Warum ich gleich beim ersten Date Sex habe
Foto: Flickr I Kayla Kandzorra I CC BY 2.0

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Sex

Warum ich gleich beim ersten Date Sex habe

Wenn ich beim ersten Date keine (sexuelle) Lust auf mein Gegenüber habe, dann gehe ich meist nicht ein zweites Mal zehn Kaffees oder Weißweine trinken, um noch mehr über meine Unlust herauszufinden.

„Ich glaube nicht daran, sich beim Kennenlernen den Sex aufzusparen." Meistens sagte ich diesen Satz zu Männern, mit denen ich kurz darauf schlafen würde oder mit denen ich schon einige Male geschlafen hatte. Mir war und ist bewusst: Ich versuche, mein eigenes Tun zu rechtfertigen—vor mir und vor ihnen. Dass ich einfach zu haben bin.

Ich mache es mir mit meiner All-in-Philosophie sehr leicht: Ich tue und nehme mir, was auch immer ich will, meist etwas zu viel. Und wem es nicht passt, sage ich mir immer, der kann sich verpissen. Das heißt, ich mache mich nicht künstlich rar. Ich habe sofort Sex. Ich schreibe als Erste nach dem Sex. Ich schreibe allgemein, wann ich will, weil ich ungeduldig und begierig bin und mir denke: Zu äußern, was ich haben möchte, ist der beste Filter, den es gibt.

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Bis jetzt hat der Filter ein bisschen zu gut funktioniert. Soll heißen: Nicht alle Jungs da draußen finden es cool, wenn ich im Club spontan beschließe, mein T-Shirt hochzuheben, und nicht alle finden es unterhaltsam, wenn ich meinen ersten Dreier (der erst kürzlich stattfand und der mich maximal faszinierte) als Konversationsthema auspacke. Oder halt einfach am Morgen nochmal Sex will.

Ich war mal mit einem Typen aus, äußerlich die volle Punktzahl, Supersingle, alles ein Traum. Wir gingen in eine Bar. Ich trank etwas schneller als er und dann passierte mir das, was mir oft passiert, wenn ich mich leicht angetrunken mit Männern unterhalte: Der Porn-Talk. Ich oute mich gerne mal als Kennerin der Porno-Industrie und nenne im selben Satz meine präferierten Suchbegriffe bei der Pornoseite deiner Wahl. Das ist so ein „In your face"-Moment, auf den ich dann wiederum eine schlagfertige, primitiv-sarkastische, geile Antwort erwarte. Kein Erstaunen, keine Psychoanalysen, keine Plattitüden. Na ja, Mr. Goodlooking meinte, er schaue nie Pornos. Ich wollte das nicht wahrhaben und begann, ein bisschen nach Freud zu argumentieren.

Der Abend war eher schnell vorbei und es kam auch nie mehr etwas von ihm … Aus einem möglichen ersten Date wurde das letzte Treffen, ever.

Klar gibt es aber auch das Gegenteil. Ich habe kürzlich bei Tinder jemanden kennengelernt und weihte ihn bereits beim Chatten in meinen Plan ein, eine Woche lang jeden Abend jemand Anderes zu vögeln. Ich war hart auf Rebound-Mission und hielt es keine Minute alleine mit meinem Kopf aus. Meine Offenheit oder auch mein Exhibitionismus gaben den Startschuss für wunderbar kinky Diskussionen und eine Nacht voller Sex. Wir schreiben uns immer noch, und wir werden uns auch wiedersehen, aber ich glaube, ich bin für ihn wie ein Zirkus, er hält mich für leichte Unterhaltung. Männerthemen, die man mit der Frau, die man bumst, bequatschen kann.

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Klar ist das für mich nicht alles bloß Spaß oder ein Spiel. Es verletzt mich, wenn jemand, den ich unterhaltsam, gutaussehend und cool finde, nach dem Sex kein Interesse mehr zeigt, denn ich bin bald 30 und hatte noch nie eine ernsthafte Beziehung.

