​Deso Dogg: Erinnerungen an ein Treffen mit einem, der Terrorist wurde

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​Deso Dogg: Erinnerungen an ein Treffen mit einem, der Terrorist wurde

Mit Totenschädeln in der Hand endlich auf der Terrorliste der CIA: Für Deso Dogg ging der Traum in Erfüllung. Gedanken zu einer ziemlich einzigartigen deutschen Rapper-Karriere.

Das ist nicht unser erster Artikel zum deutschen Rapper Denis Cuspert aka Deso Dogg: wir haben seinen Weg von Deutschland nach Syrien nachgezeichnet, die Kollegen von Noisey haben seine Musik analysiert und wir haben darüber berichtet, dass er auf eine US-Spionin reingefallen ist und sie geheiratet hat.

Am 9. Februar 2015 war es dann also soweit. Abu Talha al-Almani (aka Deso Dogg, aka Abou Maleeq, gebürtig Denis Cuspert) beispiellose Karriere wird von den Behörden der USA offiziell zur Kenntnis genommen: der 39-jährige deutsche Staatsbürger gilt für sie ab sofort als „globaler Terrorist" . Sein Einsatz für die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat brachte dem gebürtigen Berliner diesen äußerst fragwürdigen Titel ein. Wie bedingungslos loyal er gegenüber dem tyrannischen Regime der schwarzen Flagge zu sein scheint, soll auch ein Video vom November 2014 belegen—Cuspert soll darin angeblich stolzerfüllt den abgetrennten Schädel eines IS-Gegners in die Kamera halten. Soweit bekannt.

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Vor ziemlich genau vier Jahren bin ich diesem Typ zum ersten und letzten Mal begegnet. Mitten in Berlin, Mitten in Kreuzberg. Inmitten der Gesellschaft Deutschlands waren wir für ein TV-Interview zum Thema Islamismus im Deutsch-Rap verabredet. Ein neutrales Cafe in vertrautem Umfeld. Zur Begrüßung ein gewöhnlicher Handshake. Dort, wo unter seinem rechten Auge mal eine schwarze Träne in die Haut gestochen war, ließ sich nur noch eine Narbe erkennen. Das letzte immerzu sichtbare Überbleibsel aus vergangenen Bling-Bling-Tagen, unmöglich es ganz zu beseitigen.

Ein kleines Flakon bekam ich direkt von ihm überreicht. Den Deckel des orientalisch anmutenden Glasfläschchens schraubte ich ab, die Flüssigkeit, deren Geruch zu meiner Nase aufstieg, roch unglaublich intensiv. „Das ist Rosenöl für die Hände", folgte eine knappe Erklärung. „Ein Geschenk für dich, man muss immer schenken!", lachte mich Cuspert so freundlich wie ein barmherziger Samariter an und ich bin mir heute nicht mehr ganz sicher, ob der Satz von ihm mit „Bruder" oder „mein Freund" endete. Von seinen muslimischen Brüdern und Schwestern sprach er später noch häufiger. Seine Religion diktierte ihm in diesen Tagen schon stramm das eigene Leben. Ich scherzte, dass ich in seinen Augen ein Ungläubiger sein müsse. Dann lachten wir beide.

Vorgestellt hat er sich damals als Abou Maleeq, der Terrorist Abu Talha al-Almani war namentlich zu dieser Zeit genau wie ISIS noch kein Thema. Denis Cuspert schien er allerdings schon länger begraben zu haben und alles was mit Deso Dogg irgendwie zu tun hatte, wurde von dem früheren Gangsta-Rapper als „Harām" totgeredet. Rap, so könnte man seine Worte von einst zusammenfassen, fickte sein Leben hart—aus heutiger Sicht muss ergänzt werden: auch das derer, gegen die der Salafist Abu Talha al-Almani in den Dschihad zog. Dass das alles natürlich viel zu simpel ist und einer persönlichen Bankrotterklärung des eigenen Fehlvermögens gleichkommt, weil es Cuspert irgendwann offenbar nicht mehr gelingen wollte, sein eigenes Handeln wirklich zu reflektieren, war ihm nicht beizubringen. Höchstwahrscheinlich wollte er auch nichts von einem wie mir erklärt bekommen.

„Scham, Ethik und die Menschlichkeit versuche ich zu vermitteln", meinte er. Rückblickend wirkt solch ein Satz wie ein brutaler Schlag in die Fresse. Und auch damals schon war da dieses quälende Gefühl während des Interviews, von vorne bis hinten verarscht und angelogen zu werden. „Bist du ein Salafist?", fragte ich ihn ganz direkt. „Welche Gefahr geht von dir aus?", wollte ich wissen. Nicht eine einsilbige Antwort gab es auf solche und ähnliche Fragen, nur ein Grinsen und Schweigen hatte er zu erwidern. Gleich wie ein geschulter Nazi war im sehr wohl bewusst, was er alles in Deutschland von sich geben konnte ohne direkt Stress mit einer Behörde zu bekommen. Die Gewissheit, die richtige Spur verfolgt zu haben, aber dabei an der Nase rumgeführt worden zu sein, bestätigte jede neue Meldung über Denis Cuspert, die ich in den letzten Monaten las. Hätte irgendjemand Anfang 2011, als der Verfassungsschutz den Ex-Rapper bereits im Visier hatte, nicht schon absehen können, wo die Reise hingeht? Cuspert ist schon länger verloren, was muss man in Deutschland spätestens nun daraus lernen? Besser auf einen Xavier Naidoo aufpassen, um präventiv vor der Radikalisierung eines anderen „Popstars" zu schützen?

Kurz bevor sich Abou Maleeqs und mein Weg trennten, entdeckte er einen alten Krummsäbel in einer Vitrine nahe der Theke. Daran erinnere ich mich wieder. Und wie begeistert er damit rumgefuchtelt hat. Seine Einladung noch einen Döner mit ihm im „Orient Eck" am Kotti zu essen schlug ich ohne zu zögern aus.