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Drogen

Die Polizei hat deine Cannabis-Pflanze im Wohnzimmer gefunden. Was jetzt?

Eine Cannbispflanze kann locker mehr als 7,5 Gramm THC enthalten. Das heißt, bei einer Strafe könntest du auf dem besten Weg in die U-Haft sein.
cannabispflanze am fenster

Bild: imago / blickwinkel

"Guten Morgen. Uns liegen Hinweise vor, dass Sie illegale Betäubungsmittel anbauen. Wir würden uns gerne mal bei Ihnen umsehen." Ein Adrenalin-Kick, auf den die meisten Grower gerne verzichten würden. Allein 2014 bedeutete das für über 5.000 Grasbauern das vorläufige Ende ihrer heimlichen Gärtner-Karriere. 95 Prozent davon waren kleine Fische, die ihr Weed zum Eigenbedarf angebaut hatten.

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Oft erzählen die Erwischten den ermittelnden Beamten noch Einzelheiten, um sich und die Pflänzchen in ein etwas besseres Licht zu rücken. Das geht regelmäßig nach hinten los, denn was auf den ersten Eindruck entlastend scheint, kann vor Gericht schnell zum Bumerang werden. "Das sind doch nur zehn Pflanzen, die wir zu viert als WG anbauen." In einigen Gegenden Deutschlands wirft dann der Staatsanwalt der Vierer-WG schnell mal ein bandenmäßigen Vorgehen vor. Banden haben bei der Justiz, speziell im Betäubungsmittelrecht, schlechte Karten. Auch ein langes Brotmesser in der Nähe des Growschranks wird schnell zur Waffe, die einen bewaffneten Drogenhandel oder zumindest den bewaffneten Anbau nahelegt.

Zwar ist der private Anbau von Cannabis in der ganzen EU noch strafbar, doch Deutschland ist im Verfolgen kleiner Grower Europameister. Nach den USA wurden 2015 in Deutschland die meisten Indoor-Pflanzen weltweit beschlagnahmt, womit wir noch weit vor klassischen Indoor-Gras-Nationen wie den Niederlanden oder Kanada liegen. Doch diese Länder verfolgen den Anbau für den eigenen Bedarf kaum, während in Deutschland wegen ein paar Gramm Gras schon mal Wohnungen durchsucht und zeitgleich Badeseen mit Tauchern abgesucht werden. Anders als in den meisten EU-Ländern ist hier sogar der Besitz der Samen seit 1998 illegal.

Cannabis im Zimmer: Schadensbegrenzung

Kleine Hanf-Züchtende (um die es hier ausdrücklich geht) haben vor ihrem Zucht-GAU meist weder Erfahrung mit der Polizei noch Kontakt zur kriminellen Szene oder verfügen über einen Anwalt auf Abruf. Drogenfahnder sind außerdem gute Zuhörer und in der Stresssituation einer Hausdurchsuchung können unbedachte Worte zum besten Argument der Staatsanwaltschaft werden. In vielen Teilen der Republik droht für ein paar Pflänzchen schnell ein 24-stündiger Gewahrsam oder schlimmstenfalls U-Haft und eine Haftstrafe. Wer vorab keinen Rechtsvertreter beauftragt hat, wird sich in der Zelle gedulden müssen. Das Beschlagnahmeprotokoll muss nicht unterschrieben werden, mit der Unterschrift erklärt man lediglich Zustimmung, rechtmäßig beschlagnahmt sind die Utensilien auch ohne Signatur. Um spätere Missverständnisse vorzubeugen, hat jede/r Beschuldigte das Recht, eine Person als Zeuge zur Hausdurchsuchung hinzuziehen.

Wer meint, im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen durch genauere Angaben zur Konsumhäufigkeit punkten zu können, sollte die führerschein-rechtlichen Konsequenzen im Auge haben. Ein regelmäßiger, hoher Eigenkonsum wird vor Gericht oft als Argument gegen den Vorwurf des Handels bemüht und wirkt so strafmildernd, ist bei der Führerscheinstelle aber kontraproduktiv. Nicht wenige Grower, die vor Gericht relativ milde bestraft wurden, waren aufgrund der gleichen Argumentationskette die Fahrerlaubnis los, obwohl sie nie bekifft gefahren sind. Dealer haben es da besser, denn wer wegen Handel und Anbau verurteilt wird, wird zwar härter bestraft, darf den Führerschein aber dafür fast immer behalten. Auch hier kann ein Anwalt am zuverlässigsten entscheiden, wie vorzugehen ist. Spontane Aussagen während der Hausdurchsuchung helfen jedenfalls nicht.

