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„Der Mann muss die Frau zum Ding herabsetzen“

Ein österreichischer Politiker glaubt, dass Frauen gerne von „wildgewordenen" Penissen überfallen werden. Wir haben ihm ein paar Fragen gestellt.

Antwort von Wilfried Grießer.

Ab 2016 soll in Österreich sexuelle Belästigung strenger geahndet werden. Der bisher nicht vorhandene Tatbestand der „Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung" erklärt bereits Sex ohne Zustimmung als Vergewaltigung—und nicht mehr „erst" dann, wenn explizit Gewalt im Spiel war. Mit der Reform können nun auch Handlungen bestraft werden, die bis dato erlaubt sind. Männer, die Frauen auf den Po greifen, ohne dass die Frau das will („Pograpschparagraf" 218 StGB) und Männer, die mit Frauen ohne deren Zustimmung Sex haben (Paragraf 205a StGB), sollen ab dem kommenden Jahr mit Geldbußen oder Haft bestraft werden.

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Dass mit dieser Änderung nicht jeder etwas anfangen kann, hat Marcus Franz vom Team Stronach bereits eindrucksvoll gezeigt. Doch wenn man denkt, es würde nicht ärger gehen und Aussagen könnten nicht absurder werden als: „Ob der Popsch hält, was der Blick verspricht. Das erfahren zu wollen wird nun bestraft. Cui bono??", dann hat man nicht mit der FPÖ gerechnet. Denn auch unter den Freiheitlichen gibt es, nicht wirklich überraschend, Leute, die die Sexualstrafrechtsreform nur bedingt gutheißen. Heinz-Christian Strache ist einer von ihnen. Im April empfahl er in der ORF-Pressestunde Frauen, die von sexuellen Übergriffen betroffen sind, einfach klar und deutlich zu sagen, dass „man das nicht wünscht. Und dann hat man in der Regel auch seine Ruhe."

Ein weiterer Gegner der Reform ist Wilfried Grießer, Philosoph, Lehrbeauftragter und Listenplatz 19 bei den Mödlinger Gemeinderatswahlen dieses Jahr. In seiner Stellungnahme zum Strafrechtsänderungsgesetz finden sich so viele Stellen, die unglaublich klingen, dass wir nachgefragt haben, wie er sie wirklich meint. Die Antworten waren mindestens genau so schlimm. Das Interview wurde schriftlich geführt und die alte Rechtschreibung, die Grießer gerne verwendet, haben wir so gelassen, weil wir den Willen zum Althergebrachten eigentlich passend fanden.

Stelle 1: Die Ehe ist ein Vertrag zum wechselseitigen Gebrauch der Geschlechtsor­gane

Auszug aus der Stellungnahme

VICE: Weshalb kann das Einverständnis zum Geschlechtsakt während der Ehe nie völlig außer Kraft gesetzt werden soll? Wird die Ehefrau zu Sex gezwungen, ist das strafbar. Würden Sie das rückgängig machen?
Wilfried Grießer: Ehe ist—etwa bei Kant—geradezu als Geschlechtsgemeinschaft definiert. Man sagt ja auch „die Ehe vollziehen", wenn man den Vollzug des Geschlechtsaktes meint. Verweigert ein Partner den Geschlechtsakt grundsätzlich und permanent, so besteht die Ehe eigentlich nur noch auf dem Papier. Daraus folgt umgekehrt, daß die Ehe eben ein zeitlich überdauerndes grundsätzliches Ja beider Partner zum Geschlechtsakt impliziert. Das heißt natürlich nicht, daß jeder jederzeit „bereit" sein muß.

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Soll ein „Nein" während der Ehe erlaubt sein?
Natürlich ist ein „Nein" möglich. Was mir nur sauer aufstößt ist, daß eine bestehende Ehe nach dem Gesetzesentwurf (§ 33 StGB) hinkünftig in jedem Fall als Straferschwerungsgrund gilt, obwohl eine Ehe ja nachgerade auf Geschlechtlichkeit angelegt ist. Das ist das Skandalon aus meiner Sicht! Ich denke auch, daß eine Frau, selbst wenn sie die Scheidung will, immer noch lieber (unfreiwillig) von ihrem Noch-Partner penetriert werden möchte als von einem wildfremden Mann (der dann möglicherweise HIV-positiv ist o.ä.).

