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​Die österreichischen Bros sind das Letzte

Die Typen, die du sonst nur aus schlechten amerikanischen College-Filmen kennst, haben mit Verspätung die Alpen erreicht.
Mann mit nacktem Oberkörper, der Alkohol auf einer Party austeilt
Jamie Lee Curtis Taete

Foto von Jamie Lee Curtis Taete

Nachdem wir hier schon für euch analysiert haben, welche Typen Wien kaputt machen, richten wir unsere Aufmerksamkeit nun auf eine neue Art von Arschloch, die—wie so oft ein bisschen spät—nun auch Wien erreicht hat: Den Bro(lo).

Vor zwei Tagen habe ich mich aus Langeweile zum erneuten Mal auf Tinder angemeldet. Nicht, dass ich mir erwartet hätte, dort annähernd okaye Männer anzutreffen, aber das, worauf ich gestoßen bin, habe ich bis jetzt für eine Erfindung von Sendungen wie Saturday Night Fever und eine Art urbanen Mythos des Wiener Nachtlebens gehalten.

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Wie immer hat Österreich ein bisschen länger gebraucht, aber die alpenländischen Abkömmlinge des amerikanischen Bros haben unsere Gesellschaft endgültig erreicht, erfolgreich infiltriert. Früher hätte man diese Typen verallgemeinernd als „Prolo" bezeichnet, aber der „Bro" ist eigentlich eine völlig neue Gattung.

Jeder von uns kennt diesen ganz bestimmten Typ Mann, der sich manchmal im Eingang täuscht, statt im Vie I Pee in der Pratersauna landet und dann auch noch denkt, er und seine Kumpels, die sich gerade noch beim Vorglühen gegenseitig die Rückenhaare ausgezupft haben, wären der unerfüllte Traum der gesamten Frauenwelt. Zumindest denken diese Typen das bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie am Weg in den Club aus dem Fenster ihres Taxis kotzen (was ebenfalls ein essentieller Teil ihrer Kultur ist).

Überall, wo die Bros hinkommen, stehen sie im Mittelpunkt. Nicht, weil ihre Ohrstecker so wunderschön funkeln oder sie mit ihrer Mischung aus Ignoranz, Lautstärke und Bullying eine so interessante Aura versprühen. Nein, sie stehen im Mittelpunkt, weil sie es wollen—weil ihnen die Welt gehört und weil das das einzige ist, was für sie zählt. Zumindest, wenn man ihrem inspirierenden Brust-Tattoo glauben darf, das sie mit ihrem Shirt gekonnt in Szene setzen.

Die Bros feiern ihre eigene Existenz mit jedem Atemzug. Und der Rest der Welt inhaliert mit jedem Atemzug die Wolke aus Axe-Playboy-Edition-Deo, die sie umgibt. Die Bros denken, dass sie mit ihrer vollkommenen Einfältigkeit einmal in die Geschichte eingehen werden und sind mittlerweile selbst so sehr davon überzeugt, dass ihnen nicht einmal mehr auffällt, dass sie sich die meiste Zeit wie Vollidioten verhalten.

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Diese Menschen sind Vertreter einer ganz spezifischen, neuen Art von Arschloch, die sich erst in den letzten Jahren so richtig entfalten konnte. Es sind diese Typen mit den Rosenkränzen um den Hals, deren Tanktops an den Ärmeln viel zu weit ausgeschnitten sind, die sich eingeölt an den Beckenrand vom Schönbrunner Bad setzen und der wohl einzige Grund dafür sind, warum Robin Schulz überhaupt kommerziell erfolgreich ist.

Ein Foto von einem amerikanischen Bro, das Jamie Lee Curtis Taete gemacht hat.