Heute sagte meine Schwester zu mir: Schlaf doch nicht immer gleich mit deinen Dates. Und ich entgegnete: „Ich glaube nicht an diese Rar-Macherei." Und wenn ich beim ersten Date keine (sexuelle) Lust auf mein Gegenüber habe, dann gehe ich meist nicht ein zweites Mal zehn Kaffees oder Weißweine trinken, um noch mehr über meine Unlust herauszufinden.

Und dann dachte ich: Nun gut, meine All-in-Strategie war in den letzten zehn Jahren nicht sehr erfolgreich. Vielleicht bin ich tatsächlich ein Flittchen und Männer nehmen mich nicht ernst, amüsieren sich höchstens mit mir. Vielleicht bin ich aber einfach noch nicht einem der vielen Mr. Rights begegnet, die es vermutlich für mich gibt.

Ich weiß nicht, wie viele meiner Begegnungen anders verlaufen wären, hätte ich mich nicht jeweils schon am ersten Abend angeboten. Wäre ich jetzt in einer Beziehung? Hätte das den Jagdinstinkt in den Männern hervorgerufen, und hätten sie mich dann umworben? Mich gewinnen wollen? Hätte das ihnen gezeigt, dass ich sie nicht brauche?

Gleichgültigkeit gegenüber Männern wirkt offenbar Wunder.

Ich erinnere mich noch glasklar an diesen einen Mitstudenten von mir—ich saß auf ihm, er kam in mir, es war das erste Mal, dass wir es getan hatten, und es war unser erstes Date bzw. ein verlängertes Weintrinken nach der Vorlesung. Es war der helle Wahnsinn, wir starrten uns einfach nur dauerüberrascht in die Augen, während dieser krasse Sex scheinbar im Autopilot passierte.

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Er sagte, als er mich zehn Minuten später an der Tür verabschiedete: „Ach fuck." No shit, Sherlock! Aber dann erläuterte er: „Ich wollte mir das mit dir eigentlich aufsparen." Meine sofortige Verfügbarkeit, und weil ich ihm von meinem freizügigen Sexleben erzählt hatte, machte mich in seinen Augen zu einer Gespielin, die man zwar bumsen kann, die aber kein Girlfriend-Material ist. Egal wie toll der Abend gewesen war. Egal wie gut wir uns unterhalten hatten und wie oft wir uns danach gut unterhalten haben. Ich war weg vom Fenster, die Stelle kam für mich nicht mehr in Frage. Ich konnte meinen Ruf nicht wiederherstellen—den, den es offenbar braucht. Und er konnte sich seinen Ruf nicht wiederherstellen—den, den er sich selber gegenüber ruiniert hatte, als er mich beim ersten Date auszog.

Aber was ist so unattraktiv an sexueller Verfügbarkeit bzw. wieso schließt sie eine Beziehung aus? Denn ich will nichts faken. Weder Gleichgültigkeit, noch Hobbys, noch Desinteresse an Sex.

Wenn mich jemand mehr mag, weil ich mich erst nach drei Tagen melde, dann hat dieser Mensch doch ein Charakterproblem. Wenn sich Männer so leicht verarschen lassen, will ich diese Männer nicht. Ich will jemanden, der mich am ersten Abend ordentlich nimmt und dann keine Angst hat, wenn ich am nächsten Tag nochmals will, und das auch eindeutig äußere.

Und Frauen, die dieses Scheißspiel mitmachen, haben ein ebenso großes Charakterproblem und stehen meines Erachtens der Gleichberechtigung im Weg. Sie manipulieren die Spielregeln. Sie äußern nicht, was sie wollen. Sie verhalten sich so, wie sie glauben, dass es von ihnen erwartet wird. Sie geben verlogene Tipps an ihre Freundinnen. Sie könnten ihre Tipps nicht fundiert begründen. Sie denken, dass es so läuft. Dass wir die rare Ware sein müssen, damit die Nachfrage steigt. Ökonomie.

