Politik

Warum das ZDF die Antisemitin Lisa Eckhart ausladen sollte

Die österreichische Kabarettistin ist Gast im 'Literarischen Quartett'. Offenbar hat der Sender von ihren antisemitischen Ausfällen noch nicht genug.
Die Kabarettistin Lisa Eckhart hebt bei einem Auftritt die Arme und wurde jetzt wieder vom ZDF ins Literarische Quartett eingeladen, obwohl sie sich antisemitisch äußert
Foto: imago images / Andreas Weihs

Manche Wörter stehen so dämlich in der Gegend rum und blockieren jedes Weiterkommen wie ein Transporter mit Warnblinker in der Einbahnstraße. Das Wort Cancel Culture beispielsweise führt seit Monaten zu spontanen Verdummungen, zu Geschrei und Hupkonzerten. Es stellt sich immer in den Weg, wenn sich Menschen aufmachen, über einzelne Fälle zu sprechen, wenn sie hinschauen, unterscheiden, beobachten oder sich – vielleicht sogar – verständigen wollen. Das Wort Cancel Culture ist ein diskursiver Troublemaker, es sucht Stress, es verallgemeinert statt zu differenzieren. 

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Wie im Fall Lisa Eckhart. Jetzt sitzt sie also, die angeblich gecancelte, zu wenig umstrittene Kabarettistin aus Österreich, wieder im Fernsehen, diesmal im Literarischen Quartett im ZDF, am Freitagabend. Bitte an dieser Stelle nicht aufhören zu lesen, weil es nach einem Nischenphänomen klingt. Diese Sendung hat noch immer große Macht, auch wenn die Zuschauer inzwischen alt und etwas müde sind, denn auch alte und etwas müde Menschen kaufen Bücher, vor Weihnachten sogar richtig viele. 


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Maxim Biller hat in der SZ richtigerweise entschlüsselt, dass der antisemitische Ausfall bei Eckhart keine Ausnahme ist sondern die Regel. Er hat sich die Mühe gemacht, die man sich halt machen muss, einfach mal hinzuhören, was Eckhart so sagt. Wie könnte beispielsweise diese Pointe funktionieren, ohne antisemitische Klischees? "Den Juden Reparationen zu zahlen, das ist, wie Didi Mateschitz einen Red Bull auszugeben." Wie kann man hier lachen, ohne den Funken Wahrheit anzunehmen, dass Juden eben doch sehr reich seien, trotz allem Unglück, das ihnen widerfahren ist? Wie kann man sich über diesen Satz erfreuen, ohne die leise Überzeugung, dass es doch langsam gut sei mit Wiedergutmachung? Humor steht immer in Kontakt zur Realität, er ist verbunden mit der Welt.

Warum lachen Menschen über die Pointe, dass Ostfriesen beim Zeitungslesen aus Angst vor den Schlagzeilen einen Helm tragen? Sie lachen, weil sich das Vorurteil verbreitet hat, Ostfriesen seien nicht besonders schlau. Das ist sehr unfair gegenüber Ostfriesen, aber auch nicht weiter gefährlich, weil nicht auf der ganzen Welt Ostfriesen gehasst, verteufelt oder angegriffen werden. Weil nicht bei jeder Querdenker-Demo irgendein geifernder Typ auf die Idee kommt, OSTFRIESEN seien in Wahrheit Schuld an der Pandemie. Die Pointe, die auf antisemitischen Klischees basiert, verbreitet allerdings toxische Vorurteile, die Antisemiten motivieren, sich im Recht zu fühlen – und ja, im schlimmsten Fall: tätig zu werden. 

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Die Verteidiger Eckharts werfen den Kritikern vor, dass sie sich mit zwei Jahren Verzögerung auf einen einzigen Ausschnitt einer TV-Show stürzen. In der Sendung Mitternachtsspitzen räsonierte Lisa Eckhart 2018 über den Umstand, dass sowohl der Jude Harvey Weinstein als auch der Jude Roman Polanski als angeblich "Unantastbare", als Juden, andere angetastet haben. Warum genau sind Juden "unantastbar", Frau Eckhart? Sind es nicht eben diese "Unantastbaren", die in Deutschland Polizeischutz benötigen, vor Schulen und Synagogen? Fliegen nicht bei diesen "Unantastbaren" Steinbrocken in Gotteshäuser? Stehen bei diesen "Unantastbaren" an Jom Kippur nicht Mörder mit einem selbstgebauten Gewehr vor der Tür, während sie beten? 