Und ich spreche übrigens nicht von Dingen wie „sozialem Status" oder Einkommen, sondern vom Auftreten, Gehabe und Lifestyle dieser Typen. Die Bros sind reich und sie zelebrieren es, indem sie den Konsum zu ihrem Lebensmittelpunkt machen. Sie essen permanent—und zwar egal was—, sie besitzen mehr Hollister-Kapuzenwesten als es Menschen auf unserem Planeten gibt und sie kaufen nur glitzernde Marken-Shirts, die sie nach der Flatrate-Party zum Waschen, Trocknen und Bügeln ihrer Mama bringen.

Sie kaufen einmal im Monat Vodka-Flaschen in Clubs, einfach nur, weil sie es können. Dicht sind sie ohnehin von Anfang an, denn das Saufen haben sie schließlich bis zur Perfektion „kultiviert" und das Vorglühen ist ihr Wochen-Highlight. Ein echter Bro lebt nicht in Maßen, sondern in vollen Zügen, wobei diese Züge im besten Fall aus Vodka Bull bestehen. Ganz nach dem Vorbild der Bro-Überväter Molti, Pichler und Eigi haben sie es sich zum deklarierten Ziel gemacht, möglich tiaf zu sein—und das ohne das kleinste Fünkchen Selbstreflexion oder -kritik. Sie sind die schlimmsten Menschen, denen man im Club begegnen kann—und zwar, ohne es auch nur ansatzweise zu wissen.

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Der ureingesessene Wiener Prolo, der dereinst sympathisch mit einer Ernte 23 im Mundwinkel auf der letzten Playstation-Generation FIFA gezockt und am Würstelstand ab und an auf Augenhöhe seinesgleichen verdroschen hat, muss sich also mit einer ziemlich unwürdigen Nachfolge zufrieden geben. Vom berühmten Wiener Humor verstehen die neuen Austro-Bros nichts, bei ihnen ist plump Trumpf—sowohl in persönlicher als auch zwischenmenschlicher Hinsicht. Sie sind zwar gschert, aber ohne das Charisma, den Kampfgeist oder die aufwieglerische Wut-Attitüde eines Mundl. Stattdessen sind sie wahlweise beleidigend oder selbstgefällig.

Er benutzt „schwul" und „behindert" als Schimpfwort und findet sich umso lustiger, je weniger alle anderen mitlachen.

Der Horizont des Prolo-Bros—oder Brolos—reicht gerade mal bis zur Main Stage des Tomorrowland Festivals und sein einziges Ziel ist es, möglichst oft die Pforte zum nächstgelegenen Fit Inn zu überqueren und gestählt wieder rauszukommen. Wenn man es tatsächlich schaffen sollte, einen von ihnen in halbwegs nüchternem Zustand abzupassen und mit ihm zu sprechen, merkt man schnell, was den Bro interessiert—nämlich nichts als sie selbst und maximal noch ein paar „Muschis". Für ihn sind Frauen so etwas wie Laserpointer für Katzen—und genau so viel innere Qualitäten gesteht er ihnen auch zu.

Wenn potenziell zu Umwerbende sich ihm entziehen, bezeichnet er sie wahlweise als „frigide" oder „Hure" oder in besonders kreativen Fällen auch als beides. Die schlimmste Beleidigung, die er auf Lager hat, ist ein anti-intellektueller Diss deiner Fähigkeiten oder Interessen—erst recht (aber nicht nur), wenn du hin und wieder freiwillig in ein Buch schaust oder eine Meinung zu Dingen hast, die außerhalb der Millennium City oder Nachtschicht passieren.

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Im besten Fall ist er auch noch ausländerfeindlich—auch dann, wenn er selbst nicht in Österreich geboren wurde. Besonders gut kommt das zur Geltung, wenn er (wie jeden Abend) drei bis vier Bier intus hat und sehr stolz sehr laut Witze über „Tschuschen", „Jugos" oder „IS-ler" macht—immer mit der Ausrede, dass er halt einfach politisch unkorrekt ist und redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist.