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Ich habe mich so sehr über Comedy Centrals neuesten Funny or Die- Clip gefreut—eine stolze Amber Rose, die auf ihrem vermeintlichen Walk of Shame nichts als Zuspruch von anderen Passanten bekommt. Und wer re-postet das Video auf Facebook? Wie auch alles andere emanzipierte Material, das lustig aufgearbeitet daherkommt? Genau die Frauen, die ihren Freundinnen raten, sich nach dem Sex nicht zu melden und sich beim ersten Date konsequent einladen zu lassen („Sonst stimmt da was nicht!").

Wenn ich dann halbjährlich an sexlustige Menschen gerate, die mit mir öfter als ein Mal bumsen, sind die meist einfach an einer unkomplizierten Affäre interessiert, die dann endet, wenn wir aus Versehen nebeneinander einschlafen.

Das ist mir diesen Sommer passiert und er war auch der Grund für meine große Rebound-Aktion. Wir taten alles, was uns einfiel, wir hielten uns bei nichts zurück; und da er so euphorisch dabei war—was Sex, Unternehmungen und Nähe betraf—dachte ich: „Wow, hier kann ich endlich ‚echt' sein und es funktioniert." Ich erzählte ihm alles. Er fiel und fiel nicht durch den Filter.

Und dann sagte er mir nach drei Monaten, dass es ihm zuviel sei. Wir waren beim „Nebeneinander Einschlafen" angelangt; ich war nicht länger die männerverspeisende, geheimnisvolle Frau, die er kennengelernt hatte.

Wäre ich mysteriöse, rare Ware geblieben, die ihn nicht brauchte, hätte es womöglich länger gedauert.

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Ich halte an meiner All-in-Strategie fest. Ich bin kein Flittchen. Dass ich das beteuern muss, ist bezeichnend—auch ich fühle mich trotz allem im Netz dieser ungeschriebenen, weiblichen Verhaltensregeln gefangen. Dieser vorauseilende Gehorsam Männern gegenübern. Auch was Äußerlichkeiten betrifft: Klar bin ich immer frisch gewaxt, wenn ich Sex habe. Obwohl ich mit meinem Dschungelbuch da unten schon manch eine Depiladora erschreckt habe.

Frauen müssen sich überall anhören, wie sie sich Männern gegenüber zu verhalten haben. Oder kennt ihr Männermagazine, die sich „So gewinnst du ihr Herz" aufs Titelblatt schreiben? Die Modemagazine sagen dir, wie du dich anziehen sollst; die Frauenmagazine sagen dir, wie du dich verhalten sollst; in Beautyblogs erfährst du, wie du deine Lippen größer wirken lässt und ob es tatsächlich ein Wundermittel gegen Cellulite gibt (nein). Auch wenn man den Quatsch selber nicht liest bzw. sich anschaut, irgendjemand im Freundeskreis, im Büro oder in der psychologischen Praxisgemeinschaft deines Vertrauens, tut's. Und diese Leute wissen dann immer ganz genau, weshalb man's wieder verschissen hat und dass man ja jetzt aus seinen Erfahrungen lernen sollte.

Ich finde, dass man in Liebesdingen schlechte Erfahrungen nicht kumulieren darf. Man muss jedes Mal aufs Neue wieder die Naivität besitzen dürfen wie beim ersten Mal. Und das braucht viel Kraft. Vor sich selber und vor anderen. Mit hoch erhobener Brust keine SMS zurückzubekommen? Bring it on. Lass dir von niemandem was sagen, hör dir den gut gemeinten Rat an, wenn du willst, aber treffe deine eigenen Entscheidungen, auch wenn sie nicht immer vernünftig sind oder irgendwelchen Standards entsprechen. Es ist gut, etwas zu spüren.


Titelfoto: Flickr I Kayla Kandzorra I CC BY 2.0