen niemand das Gesetz, den Brief oder die politische Entscheidung zu.

Jacob, der ehemalige Kindersoldat, von dem im Film berichtet wird, leidet offensichtlicherweise an Posttraumatischer Belastungsstörung, einer Krankheit, die entsteht, wenn einem so schreckliche Dinge zustoßen, dass das Gehirn sie nicht verarbeiten kann. Wenn man an die Ereignisse erinnert wird, ist man unfähig, seine Emotionen zu kontrollieren. Qualifizierte Therapeuten benutzen bestimmte Techniken, um Patienten langsam an die Erinnerungen heranzuführen, um ihnen zu helfen, sie zu verarbeiten. Russell drückt Jacob eine Kamera ins Gesicht und fordert ihn immer wieder auf, seine Geschichte zu erzählen und zwingt ihn damit eigentlich, sich mit einer Erinnerung zu beschäftigen, die zu schrecklich ist.

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Russells Verhalten seinem eigenen Kind gegenüber scheint auch fragwürdig. Er versucht, seinem Sohn zu erklären, dass die invisible children nicht nur die Opfer, sondern auch Täter sind, was sogar Erwachsene verwirrt. Gavin: „Sie machen aber nicht, was er sagt, weil sie nett sind, oder?“ Russell: Pause. „Er zwingt sie dazu, Schlimmes zu tun." Russell:  „Er macht Mädchen zu Sex-Sklaven und Jungen zu Kindersoldaten.“ Das Video beschreibt im Folgenden, dass die Lord’s Resistance Army die Gesichter von Menschen verstümmelt. Es ist wirklich schwer für den Zuschauer, geschweige denn Russells fünfjährigen Sohn, zu erkennen, wer hier der Täter ist. Fügt das kleine Mädchen die Verstümmelungen zu? Macht Jacob so etwas? Um die verwirrende Wahrheit zu vereinfachen, sucht man sich einen Sündenbock in Kony, genau wie Hitler oder bin Laden ist er der alleinige Täter. Wenn man das Problem so vereinfacht, ist die Lösung natürlich auch einfach: „Stoppt ihn.“ Der Film suggeriert, dass die invisible children dann zurück nach Hause dürfen.

Das Problem mit dieser Logik ist jedoch, dass nach solchen Konflikten die wenigsten Kindersoldaten zu Hause willkommen sind. Manche Organisationen haben Programme, die ihnen helfen, sich wieder zu integrieren, aber die Realität zeigt Kinder, die Verbrechen wie Vergewaltigung und Mord begangen haben, werden nicht mit offenen Armen und Willkommenspartys empfangen.

Das Ganze ist kompliziert, aber von Komplexität nimmt IC gern Abstand. Kony hat schlimme Dinge getan, aber man muss es in Kontext setzen. Wie der republikanische Senator Jim Inhofe im Video sagt, gibt es nichts Schlimmeres, als kleine Kinder zu verstümmeln. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation wurden 140 Millionen Frauen und Mädchen absichtlich als Kinder verstümmelt. Wer tut so was? Hauptsächlich andere Frauen, Mütter und Großmütter und ab und zu ein Arzt. Der einzige Unterschied ist, dass ihre Verstümmelung unter der Kleidung versteckt ist. Erstmal ist die Beschneidung von Frauen weniger schockierend für die Welt, weil man sie nicht sehen kann. Außerdem ist es für die westliche Welt fast zu schockierend, mit anzusehen und zu verarbeiten, wenn das zerstört wird, was uns am wichtigsten scheint—ein hübsches Gesicht.

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Nicht nur sind Invisible Children bereit dazu, mit rechten, religiösen Gruppen zu arbeiten, wie etwa der National Christian Foundation, sondern auch mit der ugandischen Regierung und deren Militär. Die ugandische Regierung ist für schreckliche Dinge, wie die Unterdrückung von Minderheiten, undurchsichtige Wahlen und extreme Polizeigewallt bekannt. (Zum Beispiel wurden letztes Jahr mehrere Oppositionelle festgenommen, weil sie zu Fuß zur Arbeit gelaufen sind.) Präsident Museveni gab 37 Millionen Euro Entwicklungshilfegelder im letzten Jahr dafür aus, sich einen Gulfstream Jet zu kaufen. Mir macht es Sorgen, dass junge Leute überall auf der Welt einer Organisation ihr Geld und ihre Unterstützung geben, die ihre Wertvorstellungen mit der National Christian Foundation und der ugandischen Regierung teilt.