Stelle 2: Frauen lieben wildgewordene Penisse und gewaltfreie Sexualität ist unsexy

Auszug aus der Stellungnahme

VICE: Weshalb muss der Mann die Frau zum Ding bzw. zur Ware herabsetzen? Wie verhilft ihm das beim Generieren der Libido?
Wilfried Grießer: Was die Rede vom Ding betrifft, habe ich Hegels ,Phänomenologie des Geistes' im Hintergrund—das Ich als Ding und das Ding als Ich ist hier ein zentraler Topos. Mit ,Ding' assoziiere ich die Wirklichkeit und Weltlichkeit der Frau, die als dieser Körper existiert und gerade nicht „heilig" ist, um in Wahrheit aus der Vorstellung voneinander gar nicht herausgetreten zu sein. Die politische Sprache hingegen tendiert zur erbaulichen Vorstellung.

Woher wissen Sie, dass eine Frau zustimmt, von einem „,wildgewordenen' Penis überfallen zu werden, wenn Sie nicht fragen möchten, weil dadurch der Reiz verloren geht?
Wogegen ich anschreibe, ist eine Hochsprache der Sexualität, die in Wahrheit eine Säkularisierung ehedem klerikaler Zugänge darstellt. (Man schimpft zum Beispiel auf die römisch-katholische Kirche, überbietet diese aber in der Keuschheit.) Sexualität ist immer spontan, lebt immer auch von „Überfällen" in einem freilich „spielerischen" Sinn, auf der Basis grundgelegten Vertrauens ineinander. Wiederum ist das eigentliche Skandalon, daß auch in aufrechter Ehe hinterher eine Unfreiwilligkeit zum Zeitpunkt t behauptet werden kann und dies sogar strafverschärfend ist. Also muß „mann" auch in aufrechter Ehe jederzeit formelle Zustimmungen einholen („Willst du tatsächlich?" „Willst du immer noch?" …), um sozusagen rechtlich auf der sicheren Seite zu sein. Das aber ist der Tod lustvoller Sexualität.

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Was genau ist ein „wildgewordener" Penis?
Erhellt das nicht von selbst? Ein Phallus natürlich, der drauf und dran ist, zum (wie immer näher gearteten) sexuellen Akt schreiten zu wollen, also über die Frau (spielerisch) „herfallen" zu wollen …
Ganz im Gegensatz zum sterilen politischen Körper, dem es zusehends gleichgültig ist, „Mann" oder „Frau" zu sein (der also die Geschlechtsorgane abgespalten hat), bestimmen die Geschlechtsorgane zugleich Seinsweisen des Mannes beziehungsweise der Frau.

Stelle 3: Kriminalität entsteht, wenn der Mann nicht Mann sein kann.

Auszug aus der Stellungnahme

VICE: Fürchten Sie eine Depressionswelle, wenn der sogenannte „Pograpschparagraf" durchgesetzt wird? Darf durch den Paragrafen der „Mann nicht mehr Mann sein"?
Wilfried Grießer: Depression gründet im Verlust von Weltlichkeit und Gestaltungsmöglichkeit. So, wie durch Überregulierung vieles an unternehmerischer Initiative verhindert wird, wird auch die Sexualität durch politische Vorstellungen, Sprachnormen usw. gehemmt. Paragraf 205a macht dabei das „Kraut nicht fett"—es ist die Summe derartiger Paragrafen beziehungsweise der Geist dahinter, der lähmt.

Eine letzte Frage, die alles Vorherige aufwirft:

VICE: Wie unterscheiden sich Männer und Frauen in ihrer Sexualität und in dem, was sie reizt?
Wilfried Grießer: Männliche und weibliche Sexualität unterscheiden sich schon anatomisch—der Mann muß eindringen und erobern, die Frau will aufnehmen und den Mann in sich „festhalten". Die Frau kontinuiert ihre Mutter (so wie sie geboren wurde, gebiert sodann sie), der Mann hingegen muß bei der Penetration den umgekehrten Weg seiner Geburt beschreiten. Dem Mann droht immer der Weltverlust, an das Haus gebunden zu werden, und die Lösung liegt darin, daß die Frau eben „Ding" ist und Weltlichkeit hat. Der Feminismus ermuntert die Frauen zur Weltlichkeit, aber er drängt zugleich die Männer aus der Welt hinaus, und unbestimmte Formulierungen wie die des Paragrafen 205a sowie des Paragrafen 218 StGB (selbst der Bundespräsident hatte präzisere Formulierungen eingefordert!) stellen noch das sexuelle Spiel in den Horizont politischer Hochsprache …

Erklärt Hanna auf Twitter, was mit der Welt passiert ist: @hhumorlos