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Die Binz ist wieder besetzt – trotz Tränengas und Gummischrot

Die Polizei versuchte die Besetzer zu Beginn mit Gummischrot zurückzudrängen. Trotzdem steigt über das Wochenende eine grosse Binz-Party.
Foto von: Evan Ruetsch

Foto: Evan Ruetsch

Wohnraum in Zürich ist teuer und kreativer Freiraum verdammt rar. Bis vor gut zwei Jahren gehörte das Binz-Areal—eine der grössten Besetzungen Europas—zu den letzten Festungen der unkommerziellen Kreativität in unserer Limmatstadt. Damals wurde das Gelände friedlich geräumt, um auf dem Areal Wohnungen für Angestellte des Uni-Spitals und Studenten zu bauen. Passiert ist seither nichts.

Vor der Räumung stieg eine grosse Party-Demo unter dem Motto „Too Binz To Fail". Die mit Bass- und Raketen-Mobilen ausgestattete Demo schlug über die Stränge, was vor allem die Fenster von Bank- und Versicherungsfilialen und zwei Coop-Filialen zu spüren bekamen. Die Räumung konnte die Demo so natürlich nicht verhindern—leider. Damals schrieben wir: „Zürich verlor am Freitagmorgen mehr als ein Refugium für Kreative und Andersdenkende; die Stadt verlor durch ihren krankhaften Aufwertungsfetisch ein unersetzbares Stück Zürcher Kulturgeschichte."

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Seit Freitagabend ist dieses Stück Kulturgeschichte wieder zurück. Zumindest für ein paar Tage. Das brach liegende Binz-Areal ist nämlich wieder besetzt! Gegen 18:00 Uhr versammelten sich in der Nähe des Areals um die 100 Leute aus der Besetzer-Szene. Sie wollen laut einem Communiqué die Brache über das Wochenende wieder beleben und dort für drei Tage dank „unkommerziellen und selbstorganisierten Aktionen abseits teurer oder institutionalisierter Kulturangebote einen Treffpunkt für alle interessierten Menschen dieser Stadt schaffen". Mit Vorträgen und Konzerten kündigen die Besetzer an, ein Denkmal zu schaffen.

Binz bleibt Binz — Roman Rey (@derrey)17. Juli 2015

Die Polizei hatte diesbezüglich andere Ansichten und rückte mit einem Grossaufgebot aus. Sie setzte Tränengas und Gummischrot gegen die vermummten Besetzer ein, angeblich weil diese den Verkehr gestört und eine Polizei-Patrouille bedrängt hätten. Sechs der dank SMS-Mobilisierung auf über hundert Besetzer angewachsenen Gruppe wurden zur Identitätsfeststellung auf die Polizeiwache mitgenommen. Zwei davon übergab die Polizei schliesslich wegen „Gewalt und Drohung gegen Beamte" an die Staatsanwaltschaft. Gegen die anderen vier wurde wegen „Nichtbefolgen einer polizeilichen Anordnung" rapportiert.

Party in der binz — Johannes Dietschi (@JDietschi)17. Juli 2015

Obwohl die Polizei im Verlauf des Abends sogar Wasserwerfer auffuhr, hat sie sich gegen 22:00 Uhr weitgehend zurückgezogen. Die Besetzer zogen auf das Binz-Areal und errichteten dort alles, was eine angemessene Party braucht. Die mobilisierten Party-Gänger strömten auf das Areal, um dort zu feiern und den Schlusssatz des Besetzer-Communiqués tanzend zu unterstreichen—„für eine Welt, in der Solidarität mehr zählt als Selbstbereicherung." Bei der Polizei gingen im Verlauf der Nacht mehrere Dutzend Lärmklagen ein. Der Kanton Zürich, dem das Areal gehört, verlangt die sofortige Räumung.