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Sex

Wie es ist, lesbisch zu sein und als Prostituierte zu arbeiten

Aurelia liebt Frauen, nur Frauen. Warum sie trotzdem Sex mit Männern hat—und damit sogar ihren Lebensunterhalt verdient.

Alle Fotos: Autorin

Mein Name ist Aurelia, ich bin 19 Jahre alt und arbeite als Prostituierte. Auch genannt Hostess, das klingt ein wenig besser. Im Grunde genommen ist das kein anderer Job als der eines Friseurs oder Kellners. Ich bin im Dienstleistungssektor—auch wenn es sich dabei um eine ziemlich verpönte Sache handelt. Denn was ich meinen Kunden anbiete, ist mein Körper.

Jedoch bin ich keine herkömmliche Hure, denn ich begleite meine Kunden auf Wunsch auch zu verschiedenen Events, in den Urlaub oder verbringe so Zeit mit ihnen, auch ohne sexuelle Aktivitäten. Wie sagte mir jemand so schön: „Eine Prostituierte wird nicht für Sex bezahlt. Sie wird dafür bezahlt, dass sie dir deine Fantasie erfüllt und hinterher ohne Probleme aus deinem Leben verschwindet."

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In meiner Kindheit musste ich sexuelle Gewalt erfahren und habe damit vielleicht eine grundlegend andere Einstellung zu meinem Körper und sexuellen Dingen erlangt. Das mag auch der Grund dafür sein, dass Tabuthemen wie Prostitution für mich nie etwas Außergewöhnliches oder Verachtenswertes hatten.

Was mich von vielen anderen Frauen, die diesem Beruf nachgehen, unterscheidet: Ich sehe mich selbst als lesbisch. Und schlafe trotzdem mit Männern. Nicht nur weil es der Job von mir verlangt, sondern auch, weil es mir Spaß macht. Das widerspricht meiner sexuellen Neigung nicht zwingend und es ist auch nicht so, dass ich Männer nicht attraktiv finde. James Dornan gefällt mir zum Beispiel unglaublich gut. Wenn ich ihn ansehe, steigt mein Puls jedoch nicht. Von Frauen fühle ich mich auch emotional angezogen, bei Männern geht es nur um das Körperliche.

Viele fragen mich immer wieder: „Aurelia, du bist dann doch aber bisexuell, oder?" Ich beantworte dies mit einem klaren Nein. Klar finde ich Männer attraktiv und ja, ich kann auch mit ihnen schlafen. Jedoch erregen mich ausschließlich Frauen auf intensive Weise. Nur für Frauen kann ich Empathie und Liebe empfinden. Wenn ich mal für einen Mann etwas wirklich Intensives empfinde, dann eher in negativer Hinsicht. Es ist mir unmöglich, mich in einen Mann zu verlieben, deswegen bezeichne ich mich als absolut lesbisches Mädchen.

Dass ich lesbisch bin, weiß ich seit meinem neunten Lebensjahr. Ich hatte mich in meine Babysitterin verliebt und ihr ein Bild von Uhren gemalt. Darunter stand „Ich liebe dich". An mehr kann ich mich nicht erinnern. Mein Coming-out kam allerdings erst einige Jahre später. Meine Eltern trennten sich, als ich noch in der Grundschule war. Mal wohnte ich bei meiner Mutter, dann, als sie eine Therapie machte, bei meinem Vater. Mit 13, als ich gerade wieder bei meiner Mutter lebte, zerbrach meine erste „Beziehung". Auch wenn wir uns nicht einmal geküsst haben, waren wir zusammen. Als sie mich verließ, war ich bei meiner Mutter. Mein Herz war gebrochen und ich konnte meine Tränen nicht halten. Als sie fragte, was los sei, erfuhr sie zum ersten Mal von meiner Homosexualität. Sie akzeptierte es und war für mich da. Auch wenn sie erst dachte, dass es nur eine Phase sei. Mein Vater ahnte es aber auch schon und ich schätze, meine Mutter hat es ihm gesagt. Er wollte nur, dass ich meiner kurdischen Familie nichts sage. Mein Coming-out war also recht unkompliziert.

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Seit meiner Kindheit habe ich die Fantasie gehabt, mit einem Mann zu schlafen, obwohl ich Frauen liebe. Diese Fantasie habe ich jahrelang mit Pornos gestillt. Im Herbst letzten Jahres trennte ich mich von meiner langjährigen Partnerin und mir erschien der Zeitpunkt richtig, zum ersten Mal Sex mit einem Mann zu haben. Es war ungewohnt, Sex ohne jegliche Emotionen zu haben und dadurch auch irgendwie enttäuschend. Trotzdem befand ich mich an einem Punkt in meinem Leben, an dem ich einfach mal etwas anderes ausprobieren wollte. Ich lernte meine Sexpartner übers Internet kennen, besuchte Swinger-Clubs und stieß durch meine Online-Aktivitäten schließlich auf Foren, in denen man seine sexuellen Dienste gegen Geld anbieten konnte. Irgendwie bin ich da so reingerutscht.

