Drogen

Was passiert, wenn du Drogen und Antidepressiva mischst

Kurz zusammengefasst: Mach es nicht.
Tablettenblister mit Smilies drauf, die Kombination von Antidepressiva und Drogen kann tödlich sein.
Foto: Anton Dos Ventos / Alamy Stock Photo

Drogen können für Menschen mit Depressionen verlockend sein. Schließlich versprechen sie eine kurze Auszeit vom tristen Alltag. Besser werden die Probleme natürlich nicht, eher schlimmer. Aber wenn man Glück hat, hat man sie für ein paar Stunden vergessen. Das Runterkommen ist dafür dann umso härter. Nicht selten maskiert ein Suchtproblem eine darunter liegende Depression.

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Gerade, wenn man Antidepressiva nimmt, ist es nicht unbedingt die beste Idee, seine Hirnchemie mit anderen Substanzen ins Chaos zu stürzen – im schlimmsten Fall kann das sogar lebensgefährlich sein. Da es natürlich sehr auf die einzelnen Substanzen und die verschiedenen Medikamente ankommt, haben wir ein paar Experten gefragt.


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Cannabis

Wie sich das Mischen von Cannabis und Antidepressiva auswirkt, hängt laut James Giordano sowohl vom Cannabis als auch vom Medikament ab. "Wenn das Cannabis einen leicht erhöhten THC-Gehalt hat, erhält man tendenziell mehr von der anregenden, euphorischen Wirkung – und in manchen Fällen auch mehr innere Unruhe", sagt der Neurologe und Biochemiker am Georgetown University Medical Centre in Washington DC.

Im Alter von 16 bis 22 nahm Tom Antidepressiva und kiffte täglich. "Wenn ich auf Antidepressiva geraucht habe, habe ich manchmal super starke Beklemmungen bekommen" sagt der heute 25-Jährige. "Wenn ich heute kiffe, komme ich mit dieser Nervosität viel besser klar."


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Durch die Antidepressiva kann das Runterkommen von Cannabis mit Nebenwirkungen einhergehen, sagt Girodano: "Wenn die Wirkung anfängt nachzulassen, kann bei manchen Menschen die innere Unruhe, die sie vor dem Rausch hatten, doppelt zurückkommen. Andere hingegen fühlen sich träge oder emotional abgeflacht. Das Antidepressivum zieht dieses Runterkommen noch in die Länge."

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Besonders kritisch sieht Giordano das Mischen von potentem Gras mit MAO-Hemmern: "Der Konsum von Cannabisprodukten mit einem höheren THC-Gehalt kann sich auf Herz und Gefäße auswirken. MAO-Hemmer hemmen den Abbau von Noradrenalin, welches zum Beispiel den Blutdruck stark erhöhen kann."

MDMA

Eigentlich ist MDMA dafür bekannt, bei Konsumierenden einen euphorischen Rausch auszulösen. Als die 22-jährige Dora es nahm, während sie auf Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern war, sogenannten SSRIs, spürte sie kaum etwas. "Ich schaute mich um und hatte das Gefühl, dass alle viel mehr Spaß als ich hatten", sagt sie. "Ich war auf zehn Prozent, alle anderen auf 100."

Diese Wirkung – oder eher viel mehr ihr Ausbleiben – ist typisch für Menschen, die regelmäßig Antidepressiva nehmen, sagt Adam Winstock, Experte für Suchtmedizin und Gründer der Global Drug Survey. "Menschen, die Antidepressiva nehmen – und das schon über einen längeren Zeitraum – werden durch MDMA eine gedämpfte emotionale Reaktion erleben. Ursache ist die Konkurrenz am Serotonintransporter." MDMA verursacht seine euphorische Wirkung durch eine verstärkte Freigabe von Serotonin. SSRIs hingegen regulieren den Serotoninspiegel. Sie sorgen dafür, dass er nicht sinkt – aber auch, dass er nicht steigt.

