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Vice Blog

​Warum ich FKK-Strände toll finde

Ich finde mich nackt viel schöner als in einem Bikini. Also fühle ich mich auch viel wohler und bin viel entspannter.

Foto: Hendric Rüsch | Flickr | CC by 2.0

Ich bin weiblich, 23, und mein Körperbau ließe sich als normal beschreiben. Also, normal genug, um alten Säcken ein Pfeifen zu entlocken und normal genug, um es eben bei jungen Männern nicht zu tun. Es sei denn, sie arbeiten auf der Baustelle. Seit meiner Kindheit, mache ich Urlaub auf FKK-Stränden. Es ist sogar so, dass ich tatsächlich bis zu meinem zwölften Lebensjahr gar nicht wusste, dass man auch angezogen Urlaub machen kann. Ich war Wettkampfschwimmerin—Badekleidung bedeutete für mich Badeanzug, Kappe und eine Schwimmbrille.

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Außerdem bedeutete Badekleidung für mich Training und somit Arbeit. Badekleidung war, für mein von Natur aus faules Wesen, eher ein Feind. Zweiteilige Badekleidung, also Bikinis, habe ich eigentlich nur aus der Bravo Girl! gekannt und den Zweck dahinter auch nicht verstanden. Heute verstehe ich den Zweck zwar auch nicht, aber seit meiner sexuellen Reife tue ich mir diese unterwäscheartige Kleidung an. In der Pubertät mehr, heutzutage weniger. Ich besitze zum Beispiel seit zwei Jahren keinen passenden Bikini.

Meine Eltern haben immer Urlaub auf FKK-Stränden gemacht. Für diesen Artikel habe ich das erste Mal gefragt, wieso sie das eigentlich gemacht haben. Der Grundtenor meiner Eltern ist, wie so oft, sehr nüchtern: Im Sommer waren die FKK-Strände meistens schöner und mit viel weniger Leuten besiedelt als die normalen Strände. Meine Eltern sind keine Hippies, die deutsche FKK-Kultur kennt mein Vater nur aus seiner Studienzeit. Es stand also nie eine größere Idee dahinter, sich als Familie auszuziehen und den gesamten Tag auf einem Strand mit anderen Nackerbatzis zu verbringen.

Der Effekt dieser Erziehung? Weder mein Bruder noch ich hatten jemals ein Problem mit dem Nacktsein. Oder damit, nackte Menschen zu sehen. Während in der Klasse alle „Iiiih" geschrien haben, sobald es um Penisse und Vaginas ging, zuckte ich leidenschaftslos mit den Schultern. Überhaupt haben wir unser Körpergefühl ganz anders entwickelt. Im Nachhinein betrachtet.

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Meine ersten Dehnungsstreifen und Cellulitis-Anzeichen nahm ich genauso schulterzuckend wahr wie meine schöne Taille und straffen Brüste. Für mich gab es die Bewertung von Körperstellen ganz lange nicht. Und auch jetzt schaffe ich es an guten Tagen, mich zu mögen. An schlechten Tagen esse ich Schokolade, schaue GNTM und frage mich, warum ich nicht auch den Körperbau einer Minderjährigen haben kann.

Jedes Mal, wenn ich in die Sauna oder auf den FKK-Strand gehe, erinnert mich das an unsere Menschlichkeit. Ich sitze heute noch gerne auf der verpönten Seite der Donauinsel, weil ich gerne die verschiedenen Körperformen, Alterungsstadien und Makel beobachte. Es ist ein wundervoller Ausgleich zu der jetzigen Medienlandschaft. Das Schöne an jedem Mitmenschen selbst zu finden bringt mir persönlich mehr, als es von jeder Werbung präsentiert zu bekommen. Versteht mich nicht falsch, ich konsumiere FKK-Strände seit immer, genau so wie ich Werbung konsumiere: Asexuell.