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Es gibt keine "geringe Menge" Cannabispflanzen

Selbst eine Balkonpflanze der Gattung Cannabi kann mehr als 7,5 Gramm THC enthalten und ist demnach keine "geringe Menge" mehr. Deshalb werden Verfahren wegen Cannabis-Anbau, anders als der Besitz kleiner Mengen, sehr selten wegen Geringfügigkeit eingestellt. Die Polizei unterscheidet lediglich zwischen Hobby- (unter 100 Pflanzen), Halbprofi- (bis zu 1000), und Profi-Plantagen (über 1.000 Pflanzen). Selbst der kleinstmögliche Indoor-Grow mit drei oder vier Pflanzen wirft nach zehn oder elf Wochen hundert bis hundertfünfzig Gramm Gras ab, was derzeit schwerlich als Eigenbedarf durchgeht. Denn dank moderner Filtertechnik und Schalldämpfern bleiben die meisten Mini-Gewächshäuser unentdeckt. Sollte es doch anders kommen, begrenzt man den ohnehin entstandenen Schaden, indem

  • man Ruhe bewahrt, freundlich zu den Beamten ist und nichts Unüberlegtes tut. Das ganze Gras passt sowieso nicht ins Klo,
  • man keine Aussagen zum Grow oder dem persönlichen Konsum macht,
  • man vorher eine Blanko-Vollmacht beim Anwalt des Vertrauens hinterlegt hat,
  • der Polizei nur Zutritt gewährt wird, wenn sie über einen Durchsuchungsbeschluss verfügt,
  • nichts in der Nähe des Grows oder Grases legt, was vor Gericht als Waffe gelten könnte,
  • der Beschlagnahmung nicht zugestimmt wird. Das hilft nicht, kann aber eventuell später beim Wiedererlangen beschlagnahmter Gegenstände eine Rolle spielen, und
  • man einen Zeugen zur Hausdurchsuchung hinzuzieht.

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Tarnen, Täuschen und Verstecken

Viele der enttarnten Gärtner haben vor dem Polizei-Besuch Dummheiten begangen. Zum Beispiel nicht auf den intensiven Grasgeruch aufgepasst, der erst die Nachbarn und dann die Polizei auf das illegale Treiben aufmerksam macht. Auch der Wasserschaden der falsch installierten oder defekten Automatik-Bewässerung hatte schon so manchen Feuerwehr-, und anschließenden Polizeieinsatz zur Folge. Falsche Freunde oder nachtragende (Ex)-Partner nutzen so einen halben Quadratmeter Straftat auch gerne mal zur Erpressung oder, um Neid, Rachegelüste sowie andere, niedere Emotionen zu befriedigen. Obwohl der Anbau von ein paar Pflanzen nicht mehr Strom als ein PC-Turm verbraucht, gibt es auch immer wieder Grower, die Strom aus dem Treppenhaus oder dem Keller klauen oder gar den Zähler manipulieren und so Ermittler auf den Plan rufen. Ein Gramm Gras, das mit bezahltem Öko-Strom angebaut wird, kostet ein Bruchteil des Schwarzmarktpreises— Stromklau kostet so manchen Grower die gesamte Ernte und manchmal auch die Freiheit.

Es kommt auch regelmäßig vor, dass einfache Beamte wegen Beziehungsstreitigkeiten oder Partylärm gerufen werden. Stehen sie einmal unvermutet in der Wohnung, liegt es nahe, nach dem Inhalt der seltsamen Box zu fragen. Selbst im Falle eines Wohnungseinbruchs überlegt sich so manch Heimgärtner zweimal, ob er die Polizei hinzuzieht.

Bremen macht vor, wie ein erster Schritt in Richtung Normalisierung aussehen könnte: Man muss aufhören, kleine Grower mit denen, die Weed aus Profitgründen anbauen, in einen Topf zu werfen. Das gibt die derzeitige Gesetzeslage aufgrund der aktuellen Rechtsprechung zur "Nicht geringen Menge" von 7,5 Gramm THC kaum her.