Um das klar zu stellen: Ich habe kein Problem damit, dass Jason Russel ein Christ ist, aber ich habe ein Problem damit, dass er das in seinem Video nicht klar macht. Seine Methode ist scheinbar, seinen Glauben geheim zu halten oder ihn zumindest nicht zu erwähnen. Vielleicht weiß er, dass junge Leute aus unterschiedlichsten Gründen auf Religion zynisch reagieren. Es sind nicht nur junge Leute, die hintergangen worden sind. Oprah Winfrey (eine Kämpferin für die Schwulenrechte) spendete zwei Millionen Dollar. Wie findet sie es wohl, dass mit diesem Geld jetzt vielleicht eine Anti-Homosexuelle-Agenda unterstützt wird? Wie finden Susan Davis und Russ Feingold, beides Liberale, die die Homo-Ehe unterstützen, das ganze wohl? Hätten all diese Menschen IC unterstützt, wenn sie von der Verbindung zur Anti-Homosexuellen-Bewegung gewusst hätten? Wenn Russell mit der National Christian Fountation und der Regierung Ugandas übereinstimmt, die sagen, dass Homosexualität falsch sei, hätte er das früher sagen müssen? Wenn das Ganze ein privates, selbstfinanziertes Projekt gewesen wäre, könnte es OK sein, aber Invisible Children baten um Spenden.

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Was ist mit all den Menschen, die von dem Film so bewegt waren, dass sie Spenden-Armbänder kauften und dann versuchten, die darauf gedruckte Nummern auf einer Website zu registrieren, wie vorgeschrieben. IC behauptet, dass die Armbänder ausverkauft sind und es gibt eine Menge Berichte von Leuten, die fragen, wo man sein Armband „registrieren“ kann. Scheinbar muss dieses Feature noch entwickelt werden. IC macht daneben auch nicht öffentlich, welche Daten der Benutzer gesammelt werden, wenn sie die Nummer des Bandes eingeben und viel wichtiger, wie und wofür sie diese Daten nutzen.

Eine Seite im Internet bezeichnet die KONY 2012-Kampagne als „umgekehrte Propaganda“ und ich denke, das ist ziemlich gut ausgedrückt, weil ich das Ganze mit meiner eigenen Erfahrung im Bezug auf umgekehrte Propaganda vergleichen kann.

Ich habe 2004 in einer kleinen Küstenstadt an der politischen Kampagne der australischen Labor-Partei mitgearbeitet. Der Sitz wurde von der National Party mit knapper Mehrheit gehalten (konservative Farmertypen), aber das Gebiet ging gerade durch eine Phase des demographischen Wandels und mehr und mehr Rentner aus Sydney und Melbourne zogen dorthin. Die Labor-Partei (linksorientiert) sah das als einen Bezirk, den man gewinnen konnte, und sie überzeugten mich und die anderen Leute, die bei ihnen mitarbeiteten, davon und machten uns die Wichtigkeit des Ganzen klar. Wir konnten nicht verlieren. Zielstrebig und fest entschlossen machten wir uns also an die Arbeit. Es gab einige Dinge, die uns antrieben: Zum einen der Glaube an die Überlegenheit unserer Partei und vorrangig war es der Wunsch, unsere Bosse—die Bosse der Partei—stolz zu machen. Der Gewinn dieser Wahl bedeutete Anerkennung von den wichtigsten und höchsten Vertretern der Landespolitik und einen gut bezahlten Job in der neuen Regierung.

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Wir mussten nur ungefähr 5000 Wähler davon überzeugen, die Labor Party zum ersten Mal zu unterstützen. Wir arbeiteten uns den Arsch ab und gaben halbsachliche Pressemitteilungen darüber raus, was unser Kandidat auf lokaler Ebene schon alles erreicht hatte.

Im Endeffekt gewannen wir, aber wir machten ein paar Dinge, auf die ich nicht stolz bin. Unter anderem beschuldigten wir den Gegenkandidaten, pädophil zu sein, basierend auf einer schäbigen Montage aus einem manipulierten Internetlink, der vage Hinweise auf seine Partei enthielt. Wir wollten es nicht machen—wir fanden das ganze ziemlich krank—aber unsere Chefs hatten es uns aufgetragen und schließlich war es unser Ziel, sie zu beeindrucken und ihren Kandidaten zum Wahlgewinner zu machen. Die Geschichte schlug ins Gegenteil um und wir wurden als Drecksäcke dargestellt und der andere Typ erhielt jede Menge Sympathie von den Medien.

Wir taten das Falsche, aber unser Glaube trieb uns an. Ich verstehe, was die Macher von KONY 2012 dachten, als sie George Clooney und die anderen sahen, wie sie vage über Kriegsverbrechen sprachen und dann das Ganze zu einem schicken Video zusammenschnitten, das die desillusionierten Massen dieser Welt vereint. Ich glaube allerdings nicht, dass es nur um diese Leute und ihre Videokameras geht. Es ist klar, dass sie wirklich versuchen, jemanden zu beeindrucken, ob es nun die Kirche ist, die Republikaner, Gott oder einfach die Geschäftswelt. Wer genau es ist, ist auch egal. Wichtig ist, dass sie ihre Absichten nicht öffentlich gemacht haben.

