Drogen

Die FDP startet einen neuen Versuch, Kiffen zu legalisieren

Geht der Antrag zur Cannabis-Legalisierung durch, könnten Deutsche bald in Fachgeschäften Gras kaufen – und für Milliarden an Steuereinnahmen sorgen.
Eine Hand hält eine Cannabis-Blüte, die FDP möchte die Cannabis Legalisierung
Symbolfoto: IMAGO / Cavan images
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Alles zur Cannabis-Legalisierung

Es war ein sonderbarer Moment im Ringen deutscher Parteien um fortschrittliche Cannabis-Politik: Im Bundestagswahlkampf 2017 ließen sich drei Junge Liberale mit dem Grünen-Politiker Cem Özdemir fotografieren. In den Händen hielten sie Longpapers, die sie unter dem Motto "Grün rauchen, Gelb wählen" verteilten. Jetzt knüpft die FDP wieder an diesen Slogan an.

Am Donnerstag wird die FDP-Fraktion im Bundestag einen Antrag zur Cannabis-Politik einbringen, der VICE exklusiv vorliegt. Darin fordert sie die Bundesregierung auf, bis zum 31. Mai 2021 einen Gesetzentwurf zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken vorzulegen.

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Bereits im Januar 2018 hatte die FDP im Bundestag einen Antrag zu Cannabis-Modellprojekten gestellt. Damit sollte unter wissenschaftlicher Beobachtung Cannabis kontrolliert an Konsumenten abgegeben werden. Die Regierung lehnte den Antrag ab – ebenso wie die anderer Parteien. Davon lässt sich die FDP offenbar nicht entmutigen. Sie legt nun einen noch umfangreicheren Antrag vor, mitsamt neuer Argumente.

Die Repressionspolitik der Bundesregierung ist gescheitert

Inzwischen konsumieren mehr als vier Millionen Deutsche Cannabis, sagt Wieland Schinnenburg, Sprecher für Drogen- und Suchtpolitik der FDP-Bundestagsfraktion, in einem Statement zum Antrag. "Damit ist die Repressionspolitik der Bundesregierung gescheitert. Der Konsum jeder Droge birgt Gesundheitsgefahren. Die Erfahrungen mit Cannabis aus anderen Ländern zeigen allerdings, dass ein verantwortungsvoller Umgang mit Cannabis möglich ist." Besonders wichtig sei ihm, Kinder und Jugendliche zu schützen und den Schwarzmarkt zu verkleinern. "Statt dem organisierten Verbrechen weiter hohe Einnahmen aus Cannabis-Verkäufen zu ermöglichen, könnte der Staat das Geld in eine bessere Präventions- und Suchthilfearbeit investieren." Selbst eine Auswertung des wissenschaftlichen Dienstes der Bundesregierung habe gezeigt, dass eine repressive Drogenpolitik wenig bis keinen Einfluss auf das Konsumverhalten hat. Demnach gebe es keine nachvollziehbaren Gründe mehr, Cannabis weiterhin zu verbieten.

Alles, was mit unserer Drogenpolitik nicht stimmt

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Ihre Forderungen für eine neue Cannabis-Politik fasst die FPD in neun Punkten zusammen. Demnach sollen Erwachsene künftig bis zu 15 Gramm Cannabis zu "Genusszwecken" legal in Apotheken und lizenzierten Geschäften kaufen dürfen. Die Ware würde nicht mehr wie medizinisches Cannabis in Hochsicherheitsbunkern angebaut, sondern in zwar ebenfalls sicheren, aber weniger komplexen Gewächshäusern. Dort dürften dann auch gentechnisch veränderte Pflanzen sprießen, insofern das mit EU-Recht vereinbar ist. Wachsen sollen auch die Steuereinnahmen: 10 Euro pro 100 Milligramm THC, wovon sich die FDP mindestens eine Milliarde Euro im Jahr verspricht. Das Geld oder ein Teil davon – so genau legt sich der Antrag nicht fest – soll in verbesserte, reformierte und stärker finanzierte Sucht-Präventionsarbeit fließen. 

Dem in den letzten Jahren gestiegenen THC-Gehalt in Cannabis will die FDP mit Grenzwerten begegnen. Und weil auf dem Schwarzmarkt vermehrt gefährliche Streckmittel wie synthetische Cannabinoide auftauchen, fordert die FDP, die Inhaltsstoffe von legal verkauftem Cannabis streng zu kontrollieren. Die gleichen strengen Regeln sollen dann auch für Produkte auf Basis von "künstlichem THC" gelten. Damit, erklärt ein Sprecher für Gesundheitspolitik auf Nachfrage, sind nicht hochgefährliche synthetische Cannabinoide gemeint, sondern Produkte, die nachweislich ungefährlicher als pflanzliches Cannabis sind, analog zu E-Zigaretten und Tabak.

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Auch für Polizei und Staatsanwaltschaften hat die FDP einen Plan. Die sollen in Zukunft vermehrt gegen die Organisierte Kriminalität im Bereich Drogen ausrücken, aber nicht mehr wegen Kleindelikten. Denn diese sollen wegfallen. Die Daten aus den Maßnahmen sollen schließlich in einen überarbeiteten Drogen- und Suchtbericht fließen. Denn diesen, schreibt die FDP, habe die Bundesregierung im letzten Jahr nicht mehr herausgegeben, sondern lediglich "eine Marketing-Broschüre der Drogenbeauftragten". 

Cannabis wird Wahlkampfthema

Mit ihrem Antrag bringt sich die FDP für die Bundestagswahl im September in Stellung. Damit ist sie nicht allein. Auch die Grünen plädieren mit ihrem Cannabis-Kontrollgesetz für eine regulierte und kontrollierte Abgabe von Cannabis, die Linkspartei fordert seit Längerem ein Ende der Verbotspolitik. Und die SPD hat am vergangenen Wochenende ihr Wahlprogramm überarbeitet und eine Passage zu Cannabis eingefügt. Darin fordert sie ebenfalls, die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene in Modellprojekten zu testen. Wieland Schinnenburg nennt das ein "Lippenbekenntnis": "Denn es war die SPD, die im Bundestag noch im Oktober 2020 gegen einen FDP-Antrag zu Cannabis-Modellprojekten gestimmt hat."

Tatsächlich hatte die SPD bereits im Februar 2020 in einem Positionspapier selbst Modellprojekte gefordert. Dass daraus nie was wurde, liegt wohl auch am Koalitionspartner CDU/CSU. Die Union macht nicht den Eindruck, als würde sie ihre Eisenkralle um die Verbotspolitik lockern. Für den Antrag der FDP bedeutet das nichts Gutes.  

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