Die tendenziell eher unangenehmen körperlichen Nebeneffekte wie Kiefermahlen verspüren Konsumierende, die auf Antidepressiva sind, trotzdem. Wenn jemand es darauf anlegt, trotz Antidepressiva einen euphorischen MDMA-Rausch zu erleben, kann das lebensgefährlich werden. Die Person riskiert damit ein Serotoninsyndrom. Das tritt auf, wenn der Kreislauf von zu viel Serotonin überflutet wird. Insbesondere in Kombination mit MAO-Hemmern, die den Serotonin-Abbau hemmen, ist MDMA besonders riskant. Zu den Symptomen gehören Verwirrung, Übelkeit und Krampfanfälle – unbehandelt kann es tödlich sein.

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Winstock sagt deswegen: "Menschen, die auf Antidepressiva eingestellt sind, sollten auf keinen Fall MDMA oder Ecstasy nehmen."

Kokain

Auch Kokain kann dazu führen, dass dein Körper mit zu viel Serotonin geflutet wird. Winstock warnt außerdem, dass Kokain, die Wirkung von Antidepressiva stark beeinträchtigt.

"Ich stelle mir Antidepressiva immer wie einen Stöpsel in einem Waschbecken vor. Sie sollen dafür sorgen, dass die ganzen guten Chemikalien in deinem Gehirn bleiben", sagt er. "Das Koks zieht diesen Stöpsel raus." Auch wenn du vielleicht kurzzeitig euphorisch bist, das Runterkommen wird grauenvoll.

Das ist Ben passiert, der zu einem "besonderen Tiefpunkt" im Lockdown Kokain genommen hat. "Ich erinnere mich, wie unruhig und paranoid ich während des Comedowns war", sagt der 21-Jährige. "Aber das hatte vielleicht auch damit zu tun, dass ich mir große Sorgen machte, weil ich Koks, Fluxet [Antidepressivum, besser bekannt unter dem US-Handelsnamen Prozac] und Alkohol gemischt hatte. Ich dachte, dass ich jetzt richtig verschissen habe."

Alkohol

Als Emily mit 16 zum ersten Mal Antidepressiva verschrieben bekam, hat sie an den Wochenenden weiter auf Partys getrunken – viel. Mit der Zeit hat sie gemerkt, dass ihr das nicht guttat. "Alkohol hat meine Suizidgedanken verstärkt", sagt sie. "Alle meine Suizidversuche sind eigentlich passiert, nachdem ich getrunken hatte – oder während ich noch betrunken war."

Viele Menschen, die Depressionen haben, trinken auch wahrscheinlicher Alkohol. "Aber Alkohol hindert die Wirkung vieler Antidepressiva", sagt Winstock. Das liege daran, dass Alkohol die Fähigkeit der Medikamente beeinflusst, dein chemisches Ungleichgewicht wieder in Balance zu bringen, und deine Stimmung verstärken kann. Wenn du also schon depressiv oder innerlich unruhig bist, kann Alkohol dazu führen, dass du dich noch schlechter fühlst.

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Verschiedene Drogen wirken in verschiedenen Dosen unterschiedlich mit verschiedenen Antidepressiva. Und natürlich reagiert jeder Körper anders auf bestimmte Drogen und Drogenkombinationen.

"Wir behandeln sehr viele Menschen mit einer dualen Diagnose, die ein Drogen- und ein psychisches Problem haben", sagt Nuno Albuquerque von UK Addiction Treatment (UKAT). "Wie eine Person auf Drogen reagiert, hängt immer von ihrer jeweiligen physischen und psychischen Verfassung zu dem Zeitpunkt ab."

Wenn du Antidepressiva nimmst und das bestmögliche Ergebnis erzielen willst, rät Winstock, die Medikamente täglich einzunehmen und alles zu vermeiden, was ihre Wirkung beeinträchtigt. Dazu gehören insbesondere Freizeitdrogen. Auf gar keinen Fall solltest du deine Antidepressiva einen oder mehrere Tage aussetzen, um Drogen zu nehmen.

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