Richtig, liebe Eckhart-Verteidiger, es ist falsch, dass sich die Kritiker mit zwei Jahren Verzögerung auf einen Show-Schnipsel gestürzt haben. Es wäre besser gewesen, der Sturm wäre ihr schon damals sofort eiskalt ins Gesicht geweht als eindeutiges Signal, dass diese Sätze nicht sagbar sind im deutschen Fernsehen. Und richtig, liebe Eckhart-Verteidiger, es ist falsch, dass sich die Kritiker vor allem auf einen Schnipsel stürzen. Und nicht gleichzeitig auf die anderen antisemitischen Ausfälle dieser Karriere. Das ist die Fleißarbeit, die Menschen, wenn sie in Gruppen auftreten, nicht immer zu leisten bereit sind, leider. Diese Fleißarbeit, die Quellenarbeit, hätte vielleicht verhindert, dass sich Antisemiten, die latenten, verkappten, die heimlichen und offenkundigen, auf die Metaebene fliehen und hinter diesem blinkenden, schillernden und dummen Wort verstecken: Cancel Culture. Bei Eckhart hat die antisemitische Pointe Methode. 

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In Paris habe man sie gefragt, warum sie als Österreicherin Deutsch als Fremdsprache studiert, erzählte Eckhart bei einem anderen Auftritt im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, bei 3Sat. Sie sei letztendlich mehr gemobbt worden als der Jude in BWL. In einem anderen Programm erzählt sie von ihrer Faszination für Hitlerdokus und hebt den Fernbedienungs-Arm zum Hitlergruß, kein Witz. Sie benutzt das Wort "entartet" und hat sichtbar Spaß daran.

Vielleicht muss man die Frage umformulieren, weil sich die Debatte längst verhakt hat. Vielleicht muss die Frage nicht heißen, ob man über ihre Witze lachen darf. Weil: Wo ist die obskure Instanz, die Lachgenehmigungen ausstellt? Lachen ist immer anarchisch, bricht sich Bahn und wartet nicht auf Genehmigungen. Vielleicht muss man eher fragen, ob man über ihre Witze lachen will. Will man im Land der Täter über einen Witz lachen, der auf den Ressentiments der Täter fußt, den massenmörderischen? Fühlt man sich erleichtert und beschwingt durch das ungehinderte öffentliche Aussprechen dieser Ressentiments? Findet man das gut?

Die Diskussion über Cancel Culture, die am Beispiel Eckhart geführt wurde, ist auch deshalb falsch, weil ihr die Aufregung eindeutig nicht geschadet hat, im Gegenteil. Das Fernsehen ist so fasziniert von ihr, dass sie während der Pandemie vor Kameras übersommern konnte, von Nuhr bis ZDF Aspekte, sie darf reden und reden und reden. Wenn nicht im Fernsehen, dann bei NZZ, Playboy und taz. Das Karriere-Kapitel der Lisa Eckhart, das von ihrem Cancelling handelt, ist ihr erfolgreichstes.

Es ist eine letztere bittere Pointe, über die man nicht lachen kann, dass Lisa Eckhart jetzt ausgerechnet in der Sendung von Marcel Reich-Ranicki sitzt, dem großen jüdischen Literaturkritiker. Maxim Biller hat in der SZ darauf hingewiesen. Und es ist schon keine Pointe mehr, wie das ZDF, dieser öffentliche, von dir und mir finanzierte Duckmäuserverein, sich jetzt verteidigt. Man habe Eckhart in ihrer Rolle "als Schriftstellerin und Germanistin" ins Literarische Quartett eingeladen. Ah, interessant. Also nicht in ihrer Rolle als Antisemitin. 

Wir können also gespannt sein, wann das ZDF Björn Höcke von der AfD einlädt, um über die Bombardierung Dresdens zu sprechen. Nicht als Faschist, versteht sich. Sondern in seiner Rolle als Geschichtslehrer.

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