Popkultur

Der diesjährige Bachelor ist der schrecklichste Bachelor

Hinter Niko Grieserts einfühlsamer TV-Fassade verbirgt sich das gleiche anstrengende Verhalten seiner Vorgänger.
Der Bachelor Niko in seinem Strickpulli ist der schrecklichste Bachelor
Foto: TVNOW / René Lohse

Immer trägt er Strickpullis. Allein das ist schon unerträglich. Aber dann kokettiert er auch noch mit aufgesetzter Schüchternheit – zieht dafür die Ärmel bis an die Fingerspitzen und seine Nase kraus. All das, um sich seinem Gegenüber sympathischer zu machen. Man würde gerne sagen, dass die Strategie dieses Strickpullimanns nicht aufgeht. Jedoch scheint Deutschland genau auf ihn gewartet zu haben: Niko Griesert, "Der Bachelor" 2021. "Echt nett" sei er, sagt eine meiner Freundinnen. "Der sagt einfach immer das Richtige. Der ist irgendwie anders als die anderen davor." Auch Der Spiegel bezeichnete ihn zu Beginn der 11. Staffel als nett und selbstreflektiert. Nach dem Finale am Mittwoch hinkt diese Behauptung. Denn ein Bachelor, der sich mit Durchschnittlichkeit Sympathiepunkte holt, ist viel schlimmer als einer, der sein unangenehmes männliches Anspruchsdenken wenigstens nicht versteckt. 

Anzeige

Niko Griesert ist 30 Jahre alt und lebt in Osnabrück. Seine Outfits sind immer eine Mischung aus Käpt'n Iglo und FinTech-Start-Up-Gründer. Nachdem der Bachelor aus dem vergangenen Jahr aus Trotz die Frauen reihenweise rausschmiss, die ihn nicht küssen wollten, lagen die Erwartungen entsprechend tief. Doch jetzt loben wir einen Typen in den Himmel, der aussieht, als würde er die Frage nach seiner Lieblingsmusik mit "eigentlich alles" beantworten – nur weil er auf den ersten Blick ganz nett scheint. Und das zeigt die absolute Durchschnittlichkeit, die wir von Männern erwarten. Wie eine menschgewordene Tinderbio der Sorte "Ich mag Reisen, Netflix und gutes Essen. Zu Vino sag ich nie no" fliegt er im Helikopter, knutscht vor der Ladies-Villa oder sitzt zusammengekauert auf einer unbequemen Sitzmöglichkeit, die RTL aufgebaut hat. An Langweiligkeit ist er nicht mehr zu übertreffen. 


VICE-Video: Warum es noch keine Pille für den Mann gibt


Man könnte jetzt einwerfen, dass das doch eine sehr oberflächliche Kritik sei. Dabei wäre es viel oberflächlicher, sich von Nikos stromlinienförmiger Langweilerdarstellung blenden zu lassen.

In der letzten Episode wird klar, dass hinter dem lauwarmen Charakter dieselbe männliche Selbstverständlichkeit schlummert wie in all seinen Vorgängern. Wie ich darauf komme? Lass mich dir die letzte Episode spoilern, falls du sie noch nicht gesehen hast.

Anzeige

Das Staffelfinale beginnt mit einer Vorschau. Einem Zusammenschnitt aus Clips, die den Bachelor in verschiedenen Situationen der Verzweiflung zeigen. "Ey Leute, das wird krass", läutet Niko die letzte Folge ein. Damit hat er recht. Im Finale stehen Mimi und Stephie, die im Laufe der Staffel zu guten Freundinnen geworden sind. Direkt am Anfang erklärt Niko einer Person hinter der Kamera, dass er seine Entscheidung bereue, in der Folge davor Michèle nach Hause geschickt zu haben. Er habe sie so sehr vermisst, dass er ihr geschrieben hat. Sie würden sich treffen, erzählt er weiter, und heulen die ganze Zeit. Bilder davon sehen wir nicht.

"Ich kann mich ja selbst nicht anlügen. Ich weiß ja, was ich hier drin fühle", sagt Niko weiter und trifft dann erstmal die erste Finalistin: Mimi. Die beiden haben ein Übernachtungsdate, welches Niko nicht so sehr von Mimi überzeugt, dass er Michèle vergessen könnte. Er ruft sie an und bittet sie um eine zweite Chance. Am Telefon schluchzt sie und will ihn auch "unbedingt" noch mal sehen. Ein Drittel der Episode ist schon vorüber, als er sich das erste Mal an die zweite Finalistin erinnert. Er fährt ins Hotel zu einer nichtsahnenden Stephie und sagt ihr, dass sie eine Kopf- und keine Herzentscheidung gewesen sei. Dann bleibt er ihr gegenüber sitzen, bis sie ihm lange genug ein gutes Gefühl gegeben hat und sich dazu bereit erklärt, ihn zu umarmen. Darauf folgt das Date mit der Wiedereinsteigerin Michèle.

Am Tag danach heult Michèle im Hotelflur und erklärt in die Kamera, dass sie es diesmal nicht so einfach wegstecken könne, würde sie wieder abgewiesen werden. Aber gibt Strickpulli-Niko ihr schließlich die letzte Rose? Nein. Die geht letztendlich doch an Mimi. Michèle muss eine zweite Zurückweisung hinnehmen. Und damit wäre nicht nur der absolute Reality-TV-Höhepunkt erreicht, sondern auch der Höhepunkt der männlichen Selbstgerechtigkeit des sehr "netten und selbstreflektierten" Bachelors.

Klar, es soll dramatisch sein. Und der Teil von mir, der einfach nur unterhalten werden will, ist mehr als zufrieden. Aber wenn mir ein Bachelor als "Nice Guy" verkauft wird, nur weil er die Kandidatinnen nicht zum Knutschen nötigt, dann müssen wir über die Anforderungen nachdenken, die wir an Männer haben. Nur weil Niko manchmal etwas Kluges sagt und sehr betroffen schaut, wenn er einer Frau das Herz bricht, deutet das noch lange nicht auf selbstreflektiertes Verhalten hin. Auch für ihn sind die Frauen austauschbar. Auch sein Anspruchsdenken macht vor nichts Halt. Jeder Wunsch nach einem sympathischen Bachelor ist naiv, denn eine Show wie diese lebt leider von einer männlichen Anspruchshaltung. Das heißt jedoch nicht, dass man die Show nicht schauen sollte. Jemanden nicht zu mögen, macht auch Spaß. Denn trotz dieses Gefühlschaos gibt es eine Frau, die sich nicht komplett verarscht fühlt. Und die bin ich. Danke für das Drama. Diese Zeit mit dir war sehr besonders, Niko. Trotzdem bin ich froh, dass es jetzt vorbei ist.

Folge VICE auf FacebookInstagramYouTube und Snapchat.