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„Wir sind nicht alleine. In Wahrheit sind wir die Hälfte der Bevölkerung.“

Wir waren auf der FPÖ-Demonstration in Floridsdorf.

Alle Fotos von der Autorin.

Wenn man gestern aus der U-Bahn-Station Floridsdorf kommt, stehen links zirka 500 Menschen, die sich versammelt haben, um gegen die angekündigte Großdemonstration der FPÖ zu protestieren. Biegt man rechts ab, kommt man zur Veranstaltung der FPÖ. Laut Polizei stehen hier zirka 450 Menschen, laut Heinz-Christian Strache 1500. In einem Interview mit Oe24 sagt er, das hätten ihm offizielle Polizeistellen gesagt. Was noch offizieller sein soll als der Pressesprecher, weiß ich nicht.

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Während ich zwischen ihnen stehe und zuhöre, wie sie über die SPÖ sprechen, schreien, spucken, frage ich mich, ob sie auch hier stehen würden, wenn sie das wüssten. Die Redner, unter ihnen Johann Gudenus und Heinz-Christian Strache, sprechen von islamischem Faschismus, Schmarotzern und Benachteiligung von Österreichern. Immer wieder werden Aussagen als Fakten verkauft, die, würde ich sie glauben, auch mich wütend machen würden.

In Krankenhäusern würden Ausländer vorgereiht. Ausländer bekämen mehr Geld als Inländer. Die Mindestsicherung in Wien sei so hoch, dass Asylwerber gar nicht nach Arbeit suchen müssten. „Die bekommen mehr als jeder Wiener," sagt Dominik Nepp, Bezirksparteiobmann der FPÖ Döbling. Und der Krieg in Syrien, das sei gar kein tatsächlicher Krieg, so Wolfgang Irschik, FP-Bezirksparteiobmann aus Floridsdorf, außerdem könnten wir ja nichts dafür. Die Menschen um mich herum schütteln die Köpfe, sagen, wie schlimm das alles sei. Häupl muss weg, einen Orbán bräuchten wir. Wissen sie, was ein Orbán für Österreich bedeuten würde?

Kurz geht es um Kreisky. Vor mir steht eine Frau, in der rechten Hand eine Zigarette, mit der sie immer wieder in der Luft herumfuchtelt und wiederholt ruft: „A Juuud. Der Kreisky woa a Jud!" Einige Menschen in ihrem Umfeld lachen über sie. „Des woa wirklich a Jud", sagt sie und blickt sich um. Ein paar nicken, um sie ruhig zu stellen.

Ich wechsle immer wieder den Platz, an dem ich stehe. Einmal stehen zwei sehr betrunkene Demonstranten vor mir. Einer von ihnen schreit immer wieder, die Menschen vor ihm sagen, er soll ein bisschen leiser sein. In seiner rechten Hand hält er eine Packung Feuerzeuge, die er immer wieder in die Luft streckt. Mal ballt er sie zur Faust, dann macht er den Kühnengruß, ein Peace-Zeichen und einmal den Hitlergruß. Das fällt ihm nach wenigen Sekunden auf und er zieht die Hand zurück, nur um sie dann wieder zum Kühnengruß in die Luft zu heben.

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Rechts neben mir steht währenddessen eine Frau, die sehr schick angezogen ist. Mit ihrem Begleiter spricht sie von Faschisten und Diktatur, als es von der Bühne herunter über Gendern und Ehe für alle geht. Irgendwann meinen die beiden, einen Gegendemonstranten in der Menge auszumachen. Die Frau geht zur Polizei und meldet ihn. Sie kommt zurück und lacht gehässig. Der Mann lobt sie. Als ich frage, ob das ein Gegendemonstrant gewesen sei, sagt sie, sie wisse es nicht, aber sicher sei sicher.

Gegen Ende, bei der Rede von Parteiobmann Strache, stehen zwei Männer hinter mir, die bei jedem Wort Straches zustimmend grölen. Strache spricht von Syrern. Er nennt es sehr wohl Krieg und betont auch, dass viele dort Schlimmes erfahren hätten. Strache spricht aber gleichzeitig davon, wie unsere Vorfahren nicht geflohen sind und davon, wie wir, müssten wir fliehen, nie Frauen und Kinder im Krieg zurücklassen würden. Der Mann hinter mir sagt: „Do kummans, de Oaschlecha. Krippeln. Suin si hamdran."

Ein Mann kommt zu mir und fragt, ob ich eine Petition unterzeichnen möchte. „Was ist das?", frage ich. „Ausnahmsweise mal was GEGEN Ausländer," sagt er. Ich lehne dankend ab.

Die Menschen hier sind wütend. Sie fühlen sich benachteiligt, fragen sich, weshalb Flüchtlinge in Krankenhäusern aufgenommen werden sollen, wo sie selbst keinen Platz bekommen. Ich frage mich währenddessen, ob sich irgendjemand hier für Fakten interessiert. Vermutlich nicht. Was passieren würde, wenn dort oben die Gesundheitsministerin stünde und sagen würde, dass das nicht stimmt. Vermutlich würden sie ihr kein Wort glauben.

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Nicht die FPÖ spalte, vielmehr würde Rot-Grün die Gesellschaft spalten, weil Häupl sage, Ausländer sollen Einheimischen besser gestellt werden. Dann ruft Strache auf, am Sonntag wählen zu gehen. „Wir sind nicht alleine. In Wahrheit sind wir die Hälfte der Bevölkerung."

Nach der Kundgebung beginnt es langsam zu regnen und ein Großteil der Anwesenden geht nach Hause. Ein junger Mann erkennt mich und kommt zu mir: „Polen habt ihr schon verloren, die Slowakei habt ihr schon verloren und Österreich werdet ihr auch verlieren," sagt er. „Wer sind wir?"—„Die Linken. Aber bald wird ein anderer Wind wehen. Wirst sehen." Ein anderer zeigt mir seine Fahne, auf der Ratko Mladić zu sehen ist. Ich frage ihn, weshalb er diese Fahne mit sich trägt. Er geht nicht darauf ein und sagt, ich solle einmal nachdenken, dann würde ich schon auf ihre Seite wechseln. „Das glaube ich nicht", antworte ich. „Warum?"—„Ihr habt so viel Neid und Hass in euch."—„Das ist Liebe. Liebe zur Heimat."

Neben uns stehen unterdessen einige Männer, die in Richtung der Gegendemonstranten brüllen. Sie zeigen Mittelfinger und Kühnengrüße. Kurz darauf werden drei von ihnen festgenommen.

Hanna auf Twitter: @HHumorlos.