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Bundestagswahl 2013

Das Arbeitsamt kümmert sich jetzt um die FDP

Wir haben uns mit dem Arbeitsamt unterhalten, um herauszufinden, was aus den 500 Mitarbeitern der FDP-Fraktion werden soll, die von heute auf morgen arbeitslos geworden sind.

Bild von TOMS WOCHENSCHAU via CC Search 

„Was ist der Unterschied zwischen einem Smart und der FDP? Der Smart hat mehr Sitze“,

- Bundestagskantinenwitz und Werbespruch, September 2013

Nachdem sich die Bundesrepublik Deutschland dieses Jahr durch den langweiligsten Wahlkampf ihrer Geschichte gequält hat, war am Wahlsonntag dann schließlich doch noch was los. Die CDU bekam eines der besten Ergebnisse aller Zeiten und schmiss eine fette Wahlparty mit Musik von den Toten Hosen, während fast alle anderen Parteien von den Wählern saftige Ohrfeigen bekommen haben.

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Keine hat es allerdings so hart erwischt wie die FDP: Zum ersten Mal seit ihrer Gründung 1949 haben die Liberalen die 5-Prozent-Hürde und damit den Einzug in den Bundestag nicht geschafft. Das bedeutet nicht nur, dass sie jetzt ungefähr genauso bedeutsam sind wie die erst letztes Jahr gegründete Randpartei AfD, sondern auch, dass sich die FDP-„Bundestagsfraktion“ komplett auflöst.

Damit sind nicht nur die Abgeordneten der FDP arbeitslos, sondern auch sämtliche Sekretärinnen, Referenten, wissenschaftliche Mitarbeiter und Büroleiter, die bis jetzt für die Fraktion gearbeitet haben. Über 500 Mitarbeitern räumen derzeit ihre Schreibtische ab und schauen sich nach neuen Jobs um. Überall stehen Kisten, Koffer und Unterlagen herum.

Am Mittwoch hat die Agentur für Arbeit (auf gut Deutsch, das Arbeitsamt) hilfreicherweise gleich im Bundestag ihre Zelte aufgeschlagen, um die Scharen von Instant-Arbeitslosen vor Ort zu beraten. Wir haben mit Matthias Traut von der Agentur für Arbeit gesprochen, um herauszufinden, wie sie die ehemaligen FDP-Mitarbeiter beraten. Die ehemaligen Mitarbeiter sind in anderen Fraktionen sicherlich herzlichst willkommen: Der überforderte CSUler aus Oberbayern, zum Beispiel, freut sich bestimmt, jemanden zu haben, der sich im unbekannten Berliner Hauptsitz in den Räumlichkeiten gut auskennt, weiß, welche Knöpfe man drücken muss, und mit wem man sich's besser nicht gleich zu Anfang versaut.

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Herr Traub, besteht für die FDP-Mitarbeiter Grund zur Panik?

Nicht mehr oder nicht weniger Panik, als man haben müsste, wenn man bei einem anderen Unternehmen seine Beschäftigung verliert. Natürlich reden wir hier von der Größenordnung praktisch von einem mittelständischen Unternehmen. Insgesamt sind ja etliche hundert Mitarbeiter von der Fraktion betroffen, das ist eine Größenordnung, mit der wir auch nicht jeden Tag umgehen.

Macht die Agentur für Arbeit jetzt Überstunden?

Natürlich, das bedeutet in der Tat auch Überstunden und erhöhten Arbeitsaufwand für uns, aber wir als Dienstleister am Arbeitsmarkt haben da kein Problem mit.

Wie war denn die Stimmung gestern im Bundestag?

Na ja, wenn ein Arbeitgeber—und in dem Zusammenhang kann man die FDP-Fraktion durchaus als Arbeitgeber bezeichnen—im nennenswerten Umfang Stellen abbaut oder abbauen muss, steht natürlich außer Frage, dass es die Laune nicht zwingend hebt. Natürlich sind wir in so einer Situation nicht nur für Arbeitsmarktfragen erste Anlaufstelle, sondern auch, um den Leuten einfach das Gefühl zu geben, „da ist jemand da, da sind Strukturen, die sich kümmern.“

Gab es denn viel Nachfrage?

Klar. In so einer Situation ist immer Beratungsbedarf da, und wenn das in so einem großen Umfang passiert, ist es natürlich auch eine besondere Herausforderung, auf die einzelnen Bedürfnisse einzugehen.

Wie muss ich mir so eine Beratung denn vorstellen?

