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Popkultur

Eine sehr ernsthafte Analyse des Niederösterreich-Wahlkampfes

Gibt es im Kommunikationsteam der ÖVP Niederösterreich nicht einen anständigen Menschen, der die Veröffentlichung diverser Videos stoppen hätte können? Was geht mit der SPÖ? Und saufen die eigentlich alle heimlich?
Screenshots: YouTube | Collage: VICE Media

Niederösterreich ist das Bundesland, in das viele von euch einmal im Jahr zum dreitägigen Saufmarathon namens Frequency reisen, in dem Erwin Pröll bis vor kurzem noch das Sagen hatte, das Land der Weinköniginnen und flachen Grünflächen. Kurzum: Niederösterreich ist ein Bundesland, das jedem, der nicht aus Niederösterreich stammt oder dort lebt, zu Recht völlig am Arsch vorbei geht. Eigentlich.

Denn am 28. Jänner wird in Niederösterreich gewählt. Und im Rahmen dieses Wahlkampfes entsteht quasi täglich Internet-Gold, das geradezu danach schreit, vom Rest Österreichs beachtet zu werden.

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Fast wirkt es ein bisschen so, als würde in Niederösterreich ein krankes Experiment ablaufen, als wäre es das Testlabor für Wahlkämpfe in Restösterreich. Hauptsache irgendwer geht viral. Und genau diese beachtliche Menge an viralem Wahnsinn wirft einige Fragen in unseren Köpfen auf: Ist Johanna Mikl-Leitner leidenschaftliche Minions-Anhängerin? Gibt es im Kommunikationsteam der ÖVP Niederösterreich nicht einen anständigen Menschen, der die Veröffentlichung diverser Videos stoppen hätte können? Was geht mit der SPÖ? Und saufen die eigentlich alle heimlich?

Um diese Fragen für euch zu beantworten, haben wir uns eingehend mit dem niederösterreichischen Wahlkampf beschäftigt und uns diesen ganzen Wahnsinn im Detail angesehen.

Das Star Wars-Video der Grünen

Ende 2017 veröffentlichten die Grünen ein verstörendes Video. In dem Clip präsentierten sich die einzelnen KandidatInnen als Star Wars-Figuren, deren Kostüme und Requisiten eher an Haushaltsgeräte und Planen zum Abdecken von Feuerholz als an kunstvolle Gewänder erinnerten, und posierten grinsend neben überzeugenden Sprüchen wie "Helga Krismer deckt auf, was andere vor dir verstecken". Das Video war in einem solch außerordentlichen Maß lächerlich, dass man beim Ansehen fast ein bisschen schadenfroh wurde.

Das Video ist ein visualisierter Dad-Joke in Reinform. Es ist dein Vater, der mit dunkler Stimme sagt "Ich bin dein Vater" und von dem du dir in genau diesem Moment wünschst, er wäre es nicht. Was oder wen die Grünen damit erreichen wollten? Wir wissen es nicht. Wir können an dieser Stelle nur mutmaßen, dass die Grünen sich entweder durch "humorvollen" Wahlkampf abheben wollten (die traurigere Option) oder eh schon alles wurscht war (die wahrscheinlichere Option). Eines haben die Grünen mit ihrem Video definitiv erreicht: Disney prüft das Video wegen Urheberrechten.

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Dieses Video ist für Außenstehende ein erster Hinweis darauf, dass es sich bei Niederösterreich in keiner Weise um ein ernstzunehmendes Bundesland, sondern eher die wackelige Western-Saloon-Attrappe unter den österreichischen Ländern handelt. Im Rest Österreichs werben Parteien – wie es sich eben gehört – mit schlagkräftigen Slogans wie "Zeit für Neues", Schmutzkübelkampagnen oder scheinheiligen Bundesländertouren für die eigene Partei. Nicht mit einem selbst produzierten Satirevideo.

Das völlig durchgeknallte Video der SPÖ

Franz Schnabl von der SPÖ ist neben Johanna Mikl-Leitner wohl eine der schillerndsten Figuren des niederösterreichischen Wahlkampfes. Zumindest ist seine Kampagne das Absurdeste, was wir seit langem gesehen haben – und wir dachten, seine Tour de Franz und das Plakat mit dem Slogan "Es ist Zeit, auch für uns Frauen" würden uns schon den Rest geben.

Doch dann tauchte ein Video in unseren Newsfeeds auf, das wir so schnell nicht mehr vergessen werden. Es trägt den Titel "Die zweite Meinung!" und zieht so ziemlich alles in den Dreck, was uns auf dieser Welt lieb ist, Memes, GIFs und das Internet generell. Der Clip beginnt mit einer niederösterreichischen Wiesenidylle und spielenden Kindern mit treuem Blick – so weit, so Wahlwerbespot. Plötzlich sehen wir einen kurzen Clip, den die Macher des Videos wahrscheinlich aus einem Upps! Die Pannenshow-Mitschnitt gestohlen haben: Ein Mädchen fällt einfach nur nach allen Regeln der Kunst auf die Fresse. Dann sehen wir einen Motocrossfahrer auf einem Heuballen, eine jubelnde Festivalbesucherin im Tier-Onesie, blinkende Herzen, einen malenden Amor, noch mehr Herzen, lächelnde Frauen mit Schwimm-Donut und Buntstifte.

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Plötzlich verändert sich die psychedelische Stimmung und es ziehen Gewitterwolken auf, es ist von einer "politischen Burka" die Rede, die über Niederösterreich liegt. Und falls ihr denkt, mit alldem könnte man schon einen zweieinhalbstündigen Blockbuster füllen, dann täuscht ihr euch: Wir haben erst eine Minute und 19 Sekunden geschafft. Das Motiv, das sich von nun an durch das Video zieht, ist eine dicke Katze mit Krone und Umhang. Damit können wir arbeiten. Wenn die dicke Katze Erwin Pröll darstellen soll, dann ist deine Botschaft angekommen, Franz Schnabl.

