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Der totalitäre Buddhist, der Sim City geschlagen hat

BrainMay | flickr | by CC 2.0

Ich bin zwar Engländer, aber als ich zwölf war, lebte ich in North Carolina und ging auf eine Schule mitten in der Stadt, die so ähnlich war wie die in The Wire. Ich erinnere mich nur an zwei Sachen aus dieser Zeit.

Erstens: einer der Typen aus meiner Klasse wurde mitten in Sozialkunde verhaftet (Ich habe ihn nie wiedergesehen) und zweitens: Technologie-Kurse, die daraus bestanden, dass wir zu zweit am Computer saßen und das Original Sim City gespielt haben—vermutlich um uns eine Stunde am Tag davon abzuhalten, uns gegenseitig in die Fresse zu schlagen. Das war das erste Mal, dass ich Sim City gespielt habe. Später hatte ich dann meinen ersten Rechner mit Sim City 2000. Ich habe eine Woche lang damit rumgespielt, bevor ich gemerkt habe, dass ich lieber Nazis in Spear of Destiny abknalle, anstatt undankbare vier Quadratkilometer Abwasserkanal für stumme Bürger zu verlegen.

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Nicht so Vincent Ocasla. Dieser Typ hat vier Jahre damit verbracht, sich in Gleichungen und Millimeterpapier zu suhlen, um eine totalitäre Sim City-Höllenlandschaft namens Magnasanti zu errichten, eine Bevölkerung von sechs Millionen anzusammeln und ein bisher unschlagbares Spiel zu schlagen. Schau dir das hier an und hab Angst:

Ich habe dieses überwältigende Video im Internet gefunden und brauchte etwa ein Monat, um Vincent bei Facebook zu finden. Er ist ein 22-jähriger Architekturstudent der auf den Philippinen lebt und nachdem ich herausfand, dass er ein ganz normaler Typ ist und nicht Krang aus Teenage Mutant Ninja Turtle, habe ich mich ein bisschen besser gefühlt. Vice: Ich glaube, die natürliche Reaktion auf dein Video ist Ehrfurcht—gefolgt von Angst.
Vincent: Da stimme ich zu. Das war Teil des Sinnes dieses Videos—zumindest für alle, die das Spiel kennen, spielen und lieben.

Ich will nicht davon ausgehen, dass du keinen Spaß dabei hattest Magnasanti zu entwickeln und zu bauen, aber mit deinem Ansatz bei Sim City scheinst du es nicht mehr wirklich als Spiel zu sehen.
Für mich ist Sim City 3000 mehr als nur ein Spiel. Es hat sich dazu entwickelt, ein Werkzeug oder ein Medium künstlerischen Selbstausdrucks zu sein. Während die meisten Spiele heute sich darauf konzentrieren, Sachen zu zerstören oder andere Spieler zu töten, erlaubt Sim City dir die Freiheit etwas zu schaffen und auszudrücken. Viele Leute sagen, "Oh, es ist nur ein Spiel!" Aber sie täuschen sich.

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Koyaanisqatsi von Godfrey Reggio scheint eine große Inspiration gewesen zu sein.
Das war er—ich habe den Film 2006 zum ersten Mal gesehen. Der Film zeigt die Welt, wie ich sie noch nie vorher gesehen habe und das hat mich gefesselt. Solche Momente bringen mich dazu, die Weiterentwicklung meiner Gedanken physisch auszudrücken und es ist eben so passiert, dass ich das mit Sim City 3000 gemacht habe.

Ich hätte wahrscheinlich etwas Ähnliches mit einer Serie von Gemälden oder grässlichen Architekturmodellen machen können—eine Darstellung der furchtbaren Reglementierung und Brutalität unserer Gesellschaft. Es wäre aber einfach nicht dasselbe gewesen wie im Spiel, weil ich die unglaublich kranken Ambitionen von extrem ich-bezogenen Diktatoren, den herrschenden Eliten und praktisch wahnsinnigen Architekten, Stadtplanern und Sozialingenieuren vergrößern wollte.

Ich habe hier ein Zitat aus einem deiner Facebook-Status-Updates: "Der ökonomische Sklave realisiert niemals, dass er sich in einem Käfig befindet und sich immer wieder und wieder um sich selbst dreht zusammen mit Millionen von anderen." Denkst du nicht, dass so das Leben der Bewohner von Magnasanti zusammengefasst wird?
Genau. Technisch betrachtet kommt niemand jemals in die Stadt oder kann sie verlassen. Das Bevölkerungswachstum stagniert. Sims müssen keine langen Strecken zurücklegen, weil ihr Arbeitsplatz in Gehweite liegt. Eigentlich müssen sie noch nicht mal ihren eigenen Block verlassen. Egal wo sie hingehen, es ist überall der gleiche Platz.