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Da kommen Sie bei uns an den Empfang, werden ins System aufgenommen, dann werden Ihr Lebenslauf und die rechtlichen Vorraussetzungen gecheckt, und dann wird ein Profil erstellt, was dann bei uns ins Matching mit reinkommt. Und dann bekommen Sie einen Beratungstermin.

Wenn ich ein Referent wäre, der zwölf Jahre bei der FDP gearbeitet hat, was würden Sie mir denn jetzt raten?

Jemand, der bis jetzt reine Umweltpolitik gemacht hat, für den ist es vielleicht nicht so interessant, im Finanzbereich zu arbeiten, oder umgekehrt. Abgesehen von der formalen Qualifikation haben die Referenten ja immer eine sehr spezifische, fachliche Qualifikation. Das kommt, wie gesagt, darauf an, aus welchem Politikfeld sie gerade kommen.

Was kann denn jemand machen, der die letzten zwölf Jahre nur für der FDP gearbeitet hat?

Es kommt natürlich immer darauf an, wo freie Stellen sind. Jemand, der dort als Bürokraft beschäftigt war, ist natürlich universell einsetzbar. Wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass viele Arbeitgeber das als Plus sehen, wenn jemand in seinem Lebenslauf eine Fraktion als Arbeitgeber stehen hat, da wissen die Arbeitgeber, was sie bekommen. Die zweite Ebene, die wissenschaftlichen Mitarbeiter, Büroleiter, Referenten, die sind natürlich auch oft so lange dabei, dass sie über den Bundestag und ihre Abgeordneten hinaus vernetzt sind und dann auch gerne von politiknahen Arbeitgebern von Verbänden, Vereinen etc. nachgefragt werden (also Lobbys). Und nicht zuletzt hatten wir auch Fälle, wo Mitarbeiter bereit waren, in eine andere Fraktion und zu anderen Abgeordneten zu wechseln. Die zeigen sich in dem Punkt dann durchaus offen für Neues.

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Nehmen die anderen Parteien denn jemanden, der bis jetzt für die FDP gearbeitet hat? Oder sind die deswegen vorbelastet?

Das ist unterschiedlich. Gestern kam schon ein Abgeordneter zu uns, der jetzt ganz neu in den Bundestag gewählt wurde und Mitarbeiter mit „Hauserfahrung“ sucht. Die politische Nähe ist da nicht so wichtig wie das Auskennen im Haus, das Wissen, auf welche Knöpfe man drücken muss, wie der ganze Laden funktioniert, mit wem man sprechen muss, um das Büro zum Laufen zu kriegen. Jemand, der zwei oder drei Legislaturperioden als Büroleiter oder Sachbearbeiter im Büro eines FDP-Abgeordneten gemacht hat, der ist natürlich für neue Abgeordnete, egal welcher Partei, ein ganz interessanter Mitarbeiter.

Würden die meisten am liebsten im Bundestag bleiben? Oder haben manche die Nase voll?

Na ja, ich glaube, jeder würde den Beruf, den er gern macht und über Jahre gelernt hat, gerne weitermachen.

Kommen auch Abgeordnete zu Ihnen?

Nein, bis jetzt nur Mitarbeiter. Das ist natürlich nicht auszuschließen, dass der ein oder andere Abgeordnete sich dem Arbeitsamt zur Verfügung stellt, aber mir ist da bis jetzt nichts bekannt.

Hatten Sie das Gefühl, dass die Leute Angst haben, dass sie nichts mehr finden?

Eigentlich nicht, es handelt sich ja schon um qualifizierte Mitarbeiter, die den Arbeitsmarkt kennen und offen für Alternativen sind, wenn es im politiknahen Bereich oder ähnlichen Feldern bleibt. Aber es war zu spüren, dass es doch eine ziemliche Überraschung für viele war. In dem Ausmaß war das ja nicht abzusehen, man hat natürlich breit damit gerechnet, dass die FDP im nächsten Bundestag vertreten sein wird. Dass es wirklich so gekommen ist, wie es gekommen ist, das war wie gesagt für viele doch eine Überraschung.

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Also niemand hat Angst, jetzt bei Hartz IV zu landen?

Es kann natürlich im Einzelfall sein. Aber eine direkte Verzweiflung, dass die Damen und Herren vor dem Nichts stehen, das war für mich nicht zu spüren.

Beraten Sie eigentlich nur, oder trösten Sie die Leute auch?

Na ja, wir machen in erster Linie Beratung, wir sind ja keine ausgebildeten Psychologen.

Danke sehr, Herr Traub!

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