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Im Gespräch mit der Frau hinter dem wunderschönen Lesben-Instagram-Account Herstory

"Inzwischen bin ich auch schon fast süchtig danach, nach Lesbenfotos Ausschau zu halten oder etwas über die Lesbenkultur zu lesen."

Die San Francisco Pride 1978 | Foto: bereitgestellt vom Leslie Lohman Museum of Gay and Lesbian Art

Die Geschichte von lesbischen Frauen wurde in der Vergangenheit oft eher unter den Teppich gekehrt. Aufgrund der Stigmatisierung von Homosexualität sahen sich Lesben quasi dazu gezwungen, weder über ihre sexuelle Orientierung noch über die damit verbundenen Erfahrungen zu reden. Deswegen wissen viele Menschen—egal ob nun lesbisch oder nicht—nur wenig über die paar Filme, Bücher und TV-Sendungen über Lesben—und noch weniger zu den Frauen dahinter.

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2016 stehen nun zwar deutlich mehr Lesben zu ihrer Sexualität, aber das bedeutet trotzdem nicht, dass sie deswegen in der Öffentlichkeit irgendwie präsenter sind. Die Gesellschaft neigt einfach dazu, homosexuelle Frauen zu ignorieren. Und genau das will der Instagram-Account Herstory nun ändern.

In dem von der Fotoredakteurin Kelly Rakowksi kuratierten Profil sind fast täglich neue ikonische Archivfotos mit lesbischem Bezug zu sehen. So findet man dort neben Schwarz-Weiß-Bildern von Frauenpärchen bei einer Demo für Homosexuellenrechte auch sehr maskulin daherkommende Pressefotos der Twilight-Darstellerin Kristen Stewart.

Wir wollten mehr darüber herausfinden, warum es so wichtig ist, die Geschichte der Lesben zu beleuchten. Aus diesem Grund haben wir uns mit Rakowski über ihr visuelles Spezialgebiet unterhalten. Dabei hat sie uns auch verraten, wo sie die oftmals witzigen Fotos findet, die auf Herstory gepostet werden.

VICE: Hey Kelly. Wie hat das Ganze mit Herstory denn überhaupt angefangen?
Kelly Rakowski: Da steckten anfangs eigentlich keine großartigen Überlegungen dahinter. Ich war eines Tages einfach im Internet unterwegs und stieß dabei auf ein digitales Fotoarchiv namens "Lesbian Herstory Archives". Die Bilder haben mich richtig inspiriert und ich wollte sie deswegen mit meinen Freunden teilen. So ist dann der Instagram-Account entstanden.

Warum gerade Instagram?
Ich folgte einem Account, der damals noch "Butch History" hieß (inzwischen wurde er in @theunsungheroines umbenannt) und sich vor allem auf Sportlerinnen konzentriert. Das Ganze wird von Molly Schiot verwaltet und mir gefällt einfach, wie dort einer klaren Linie gefolgt wird. Außerdem bin ich der Meinung, dass Instagram die beste Plattform ist, um historische Lesbenbilder für so viele Menschen wie nur möglich zugänglich zu machen. Ich meine, dort kann ich den lieben langen Tag posten … Meistens recherchiere ich zuerst ein wenig und lade die Bilder dann hoch, wenn ich gerade Zeit habe—beim Mittagessen, in der U-Bahn oder wenn ich in einer Bar auf eine Freundin warte.

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Was genau machst du bei deinem eigentlichen Beruf? Du stellst Recherchen über Bilder an, richtig?
Ja, ich arbeite als Fotoredakteurin für ein Design- und Architekturmagazin. Außerdem entwerfe ich noch Mode. Für beides muss ich mich mit unglaublich vielen Bildern auseinandersetzen. Das Ganze ist meine absolute Leidenschaft und ich bin überzeugt davon, dass Fotoarchive extrem wichtig sind, weil sie unser Leben, unsere Arbeit und unseren Fortschritt dokumentieren.