Für Sex verwendet er Ausdrücke wie „die Oide bucken" oder „ins Brunzfleisch eini sauteifeln", was man nicht nur lieber nie gehört hätte, sondern auch die Frage aufwirft, ob Menschen wie er Sex eigentlich gut finden. Und wenn es vor lauter Sexsynonymen überraschenderweise doch nicht so ganz mit dem Eroberungsfeldzug klappen sollte, ist sein Highlight der Nacht, wenn er von einem Partyfotografen gefragt wird, ob er kurz für ein Bild posieren würde—auf dem er dann natürlich mit Finger-Pistolen und je nach Uhrzeit unterschiedlich stark ausgeprägter Homoerotik (obwohl er Schwule nie in seine Wolf-Gang aufnehmen würde, eh kloa) abgebildet sein wird.

Respekt hat er eigentlich nur vor sich selbst und dem Menschen, der ihm gelegentlich den Undercut nachschneidet (wahlweise Mama oder die Shopping-Mall-Friseurin). Abgesehen von dem Gespür für die perfekte Frisur hat er aber überhaupt kein Feingefühl. Er benutzt „schwul" und „behindert" als Schimpfwort und findet sich umso lustiger, je weniger alle anderen mitlachen. Weil Empathie für ihn aber ein Begriff aus Star Trek ist und er in Gesichtern zirka genauso gut lesen kann wie in einer chinesischen Schriftrolle, verlangt er für jede Entgleisung einen Fistbump (wie ein Pferd, das für seine Tricks Würfelzucker will).

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Aber der Austro-Bro liegt auch nicht nur bei der Frauenwelt und der Auswahl seiner Schimpfwörter daneben. Auch mit anderen Männern hat er so seine Probleme—vor allem, wenn sie nicht exakt die gleiche Bräunungsstufe und denselben Geschmack in Bezug auf Tribal-T-Shirts mit Gold-Applikationen haben wie er. Wer Skinny Jeans trägt, ist ein „Homo" und jeder, der nicht auf neonfarbene Fake-Ray Bans (die der Bro selbstverständlich auch im Club trägt) steht, ein prätentiöser Hipster (auch, wenn er diese Worte wahrscheinlich noch nicht kennt und eher „gschissener Alternativer" dazu sagen würde).

Noisey: Der amerikanische Bro ist die größte Plage des Coachella Festivals

Frauen sind für die Bros Sexpuppen und übermäßige Bildung finden sie fragwürdig. Wenn man einem von ihnen auf die Frage „Und, wos hackelst?" antwortet, dass man bald seinen Master hat, lachen sie voller Verständnislosigkeit. Aus dem Konzept bringt sie das aber noch lange nicht, denn einen Augenblick später sind sie schon wieder damit beschäftigt, sich darüber zu freuen, wie perfekt sie und ihre Gang sind. Sie haben keine Ahnung von den Dingen, die um sie herum passieren, weil sie einfach zu „awesome" und „legendary" sind, um sich mit der vielen Uncoolness in der Welt rund um sie zu beschäftigen.

Aber wenn man kurz mal vergisst (und das fällt dem Bro nicht schwer), wie seine Umwelt über ihn denkt, hat der Bro ein schönes Leben. Er ist vielleicht arm an Selbstreflexion und Einfühlungsvermögen, aber dafür reich an (Selbst-)Bewusstsein, Geld, V-Neck-Shirts und was er sonst noch alles zu seinem Bro-Glück braucht. Und auch wir anderen profitieren von seinem materiellen Reichtum, denn ohne den Bro gäbe es viele schöne Dinge nicht: Zum Beispiel eine Zielgruppe für „Eat Sleep Rape Repeat"-Shirts, verspiegelte Plastikbrillen oder EDM. Und Seiten wie „Spotted: Budan", die in meiner Vorstellung nur durch Einsendungen von echten Bros am Leben erhalten werden können. Allein dafür sollten wir den Bros ein bisschen dankbar sein.

Verena auf Twitter: @verenabgnr