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Krass.
Es gibt noch viele andere Probleme in der Stadt, versteckt hinter der Illusion von Ordnung und Größe: Erstickende Luftverschmutzung, hohe Arbeitslosigkeit, keine Feuerwehr, Schule oder Krankenhäuser, ein reglementierter Lebensstil—das ist der Preis, den ein Sim zahlen muss um in dieser Stadt mit der höchsten Einwohnerzahl überhaupt zu leben.

Es ist ein krankes, verbittertes Ziel, nach dem sie streben. Das Ironische ist, dass die Sims in Magnasanti das tolerieren. Sie rebellieren und revoltieren nicht oder schaffen soziales Chaos. Keiner denkt darüber nach, mit seinem Körper gegen dieses System zu kämpfen, da sie alle ein unglaublich effizienter Polizeistaat in Schach hält.

Ihnen wurde erfolgreich aller Anspruch genommen—sie haben eine schlechte Gesundheit, sind versklavt und ihre Gedanken sind gerade gut genug kontrolliert, um dieses System für tausende von Jahren bestehen zu lassen. 50.000 Jahre, um genau zu sein. Sie sind in Raum und Zeit gefangen.

Warum hat es anderthalb Jahre gedauert, nur um die Theorie hinter Magnasanti zu kreieren?
Als ich anfing die Stadt zu planen, war ich auch noch mit der Konstruktion weiterer Großstädte beschäftigt, die das Meiste der Theorie Magnasantis lieferten. Neue Wege waren noch nicht betretbar, bevor ich meine Ideen mithilfe von Experimenten bestätigt wusste.

Mit jedem neuen Experiment mussten Notizen gemacht werden, und gleichzeitig neue Experimente ausgearbeitet werden, um herauszufinden, ob es vielleicht noch bessere Wege gibt, etwaige Probleme zu lösen. Neue Städte zu bauen und In-Game Experimente durchzuführen, um die gewünschten Ergebnisse zu erhalten braucht Zeit. Zudem hatte ich noch andere Dinge zu tun und habe nur in meiner Freizeit daran gearbeitet. Es war also eher eine allmähliche Entwicklung und nicht etwas, an dem ich 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr gearbeitet hätte.

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Du sagst Magnasantis Design basiert auf dem Bhavacakra—dem Rad von Leben und Tod im Buddhismus. Bist du praktizierender Buddhist?
Ehemaliger Buddhist. Das Rad des Lebens, auch bekannt als das Rad der Zeit oder das Rad der Historie, findet sich in vielen Religionen, Philosophien und Kulturen, die zyklische Vorstellungen von Zeit haben und die Zeit als das Bestehen von Jahren sehen, die sich selbst immer nur wiederholen. Ich bin im Besonderen fasziniert von angstmachender Geometrie. Die Symmetrie der Stadt benutzt eine modifizierte Version des Symbols, um die düstere Absicht zu zeigen, alle Einwohner bis in alle Ewigkeit zu versklaven. Aber—mal in Anbetracht meiner eigenen Meinung—empfinde ich mich persönlich als einen Freidenker.

Spielst du außer Sim City noch irgendwelche anderen Spiele? Ich hasse die Vorstellung davon, was du mit einer Die Sims-Familie anstellen würdest.
In meiner Schulzeit habe ich noch andere Spiele gezockt. Zum Beispiel Populous, Age of Empires und ein paar MMORPGs, wie Galactic Conquest. Bei Die Sims hat mir das Unterdrücken auch Spaß gemacht—auch wenn die Sims irgendwann geisteskrank wurden und nach ein paar Minuten unter meiner Herrschaft einen schrecklichen Tod starben.

Laut den Statistiken zu Magnasanti, ist keiner der Einwohner älter als 50 geworden.
In Anbetracht des allumfassenden Hauptprojekts war die Gesundheit der Sims nicht gerade die vorrangige Angelegenheit. Ich hätte die Gesundheitsvorsorge um einiges verbessern können, was die Lebenserwartung steigen hätte lassen. Aus praktischen Gründen hab ich es dann aber doch gelassen. Es zeigt, dass jemand, wenn er sich zu sehr auf nur eine Sache konzentriert, plötzlich andere wichtige Dinge außer Acht lässt und dazu neigt, diese für die große Sache zu opfern. Ähnlich wie in der Wirklichkeit sehen wir die Maximierung des Profits als absolutes Ziel an, wir bedenken nicht die Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesellschaft.

Willst du noch irgendwas hinzufügen?
Falls sich jemand fragt: Ich bin weder autistisch oder ein Genie, noch habe ich eine Zwangsneurose oder irgendeine andere Form von Geistesgestörtheit oder Krankheit, was das betrifft.

Okay, Danke.