Als meine Ex-Freundin das erfuhr, brach es ihr das Herz. Wir waren erst seit wenigen Wochen getrennt und es war ziemlich hart. Wir waren ein Herz und eine Seele, ein bisschen wie Marshall und Lily ausHow I Met Your Mother. Es fällt ihr immer noch schwer zu verstehen, warum ich meinen Körper verkaufe (und dann auch noch an Männer!), aber sie akzeptiert es mittlerweile. Im Gegensatz zu meinem Vater und meiner engsten Freundin, die beide nichts mehr mit mir zu tun haben wollen. Insgesamt gesehen bin ich aber ganz gut weggekommen damit. Ich bringe schon mein Leben lang Opfer, um mein Leben so leben zu können, wie ich es möchte. Ich will nicht mehr lügen und mich verstellen müssen, um das scheinheilige Weltbild anderer nicht kaputt zu machen.

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Mittlerweile bin ich eigentlich rund um die Uhr für meine Kunden über WhatsApp und Mail zu erreichen. Auf meinem Lieblingsportal legt jede Frau ein Profil mit Informationen über ihre Figur, Fotos, einem persönlichen Profiltext und ihren Kontaktdaten an. Natürlich steht dort auch, welche Dienste sie anbietet. Meine Palette ist ziemlich groß und reicht von „Natursekt", über „Französisch ohne" bis hin zu „GF6", also „Girlfriendsex". Extreme haben mich schon immer gereizt. Ich bekomme jeden Tag die verschiedensten Anfragen. Ob Fetisch oder ganz normaler Sex, es ist alles dabei. Einer meiner Stammkunden steht besonders auf Analverkehr. Wenn er etwas Neues ausprobieren will, meldet er sich vorher telefonisch. Bevor er kommt, räume ich besonders gründlich auf. Ich mag ihn und will, dass er sich wohlfühlt.

Wie fühlt es sich wirklich an, mit einer Prostituierten Sex zu haben?

Die meisten meiner Kunden sind Männer. Selten gibt es auch Paare oder noch seltener Frauen. Dazu habe ich eine nette kleine Geschichte: Vor wenigen Monaten meldete sich ein Mann bei mir, der mich dafür bezahlen wollte, dass ich seine Frau abschleppe. Wir trafen uns in einer Bar, ich fuhr mit zu ihnen und ich bereitete seiner Frau ein paar unvergessliche Stunden. Er wollte sich bewusst eher im Hintergrund halten, damit seine Frau endlich ihre bisexuelle Seite ausleben kann. Das ist übrigens etwas, das häufiger vorkommt. Frauen, die gerne experimentieren würden oder einfach mal eine Frau spüren wollen, sich jedoch nicht trauen, eigeninitiativ jemanden anzusprechen. Da komme ich dann ins Spiel.

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Solche Situationen sind für mich sexuell ein ziemlicher Glücksfall. Ich kann zwar mit einem Mann schlafen und dabei auch Spaß haben, trotzdem ist es oft Arbeit und erregt mich nicht so sehr, wie mit einer Frau zu schlafen. Wenn ich wirklich guten und leidenschaftlichen Sex habe, dann ist das wie das Lied „Firework" von Katy Perry. Einfach sensationell. Meine Gefühle sind dabei eine Mischung aus purer Leidenschaft, Geilheit, Liebe und Zuneigung. Ich will jeden Atemzug meiner Partnerin spüren, möchte ihre Lippen berühren und mich fallen lassen.

Wenn ich mit einem fremden Mann schlafe, fühle ich diese Verbindung nicht. Der Sex mit Männern ist viel monotoner und nüchterner. Wir tun es und er geht anschließend wieder. Was mir auch wichtig ist: kein Kuscheln. Der Gedanke daran, dass sich ein Kerl an mich kuschelt und an mir klebt, lässt mich schreiend wegrennen. Bei Frauen hingegen bin ich hoffnungslos romantisch. Für meine Ex-Freundin habe ich mal ein 300 Seiten starkes Buch geschrieben, in dem auf jeder Seite ein Grund stand, warum ich sie liebte. Wenn ich mir sowas von einem Mann vorstelle, könnte ich mich übergeben, so kitschig finde ich das. Viele behaupten immer, dass Frauen zwischen Sex und Liebe nur schlecht trennen können. Ich kann es sogar zwischen zwei Geschlechtern trennen.

Motherboard: Der erste Drohnen-Porno der Welt ist ein unbemanntes Meisterwerk.

Seitdem meine Beziehung im vergangenen Jahr in die Brüche gegangen ist, hat sich mein Leben ziemlich verändert. Ich habe regelmäßig Sex mit Menschen, auf die ich eigentlich gar nicht stehe. Manche Kunden wissen das und buchen mich nur aus diesem Grund. Wann hat man auch sonst mal die Chance, Sex mit einer Frau zu haben, die sich selbst als homosexuell sieht? Sie wollen wissen, ob der Sex mit einer Lesbe anders ist—und ja, irgendwie ist er das. Ich bin weder schüchtern noch gehemmt, weil es mir egal ist, was sie über mich oder meinen Körper denken. Das ist wohl der Vorteil, wenn man nichts für Männer empfindet.

Die einzigen drei Frauen in meinem Leben, die ich gerade über alles liebe, sind übrigens meine Mutter, Taylor Swift und Katy Perry. Verrückt, ich weiß. Doch wer mit fremden Männern schlafen kann und doch eigentlich nur Frauen liebt, muss wohl einen kleinen Knacks haben.