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Popkultur

Gendergerecht ≠ Qualitätskino

Der österreichische Film ist NICHT sexistisch, der Bechdel-Schnelltest macht keinen Sinn und Reviews der aktuellsten Kinofilme: 'Venus im Pelz', 'Escape Plan' und 'Malavita'.

Viele haben wahrscheinlich in der letzten Zeit mal abends, im Freundeskreis, im Schutze des Zigarettenrauchs und hinter geleerten Biergläsern, lauthals darüber diskutiert ob dieser von Karikaturistin Alison Bechdel entwickelte 3-Fragen-Test hinsichtlich gendergerechtem Kino kompletter Schwachsinn ist oder wir jetzt wirklich jeden Film von Bay bis Bigelow bis Polanski auf die Waagschale legen sollten.

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Gibt es im Film mehr als eine Frauenfigur (bevorzugt mit Namen), welche wiederum miteinander reden und geht es dabei um etwas anderes als um Männer? Bei dieser vereinfachten und entkontextualisierten Punkteverteilung im Bechdel-Test schneidet zum Beispiel Machete oder Machete Kills mit einem Einser ab, trotz Lederhosenarschausschnitt und dialoglosen Latina-Décolletés. Die ganze Diskussion wurde in Schweden losgetreten und verdreht ein bisschen den Spaß am Kino. FB-Kollegen wie Paul Poet und sein Beispiel mit dem Space-Girls-Bier-Werbeposter unterstreichen ganz witzig wie wenig Sinn die Berechnung von Sexismus in Form einer Check-Liste eigentlich macht.

Was bei dem Ganzen auffällt, ist, dass Österreich als Nummer 1 der gendergerechten Filmländer gilt, wie aus dieser Bechdel-Liste (Grafiken von Daniel Mariani) klar hervorgeht. Ich habe mich innerhalb der letzten Woche mit drei feministisch engagierten Frauen darüber unterhalten und die gender-patriotische Information über die österreichische Filmlandschaft hat erst nur überraschte Gesichter hervorgerufen.

Es macht schon Sinn, da unser stilistisch kritisches, morbides oder dokumentarisches Kino wenig Platz für Actionfilm- oder Western-Sexismus lässt. Außerdem wurden dann gemeinsam sofort einige Beispiele gefunden, die zwar tolle und starke Frauenrollen beinhalten, richtig gute Filme sind, aber bei dem Bechdel-Test direkt durchfallen würden: Der Geschmack von Rost und Knochen, True Grit, Leon—Der Profi, Das große Fressen, ... Ein Drei-Punkte-System ist dann doch etwas zu simpel um mehr als oberflächliche Erkenntnisse zu erlangen, wie ein Film Geschlechter und deren Rollen repräsentiert. Vor allem polemisiert so eine Faustregel, was doch eigentlich gerade nicht im Sinne des modernen Feminismus sein sollte.

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Anhand des Bechdel-Tests ist es definitiv möglich bestimmte Aussagen über einen Film zu machen. Die Resultate beziehen sich nur auf eine allgemeine dramaturgische Repräsentation von Frauen. Nur so lassen sich in keinster Weise Rückschlüsse auf Qualität und Botschaft des Inhalts ziehen oder wie künstlerisch wertvoll eine Produktion ist. Ob die Gender-Frage in einem Film anders, besser oder absichtlich nicht aufgelöst wird, ist wieder etwas ganz anderes. Die filmische Bewertungsskala wird dadurch total abstrakt und man könnte plötzlich mit Leichtigkeit und teils ohne wirkliche Argumentationsbasis vielen Regisseuren Sexismus unterstellen.

Besonders der Unterhaltungsgrad eines Films hängt nicht von normativen, gesellschaftlichen Wertigkeiten und standardisierten Formen politischer Korrektheit ab. Es ist eben Kunst und irgendwer wird sich immer von der (interpretierten) Message angegriffen fühlen. Das macht das Medium aber auch so spannend. Und da muss ich einfach den erwachsenen Menschen in unserem Kulturkreis zutrauen können, dass Rassismus, Verhetzung und die Unterdrückung von Frauen in jeglicher Form nicht als etwas Positives im Film transportiert werden—sonst kann man sich gleich die Kugel geben. Apropos: Die passende Liste der gendergerechten und -ungerechten Regisseure (bei der ich die Auswahl etwas willkürlich finde) ist ganz unterhaltsam. Wir knallen heute auf jeden Fall die aktuellen Film-Releases mal auf den Seziertisch und entscheidet selbst ob die "offiziell" sexistisch sind oder nicht.