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Nach welchen Kriterien entscheidest du dann, was du postest?
Am wichtigsten ist auf jeden Fall, dass das Foto etwas hermacht und sofort ins Auge springt. Mein Ziel ist es außerdem, nur Inhalte zu wirklich aussagekräftigen und "strengen" Lesben zu posten—soll heißen: keine Bilder von irgendwelchen süßen Mädels, die nur Händchen halten. Ich stehe total auf Bilder, die eine Botschaft vermitteln, zum Beispiel durch T-Shirt-Aufdrucke oder Protestschilder. Außerdem ist es mir wichtig, ein breites Spektrum von sehr politischen Bildern bis hin zur Promikultur abzudecken. Die sozialen Medien sollten nicht zu akademisch daherkommen und deswegen will ich meinen Account eher witzig und interessant gestalten.

Am besten gefallen mir derzeit die Kontaktanzeigen des Lesben-Sexmagazins On Our Backs aus den späten 80ern und frühen 90ern, in denen zwar auch nach Liebe, aber meisten nur nach Sex gesucht wird. Diese Anzeigen sind total anrüchig und gleichzeitig witzig. Man kann vor seinem geistigen Auge richtig sehen, wer hinter der jeweiligen Anzeige steckt und auf was Wert gelegt wird. Aber auch der "Do you have a steady boyfriend?"-Ausschnitt aus dem Jodie-Foster-Interview ist einer meiner persönlichen Favoriten, weil er einfach so viel über unsere patriarchalische Gesellschaft aussagt. Ich meine, es wird ja quasi schon fast von einem erwartet, heterosexuell zu sein. Und was soll diese Frage denn überhaupt? Ich liebe den Gesichtsausdruck, den Jodie Foster in diesem Moment macht.

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Wie sind die Reaktionen auf den Account bisher ausgefallen? Verstehen die Leute deine Botschaft?
Die Reaktionen sind überwältigend positiv. Ich glaube, dass es den Leuten gefällt, Bilder von sich und ihrer Kultur anzuschauen. Außerdem hat doch jeder irgendwie ein Faible für alte Fotos, oder? Dazu ist das Ganze noch informativ. Man sollte sich als homosexueller Mensch mit seiner Geschichte, seiner Herkunft und auch mit den Problemen der Vergangenheit auseinandersetzen. Im Grunde ist mein Account so etwas wie eine Hommage an unsere lesbischen Wegbereiterinnen, von denen wir wirklich unglaublich viel lernen können.

Hast du selbst was gelernt?
Ich bin ja weder Frauenforschungs- oder Gender-Forschungs-Archivarin noch Professorin und ich hatte in Bezug auf die Lesbenkultur natürlich selbst noch einige Wissenslücken. Ich bin total wissbegierig und werde von Freunden und Freundinnen auch immer wieder auf Bücher, Filme und Personen hingewiesen, über die ich mich informieren und die ich bei Herstory präsentieren soll. Inzwischen bin ich auch schon fast süchtig danach, nach Lesbenfotos Ausschau zu halten oder etwas über die Lesbenkultur zu lesen. Außerdem weiß ich jetzt, wie schwer es ist, ordentliche Bilder zu finden. Es gibt einfach viel mehr Fotos von schwulen Männern. Dieser Umstand spornt mich auch immer wieder dazu an, Bilder aus der wirklichen Lesbenkultur zu teilen, um diese so sichtbar und damit quasi auch unsterblich zu machen.

Gibt es für dich eine Lesben-Ikone, von der jeder mal gehört haben sollte?
Audre Lorde! Ich kann ihr Buch Zami. Eine Mythobiographie wirklich nur empfehlen, denn es ist zum einen richtig persönlich, gibt zum anderen aber auch tiefe Einblicke in eine bestimmte New Yorker Ära und in das Leben als schwarze Lesbe in den 50er und frühen 60er Jahren. Die vielen kleinen Details machen dieses Buch so unglaublich wertvoll—die ganzen Anmerkungen zur Kleidung, zum Essen, zu den Jobs, zur Bildung, zu den Bars, zu den Büchern, zu den Wohnungen, zu den Stadtteilen und zu den verschiedenen schwarzen und weißen Lesbengruppen. Das Buch ist einfach unfassbar gut und ich wünschte, dass man es verfilmen würde.