Da zu sitzen und an Sex zu denken, nur weil ein Mensch nackt vor mir steht, ist mir noch nie in den Sinn gekommen. Noch nie habe ich mich selber als das Opfer lüsterner Blicke gefühlt. Das kenne ich eher von normalen Schwimmbädern und der Straße. Meine Freunde sehen das ganz anders: Sie verbinden Nacktheit automatisch unterbewusst mit Sex und Komplexen. Für mich ist es umgekehrt. Ich liebe es, nackt zu schwimmen. Und auch in der Sonne zu liegen. Und ob andere Menschen um mich herum nackt sind oder nicht, betrifft ja mein Schwimmvergnügen nicht und ist mir deshalb eher egal.

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Es war daheim oft so, dass wir nackt herumgerannt sind. Im Garten genauso wie in der Wohnung. Ich habe es nie in Frage gestellt, bis ich als vergleichendes Wesen Mensch feststellen musste, dass die meisten Kinder ganz anders aufwachsen. Nämlich angezogen. Das hat mich dann leicht schockiert. Mit der Oberstufe kamen die ersten Mitläufer- und Scham-Gefühle. Es folgten Jahre der Bikini-Käufe—ich bezeichne es nach wie vor als die schlimmste Einkaufstätigkeit überhaupt.

Die Spiegel und Beleuchtungen sind meistens unvorteilhafter als das Naturlicht. Und während man 30 Prozent seines Körpers in Kleidung quetscht, die auf der Werbetafel ein makelloses Size-Zero Modell trägt, fangen die Vergleichs-Komplexe an. Die Werbetafel sehe ja nicht nur ich, alle sehen sie. Und alle wollen diese photogeshoppte Perfektion darstellen, weil das sexy sein soll. Und wer will schon nicht sexy sein. Nackt vergleiche ich niemanden, auch mich selber nicht. Ich finde mich nackt viel schöner als in einem Bikini. Ergo: ich fühle mich auch viel wohler und bin viel entspannter.

Foto: Angermunder See via photopin (license)

Natürlich hatte ich in der florierenden Pubertät keine Lust, unangezogen mit meinen Eltern und anderen unangezogenen Menschen Zeit zu verbringen. Auch jetzt würde ich es meiden, einen Familien- oder Freundesurlaub auf einem FKK-Strand zu machen. Das hat wahrscheinlich mit der angelernten Scham zu tun.

Ich weiß aber auch: Wenn ich es mal machen würde, wäre die Zeit, in der alles komisch ist, nach spätestens 30 Minuten vorbei. Aber sich erstmal dazu zu überwinden und diese Grenze zu sprengen—das erfordert Mut, Stress und psychische Vorbereitung in einer Zeit, in der man Urlaub machen will. Es ist nun einmal nicht gesellschaftlicher Usus, den nackten Körper des inneren Kreises zu kennen. Es ist gesellschaftlicher Usus, ihn von fremden Menschen auf YouPorn zu kennen.

Ob FKK-Bad oder ein normales Bad: Überall ist es ein bisschen ekelhaft. Immerhin geht es ja auch um den menschlichen Körper, und der ist nun einmal menschlich. Wir schwitzen in Badehosen genauso wie nackt. In ein FKK-Restaurant würde ich mich trotzdem nicht setzen. Aber das tue ich im Bad auch selten.

Ich habe meine Eltern gefragt, ob sie nicht eine Sorge wegen Pädophilie oder sexueller Belästigung hatten. Beide waren verwundert und haben mich gefragt, wieso ich von so etwas ausgehen sollte. Weil wir in einer Misstrauens- und Angstgesellschaft leben, ist jetzt meine geschriebene Antwort. Ich pfeif weiterhin darauf und zieh meinen nicht passenden Bikini nur an, wenn meine Freunde mich zum Schwimmen rufen. Ansonsten trifft man mich an den verpönten Orten mit einem Buch und einem selig entspannten Lächeln.

Fredi ist auf Twitter meistens angezogen: @schla_wienerin