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Venus im Pelz

Die geniale Emmanuelle Seigner (Foto via Polyfilm)

Dieser Film ist ein Muss. Wir haben den ganzen Tag gekifft und GTA gespielt, dann kam die unerwartete Entscheidung Roman Polanskis neuen Venus im Pelz anzuschauen, und es war eine gute. Emmanuelle Seigner ist die Leading Lady und der Hammer. Sie war auch vor kurzem in Wien zur Premiere. Ich kann verstehen, dass Polanski diese Walküre mit den Augen aus Eis heiraten musste und sie in Venus im Pelz, seine Verfilmung des gleichnamigen Dominanz-/Devotroman vom österreichischen Autor Leopold von Sacher-Masoch, besetzt hat.

Es ist ein weiterer Schritt in seiner Theaterfilmreihe. Mir hat die Metageschichte des Regisseurs Thomas (der offensichtlich einen jungen Polanski repräsentiert) und der erotisch herausfordernden, übernatürlich talentierten, süffisanten und leicht räudigen Vanda, die auf der Probebühne mehr als nur vorspricht, so sehr gefallen, dass ich jetzt auf jeden Fall auch noch den Vorgänger-Theaterspielfim Carnage sehen muss. Bitte anschauen, Leute!

Anmerkung: Die Tatsache, dass nur eine Frau mitspielt ist Bechdel-technisch schlecht, aber gendergerecht ist Venus im Pelz allemal.

Escape Plan

Schwarzenegger und Stallone sind zusammen in einem Supergefängnis eingesperrt, hauen sich aufs Maul, helfen dann doch zusammen und 50 Cent spielt den Computerprogrammierer/Tech-Nerd. So viel kann Escape Plan (der ursprünglich The Tomb heißen sollte) also gar nicht falsch machen. Wer sich eine unterhaltsame Body-Cop-Spaß-Lawine erwartet oder ein episches Aufeinandertreffen zweier Ikonen, wie in Heat, wird vielleicht enttäuscht sein.

Arnie übt sich im Schauspielern auf Deutsch, was echt mies klingt und Stallone ist einfach das eine Mal zu oft geliftet. Aber beide bekommen ihren coolen 80ies Spruch nach getanem Tagewerk eines Actionstars. Escape Plan ist alles in allem sehr solide und hat versteckte Qualitäten, wenn auch fast ganz ohne Frauen. Der Bechdel-Test trifft bei diesem Bizepsvergleich zwischen der steirischen Eiche und dem Italian Stallion an offensichtliche Grenzen.

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Malavita (The Familiy)

Apropos Heat, De Niro stürzt irgendwie ziemlich ab. Die Komödien mit Billy Crystal waren noch ganz gut, Meet the Parents machte dann schon etwas stutzig und dann verlor sich die Karriere des Raging Bulls, des Vorzeigeschauspielers schlechthin, in selbstreferenzierendem Müll. So wie hier. Wird die Mafia-Nummer nicht langsam langweilig? Malavita ist von Luc Besson, der irgendwie auch nichts dazugelernt hat in seinem Filmschaffen, De Niro spielt einen Ex-Mafiosi, Polizei-Informanten und Familienvater im Zeugenschutzprogramm.

Sie sind nach Frankreich geschickt worden, wo sich Michelle Pfeiffer über zu viel Butter und Obers aufregt, die hübsche Tochter (Diana Agron könnte die nächste Cameron Diaz sein und wir brauchen dringend eine)  fäusteschwingend die Liebe kennenlernt und der Jüngste auf Michael Corleone macht, während Papa seine Gangster-Memoiren schreibt. Malavita ist ein peinlicher, teils unnötig brutaler Film, den man nicht ernst nehmen sollte, aber gerne in paar Jahren auf Kabel 1 schauen kann.

Josef Zorn auf Twitter: @theZeffo

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