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Heulsuse der Woche

Diese Woche nominiert: all diejenigen, die sich über den Gaucho-Tanz der deutschen Nationalspieler empören und beleidigte Schwaben, die immer noch sauer auf Wolfgang Thierse sind.

Und wieder ist es an der Zeit, sich über ein paar Menschen zu wundern, die mit der Welt nicht fertig werden.

Heulsuse #1: Alle, die sich über den Gaucho-Tanz aufregen

August Lohr: Gaucho (Dorotheum | Wikimedia | gemeinfrei)

Der Vorfall: Sechs deutsche Nationalspieler machen sich bei der Siegesfeier am Brandenburger Tor mit dem Gaucho-Tanz ein bisschen über die Argentinier lustig.

Die angemessene Reaktion: Jogi sagt ihnen in einer ruhigen Minute, dass die Aktion nicht so ganz angebracht war.

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Die tatsächliche Reaktion: Halb Deutschland erzürnt sich über die nationalistische Entgleisung und Unsportlichkeit der Spieler.

Beim Fußball kochen die Emotionen schnell hoch, was sich schon mal darin äußert, dass Spieler von den Fans gänzlich unsportlich als Schweine, Schwuchteln oder Hurensöhne betitelt werden. Kurz gesagt, in der heilen Welt des Fußballs wimmelt es von Rassisten, Homophoben und auch von nationalistischen Vollidioten.

Natürlich gehören solche Unsportlichkeiten bekämpft, doch man kann es auch übertreiben. Bis zu dem Punkt, an dem die Kritik so lächerlich wird, dass die schwerwiegenderen Probleme in den Hintergrund rücken. So mischte sich in den Jubel nach der Siegesfeier der Nationalspieler auf Seiten der deutschen Medien eine schamesrote Mischung aus Unverständnis und Entrüstung—und das nicht etwa wegen des Auftritts von Helene Fischer oder Julian Draxlers Dönersong, sondern wegen des Gaucho-Tanzes, den Klose, Götze, Kross, Mustafi, Schürrle und Weidenfeller aufführten, um sich über die besiegte argentinische Nationalelf lustig zu machen.

Die FAZ sah in der—zugegeben nicht gerade genialen Show-Einlage—ein gigantisches Eigentor. Andere Tageszeitungen hielten die Aktion für eine Schnapsidee oder schlichtweg geschmacklos—und #gauchogate war geboren.

Im Heimatland der schändlich geschmähten argentinischen Nationalspieler fielen die Reaktionen derweil viel glimpflicher aus, bis auf die eines Radiomoderators, der Klose, Götze und Co. als „ekelhafte Nazis“ bezeichnete.

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Der DFB-Präsident Wolfgang Niersbach entschuldigte sich am Mittwoch öffentlich und kündigte an, dem Präsidenten des argentinischen Fußballverbands einen Brief schreiben zu wollen, um ihm mitzuteilen, dass „die Aktion in keinster Weise despektierlich gemeint war“. Damit dürfte der große deutsche Empörungs-Zirkus hoffentlich zu Ende sein.

Heulsuse #2: Die Fraktionen von FDP/DVP und CDU in Baden-Württemberg

Wolfgang Thierse (Foto: Christoph Müller | Wikimedia | gemeinfrei)

Der Vorfall: Wolfgang Thierse soll zum 25-jährigen Jubiläum des Mauerfalls vor dem baden-württembergischen Landtag sprechen.

Die angemessene Reaktion: Ihn reden lassen—auch wenn man dabei vielleicht einschläft.

Die tatsächliche Reaktion: Die Fraktionen von FDP/DVP und CDU sorgen dafür, dass er ausgeladen wird—weil er sich vor anderthalb Jahren einmal abfällig über Schwaben in Berlin geäußert hat.

Das Verhältnis zwischen Berlinern und zugezogenen Schwaben ist seit jeher nicht von inniger Liebe geprägt. Die Spannungen zwischen den verfeindeten Lagern aus Ost und Süd-West prägen einen ganzen Stadtteil und gipfelten Anfang letzten Jahres in einer regelrechten Schwabenverfolgung. Und einem 3,7-Kilo-Spätzle-schweren Vergeltungsschlag seitens der Wutbürger aus Baden-Württemberg.

Versehentlich eingeläutet hatte die Krise der SPD-Politiker und ehemalige Präsident des deutschen Bundestages Wolfgang Thierse, der öffentlich seinen Unmut darüber geäußert hatte, dass Schwaben in seiner Nachbarschaft im Prenzlauer Berg plötzlich Schrippen als Wecken und Pflaumenkuchen unter dem fremdartig anmutenden Namen Pflaumendatschi verkauften. Auf die Kritik an seiner Person reagierte Thierse gelassen und sagte, dass alles eigentlich nur ein Scherz gewesen sei, den die Betroffenen nur nicht verstanden hätten. So sprach er den Schwaben im gleichen Atemzug neben dem Willen zur Integration und der Fähigkeit, einen Pflaumenkuchen einen Pflaumenkuchen zu nennen, auch noch ihren Humor ab.

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Die Fraktionen von FDP/DVP und CDU in Baden-Württemberg sind von Thierses Affront offensichtlich immer noch so tief gekränkt, dass sie dafür sorgten, dass der Berliner SPD-Mann, der zu einem Festakt zum 25-jährigen Jubiläum des Mauerfalls vor dem Landtag sprechen sollte, kurzerhand wieder ausgeladen wurde. Der Baden-Württemberger FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sagte dazu: „Wem die Schwaben in Berlin zuwider sind, dem wollen wir nicht zumuten, vor den Schwaben in Stuttgart reden zu müssen. Er hat behauptet, dass es spaßig gemeint war. Aber wenn man sich die Aussagen anschaut, merkt man, dass sie mit Bierernst vorgetragen wurden.“

Thierse antwortete darauf gewohnt konfliktfreudig: „Dass CDU und FDP im Stuttgarter Landtag mich wegen zweier heiter-ironischer Sätze über Schwaben in Berlin mit einem politischen Auftrittsverbot belegen, zeigt eine Kleingeistigkeit, die eigentlich nicht zu den Schwaben passt." Die Fraktionen von FDP/DVP und CDU denken derweil darüber nach, weitere Sanktionen gegen Thierse zu verhängen und ihm den Verzehr von Spätzle und Pflaumendatschi rechtlich zu untersagen.

Wer ist die größere Heulsuse?

Letzte Woche: Frauen, die trauern, weil Ryan Gosling Vater wird, und ein Rentner, der mit seinem Wohnmobil einen Mann überfahren wollte, weil er den Rasen gemäht hat.

Der Gewinner: Der Rentner mit dem Wohnmobil!