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GAMES

Meine Spielfigur in 'Bloodborne' ist eine Loser-Oma mit Hosenträgern

Neben Kämpfen mit Dämonen und Gender-Vorgaben geht es diesmal auch um 'Borderlands: The Handsome Collection'. Beide Games haben eine Gemeinsamkeit: Sie sind einfach wurscht.
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Ich liebe die Möglichkeit in Videospielen am Anfang meinen Charaktere selbst zu erstellen, sie mit dissozialen Stats auszustatten und die armen Protagonisten meinem Gottkomplex zu unterwerfen. Lasst uns die Konventionen der Gaming-Welt sprengen und macht es wie ich: Bei Bloodborne habe ich mir einfach eine über 100-jährige Verliererin mit einer unbrechbar verfluchten Herkunft und zu großen Hosenträgern generiert.

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Bloodborne

Mit dieser selbst gebastelten Spielfigur schlage ich erstmals eine Richtung der Selbstdefinition ein, in die unsere generisch verkommene Welt der Gaming-Helden sehr selten geht. Erstens habe ich eine Frau gewählt, was an sich nicht wirklich progressiv ist, aber sie hat trotz ihrer doppelten X-Chromosen keine Bikinirüstung oder Giganto-Brüste, die beim Anschauen schon Rückenschmerzen verursachen. Bei GTAV-Online bin ich auch ein Mädchen, aber ich hatte wohl schon immer bisschen Angst in mich verunsichernde Diskussionen über Gender-Identitäten verwickelt zu werden. Jetzt ist endlich klar, ich bin eine Omi gefangen im Körper eines Mannes!

Zweitens gefällt mir der Gedanke, eine überdurchschnittlich alte Person als Helden zu haben. Natürlich geht das dem Wunsch entgegen eine Spielfigur mit mächtigen und Gegnern überlegenen Eigenschaften zu haben, aber es verleiht dafür der Narration einen ordentlichen Batzen an gefühlter Intensität und Spannung—wie es sonst vielleicht nur Binding of Isaac schafft, in dem man ein nacktes, missbrauchtes Kleinkind spielt, dass seine Tränen der Verzweiflung auf Kacke-Monster schießt.

Drittens muss ich wie viele bald kotzen, wenn mir ein weiterer dunkelhaariger, weißer Cornetto-Mann mit Dreitagebart und tiefer Stimme als Protagonist vorgesetzt wird, wie es schließlich um den einheitlichsten gemeinsamen Verkaufsnenner zu treffen schon tausend Millionen gibt. Wenn ich noch eine einzige scheiß Hugh Jackman-Variation sehe, stelle ich mich in ein nicht ordentlich programmiertes Eck von Bloodborne und begehe mit einem Glitch Suizid!

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Alleine dass mein Wunsch nach einer ethnisch ambivalenten Omakriegerin erfüllt werden KANN, halte ich Bloodborne sehr zugute. Hidetaka Miyazaki hat mit diesem—im Moment noch—PS4-Exklusivtitel gute Arbeit geleistet, aber wer hätte auch etwas anderes erwartet nach Demon's Soul und Dark Souls. Er hat einfach noch mal das Gleiche gemacht, nur dieses Mal kann man keine Schilder verwenden. Ja, Spiele können auch fucking schwer sein und das ist prinzipiell gut so.

Interessant ist die Hintergrundgeschichte von Miyazaki—also nicht der liebe weißbärtige, sondern der unheilige Studiopräsident, der anstatt knubbeligen Ghibli-Zeichtrickfiguren, Dämonen und Monster aus den gottlosesten Ritzen der Hölle erschaffen hat. Der Typ hat nämlich als unmotivierter Programmierer und Zahlenaffe angefangen. Als er von einem dahinsiechenden RPG-Projekt namens Demon's Soul gehört hat, wurde ihm klar, dass er mit diesem Rohrkrepierer wirklich ALLES machen könnte, was er will. Die Narrenfreiheit führte zur Geburt eines der spielmechanisch wichtigsten Games der letzten 10 Jahre.

Der konzeptionelle Nachfahre Bloodborne ist ein Muss für alle Fans des „Fuck, ich werde diesen Endgegner niemals besiegen und die Lernkurve des ganzen Spiels ähnelt der, eines Zungenbrechers bei Schlaganfallpatienten"-Genres. Ich bin nicht voll überzeugt vom Spielkonzept, da Bloodborne ja eigentlich schon öfter genau so da gewesen ist und ganz objektiv betrachtet ein kaputtes Spiel ist—so wie Miyazakis Erstlingswerke. Aber ein bisschen Gänsehaut bei der Leichenfledderei in Erwartung auf Beute ist nicht auszuschließen.

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Nehmt euch eine Woche—oder sieben—Zeit und durchforscht die unendlichen Chalice Dungeons nach einer euch befriedigenden Keule oder ein sagenumwobenes doppelseitiges Schwert. Ich treibe meine stark betagte Lady mit dem Ponytail noch ein bisschen durch die Unterwelten und hoffe auf einen Drop einer Insulinspritze oder Blutdruckmedizin. Sonst ist die Entscheidung tot zu bleiben auch komplett legitim.

Josef Zorn vergibt 2 von 5 altersschwachen Thumbs Up, da auch noch so neuwertige Spielmechaniken einen Bart bekommen können.

Publisher: SCE Japan Studio
Platform: PS460 VICE

Borderlands: The Handsome Collection

Raiden, upleveln, respawnen—das klingt nicht nur wie etwas, das vor 50 Jahren noch als Symptome einer Geisteskrankheit durchgegangen wäre, sondern auch nach dem perfekten Rezept für ein richtig schönes Game-Gemetzel. Ehrlich gesagt weiß ich auch nicht, warum mir die Zutaten der Borderlands: The Handsome Collection am Ende dann aber doch nicht gereicht haben.

Screenshot von 2K Games

Vielleicht liegt es daran, dass die Comic-Grafik trotz aller Lobhudelei der Ästhetikfraktion weit weg vom Appeal eines XIII ist. Oder daran, dass das endlose Misstrauen der Gaming-Industrie in die Fähigkeiten von uns Usern nirgendwo so deutlich wird, wie in Spielen, die mit jedem Level-up exponentiell langweiliger werden. Oder daran, dass ich die Idee vom neuen Wilden Westen im Weltall gern anders und irgendwie intensiver erlebt hätte, als über diese Cowboy-mäßige Shopping-Spree, bei der man vor lauter Konsumtriggern mit dem Aufsammeln von Munition, Geld, Fähigkeiten gar nicht mehr nachkommt. Oder es ist einfach eine Mischung aus allen diesen Elementen.

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Dass Borderlands 2 mit dem Intro startet und gleich anschließend beim Starten eines neuen Spiels dasselbe Intro ohne Skip-Funktion gleich noch mal abspult, hat da nicht unbedingt geholfen. Die Cutscenes sind formschön, der schwarzumrandete Look makellos, die Stimmung in der galaktischen Pampa zum Einrahmen. Eh nett, aber einfach zu wurscht. So wie schon XIII ist auch Borderlands nicht die Zukunft. Dafür stellt es aber zwei gute Fragen: „Wer braucht hier draußen schon Gründe?" und: „Warum erfinden wir nicht ein Wort, das sich auf Orange reimt?"

Markus Lust vergibt 3 von 5 Cyborg-Clint-Eastwoods für das Style-Experiment.

Publisher: 2K Games
Plattform: PlayStation 4, Xbox One

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