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Die Täuschung, die nötig war, um dieses Video funktionieren zu lassen, lässt zynische Zuschauer wie mich glauben, dass es da noch verborgene Absichten gibt. Wenn die Wahrheit für sich selbst spricht, warum dann nicht ehrlich sein? Warum einen Konflikt wählen, der schon seit fast fünf Jahren Geschichte ist. Warum Uganda, wenn die Lord’s Resistance Army schon längst im Kongo, Sudan oder der Zentralafrikanischen Republik ist. Warum Museveni unterstützen, der selber für den Tod von Tausenden verantwortlich ist? Warum religiöse und finanzielle Hintergründe verschleiern?

Mögliche Geschäftsmotive sind zahlreich. Nimmt man Rights Hang zum Großkapital und Inhofes Hauptrolle in dem Video, so ist die offensichtlichste Antwort Öl. Südsudan hat Ölreserven, aber keine Möglichkeiten, das schwarze Zeug zu exportieren. Uganda und die Küste Kenias sind die wichtigsten Umschlagplätze. Ugandas Geschäftsleute sind schon im ganzen Südsudan vorbereitet und bereit, die Gelegenheit zu nutzen. Es gibt keinen Grund, warum Amerikaner nicht auch etwas davon abhaben wollen.

Es gibt in ganz Ostafrika chinesischen Einfluss (entgegen dem, was Russell sagt, ist Uganda nicht in Zentralafrika). Chinesische Unternehmen sind nicht durch Inlandsregulierungen gebunden und können Risiken eingehen, die westliche Unternehmen niemals eingehen dürften. Ihr Einfluss wächst rapide und ihre Wirtschaft verlangt stetig nach Rohstoffen, die in der Demokratischen Republik Kongo im Überfluss vorhanden sind.

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Die Rechten haben in Uganda einen Platz gefunden, wo Meinungen massenkompatibel sind und vielleicht zum Gesetz gemacht werden können, die in den USA als grenzwertig angesehen werden. Wenn die evangelikalische Kirche versucht, das Wort Gottes in der ganzen Welt zu verbreiten, ist es sinnvoll, einen Fuß in dem Land zu haben, das das gläubigste der Region ist.

Ich wollte ein Gefühl dafür bekommen und wie oben gesagt, wurde VICE für ein Interview mit IC-Repräsentanten in San Diego eingeladen. Seitdem versuchen wir, IC zu erreichen. Per Telefon, E-Mail und mit Brieftauben, um ihnen die Antworten zu entlocken, die uns in der ersten E-Mail versprochen wurden. Julie Halpin, ihre Pressesprecherin, antwortete:

„Ich habe Ihre Nachricht bekommen, aber es sieht nicht danach aus, als ob wir diese Woche noch ein Interview mit den IC-Leuten hinbekommen könnten. Können wir uns mit Ihnen nächste Woche wieder in Verbindung setzen? So gegen Mittwoch.“

Und Letztendlich:

„Danke, dass Sie uns kontaktiert haben. Leider ist es uns nicht möglich, es bis nächste Woche zu schaffen, aber ich halte Sie mit Neuigkeiten auf dem Laufenden, die die Kampagne betreffen.“

Also stelle ich meine Fragen hier, in der Hoffnung, dass Frau Halpin oder jemand anderes von IC sie an eine Person weiterleitet, die sie beantworten kann:

- Jason Russell, du bist Christ–deine religiöse Überzeugung ist gut dokumentiert. Denkst du, dass, wenn du deine religiöse Überzeugung im Video offen gelegt hättest, es immer noch so viel Unterstützung gefunden hätte?

- Du hast Spenden von Organisationen erhalten, die die Anti-Homosexuellen-Bewegung in den USA und Uganda unterstützen. Bist du auch ihrer Meinung, dass Homosexualität falsch ist?

- Denkst du, dass es das gleiche Maß an Unterstützung gegeben hätte, wenn die Öffentlichkeit gewusst hätte, dass deine Organisation mit der Anti-Homosexuellen-Bewegungen in Verbindung steht?

- Oprah Winfrey ist eine Unterstützerin der Rechte für Homosexuelle. Wusste sie davon, dass deine Organisation mit der National Christian Foundation verbandelt ist? Denkst du, sie hätte euch unterstützt, wenn sie von dieser Verbindung gewusst hätte?

- Bist du auch der Meinung, dass die aus dem Kontext gerissenen Zitate von George Clooney und Shepard Fairey den Zuschauern den Eindruck vermitteln, dass sie über Joseph Kony reden?

Am Ende haben die „Invisible Children“ nicht gelogen, die haben sich zu nichts verpflichtet, außer Poster aufzuhängen und Armbänder zu tragen, so kann man ihnen eindeutig nichts vorwerfen. Aber Tatsache ist, dass Tausende von jungen Leuten dachten, diese Typen wären wie sie. Sie dachten George Clooney, Angelina und Shepard wären genau wie sie und so spendeten sie ihr Geld einer Organisation, von der sie dachten, dass sie sie repräsentieren würde. Sie wurden getäuscht und es ist Zeit, dass Jason Russell und seine Leute das zugeben. Auch wenn es nach den aktuellen Vorfällen um Jason Russell nicht so aussieht, als würde da in nächster Zeit etwas kommen.

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