Obwohl das Video auch bei uns zu kurzzeitigem Realitätsverlust geführt hat, wollen wir versuchen, es zu verstehen: Die SPÖ hat in Niederösterreich gegen die schwarze Macht in Niederösterreich keine Chance und das weiß sie auch. Darum setzt sie auf die altbewährte XXXLutz-Strategie: Die Seelen der Menschen so lange mit unpackbaren Motiven und Sprüchen penetrieren, bis sie dich lieben.

Nach diesem Video haben wir zwar keine Ahnung, was Franz Schnabl eigentlich von uns und für Niederösterreich will. Wir wissen aber, dass er jung, fresh und crazy ist. Und das sind Eigenschaften, die uns vor allem an eines erinnern. Nämlich an dieses Meme.

Wen die SPÖ mit Videos wie dem von Franz Schnabl erreichen will, können wir uns hingegen ziemlich gut vorstellen. Wir stellen uns mittelalte Menschen mit einem schwierigen Verhältnis zum Internet vor: Menschen, die zwar wissen, wie man sich auf Facebook einloggt und gerne nachdenkliche Sprüche teilen, aber ihren Kindern hin und wieder SMS mit Fragen wie "Hast du Google auf deinem Computer?" schicken. Menschen, die gerne bei Desigual einkaufen, um einfach mal so richtig auf die Kacke zu hauen.

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Das Namensvideo der ÖVP

Eine besonders schöne Version des ÖVP-Videos, das man personalisieren kann. Ein Fan hat sich hier noch ein bisschen kreativ ausgetobt. Vielleicht waren es die Grünen.

Landesmutter Johanna Mikl-Leitner hat sich für diesen Wahlkampf eine für uns unglaubliche Arbeit angetan. Ihr reicht es nicht, von irgendeinem Plakat zu grinsen oder mit als Minions verkleideten Jugendlichen im Rücken anmutig aus einem Aufzug zu schreiten. Sie will mit ihren Wählerinnen und Wählern in direkten Kontakt treten (für sehr viel Geld). Das und die generelle Grausamkeit der Welt sind wohl die Gründe für den ÖVP-Wahlvideo-Generator, der es uns allen (OK nicht allen. Alle, deren Namen man eben auswählen kann) erlaubt, die eigenen Freunde mit personalisierten Spots zu terrorisieren. Aus einer langen Liste an Namen kann man den eigenen (oder den des auserwählten Opfers) wählen und Mikl-Leitner sagt ihn.

Hallo Franz! Hallo Julia! Hallo Karl! "Du wunderst dich vielleicht ein bisschen, dass du dieses Video bekommst" sagt die Landeshauptfrau in einem Versuch, Hochdeutsch zu sprechen. Dabei strahlt sie durch und durch weiß und erinnert ein wenig an Casper, den Geist. Und ja, wir wundern uns tatsächlich.

In Sachen Craziness kann Johanna Mikl-Leitner mit ihrer Konkurrenz natürlich nicht mithalten. Denn weder hat sie die Nerven für ein lächerliches Star Wars-Video, noch scheint sie eine ausgeprägte Vorliebe für abstrakte Internetkunst zu haben. Das überrascht uns nur wenig.

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Das überdimensionale FPÖ-Plakat

Für den Niederösterreich-Wahlkampf hat die FPÖ ein 1000 (in Worten TAUSEND) Quadratmeter großes Wahlplakat mit Udo Landbauers Antlitz darauf anfertigen und am "Palmers-Haus", einem riesigen Bürokomplex anbringen lassen. Das Plakat soll laut Kurier zwischen 30.000 und 60.000 Euro gekostet haben und ist – zum Vergleich – so groß wie diese Villa, die ein Hallenbad, einen Tennisplatz und 25 Zimmer hat. Zur Erinnerung: Udo Landbauer ist der Mann mit iranischen Wurzeln, der Johanna Mikl-Leitner als "Moslem-Mama" bezeichnet hat, und der in seiner Zeit als Spitzenfunktionär bei der Freiheitlichen Jugend einen vom Dokumentationsarchiv Österreichischen Widerstandes als rechtsextrem eingestuften Verein unterstützte.

Das Plakat an sich ist nichts besonderes: Ein Porträtfoto, ein nichts sagender Slogan ("Neue Kraft für UNSERE Heimat"), ein Name mit hinten angestelltem Titel. Hier ist natürlich nicht der Inhalt, sondern die Größe entscheidend: Wer ein 1000 Quadratmeter großes Wahlplakat produzieren lässt und das auch noch ernst meint, versucht hier definitiv irgendetwas zu kompensieren. Nein, wir sprechen hier natürlich nicht von Penissen oder Mutterkomplexen. Oder vielleicht doch ein bisschen: Gegen Landesmutter Mikl-Leitner anzutreten, verlangt schon einiges an Mut, einiges an Größe. Und wenn die charakterliche, persönliche Größe eben fehlt, dann hilft nur noch ein großes Plakat. Ein tausend Quadratmeter großes Plakat.

Die Frage, ob sich Menschen, die dieses Plakat sehen, davon zum FPÖ-Wählen angeregt fühlen, können euch auch wir nicht beantworten. Dass die Zermürbungstaktik der ewigen Wiederholung ein paar gestrafte Pendler von Udo Landbauer träumen lassen wird, tut uns jedenfalls in unseren Herzen weh. Genauso wie der Rest dieses abgefuckten Wahlkampfes.

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