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Eine kleine Geschichte von Österreichs radikalen Christen

Nachdem kreuz.net von der Bildfläche verschwunden ist, haben in Österreich andere Stellen die radikal klerikale Lücke gefüllt.

Obwohl die Aufmerksamkeit momentan mehr dem radikalen Islamismus gilt, gibt es in Österreich auch eine gut vernetzte Szene katholischer Fundamentalisten, die immer wieder mit teils gewalttätigen Aktionen, Hetze und Drohungen auffallen.

Zur Weihnachtszeit traten sie wieder vermehrt in der Öffentlichkeit auf. Mit Lichterketten, Gebetszügen und Kundgebungen gegen und vor Abtreibungskliniken machen sie auf ihre Anliegen aufmerksam, wie zuletzt etwa Aktionen in Innsbruck, Graz, Linz und Salzburg zeigten.

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Ausgehen tun die Aktionen meist von Organisationen, die mit der internationalen Pro-Life-Bewegung vernetzt sind—wie „ Jugend für das Leben" , „Human Life International" oder „Pro Vita" .

Marsch für die Familie 2015 | Foto: Hanna Herbst

Derartig gewalttätig wie in den USA, wo es bereits mehrmals zu tödlichen Attentaten militanter Abtreibungsgegner kam, wird in Österreich nicht vorgegangen. Trotzdem kommt es auch hierzulande immer wieder zu Übergriffen auf Frauen, die von ihrem Recht auf Schwangerschaftsabbruch Gebrauch machen. Auch Ärztinnen und Ärzte, die einen solchen Eingriff vornehmen, wie Christian Fiala, Gynäkologe und Begründer des Museums für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch in Wien, werden zur Zielscheibe von katholischen Fundamentalisten.

„Diese Fanatiker sind extrem übergriffig", sagt Fiala. „Sie stellen sich den Frauen, die die Klinik besuchen wollen, in den Weg, sodass sie nicht ins Haus kommen, halten sie fest und verteilen Propagandamaterial wie zum Beispiel Plastikembryos." Außerdem sollen die klerikalen Aktivisten den Frauen Sätze wie „Mama, bring dein Kind nicht um" zurufen. „Das hat natürlich eine einschüchternde Wirkung", so Fiala, vor dessen Klinik täglich radikale Abtreibungsgegner stehen.

2012 stand das erz-katholische Nachrichtenportal kreuz.net, das gegen andere Religionen hetzte und homophobe sowie frauenfeindliche Propaganda verbreitete, in Deutschland und Österreich unter Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Über Monate hinweg sammelten die Initiative „Stoppt kreuz.net" und andere Seiten Material über das Onlineportal, an dem auch hochrangige Beamte der katholischen Kirche beteiligt gewesen sein sollen, und übergaben ihre Recherche-Ergebnisse schließlich der Berliner Staatsanwaltschaft. Kurz darauf ging kreuz.net offline. In Österreich kam es 2013 zu Hausdurchsuchungen bei zwei Priestern.

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Wer damals kreuz.net betrieben hat, ist bis heute unbekannt. Oft wurde der „Pornojäger" Martin Humer in Zusammenhang mit der Website genannt. Er soll den Betreibern zumindest nahe gestanden haben. Humer verstarb 2011. Ein Ableger der alten Seite ist aber seit knapp zwei Jahren wieder erreichbar—wenn auch nicht mehr ganz so aktiv und unter anderer Adresse. Auch wird die neue Seite nicht mehr anonym betrieben.

Im Impressum findet sich der Name Mag. G. Schneeweiß-Arnoldstein. Gemeint ist damit Günther Schneeweiß-Arnoldstein—kein Unbekannter im rechts-konservativen Milieu. „Schneeweiß-Arnoldstein ist eine zentrale Schnittstelle zwischen rechten Nationalisten, Monarchisten und Klerikalfaschisten in Österreich", meint Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes.

Neben kreuz-net.at betreibt Schneeweiß-Arnoldstein auch noch die Homepage couleurstudent.at und mischt bei den rechtsnationalen Zeitungen Neue Ordnung und Zur Zeit mit. Letztere wird von den (Ex-)FPÖ-Urgesteinen Andreas Mölzer und Hilmar Kabas herausgegeben.

Foto via Facebook-Seite von Jugend für das Leben

Ich habe versucht, Günther Schneeweiß-Arnoldstein an der im Impressum von kreuz-net.at angeführten Adresse zu finden, ihn dort aber leider nicht angetroffen. Dafür fand ich einen Firmennamen am Klingelbrett: Ecotext.

Meine anfängliche Google-Suche zu Ecotext brachte zwar einen Firmeneintrag und die Gewissheit, dass es sich dabei um einen Verlag von Schneeweiß-Arnoldstein handelt—mehr aber auch nicht. Es gibt keine Homepage des Verlags. Auch eine Beschreibung, was dort überhaupt verlegt wird, findet man nicht. Nur der Kreis zur Zeitung Neue Ordnung schließt sich wieder.

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Erst das linke Internetportal Indymedia lieferte einen neuen Hinweis. Dort fand ich das PDF von einem Buch des ehemaligen Präsidenten des Thüringer Verfassungschutzes, Helmut Roewer. Auf Seite 4 findet sich folgender Vermerk: „Layout: Ecotext-Verlag, Mag. G. Schneeweiß-Arnoldstein, 1010 Wien". Es mag Zufall sein, dass sich Helmut Roewer, der selbst bereits in rechtsextremen Magazinen publiziert hat, einen rechts-klerikalen Miniverlag aus Wien für sein Buch gesucht hat. Es wäre aber zumindest ein sehr unwahrscheinlicher Zufall, wo doch eben dieser Verlag noch nicht einmal eine Homepage besitzt, über die man sich öffentlich und ohne Kontakte über die Ausrichtung des Verlags informieren könnte.

Klingelschild mit Firmenname. Foto vom Autor.

Eine der Hausdurchsuchungen im Sommer 2013 in Wien fand in der Großen Sperlgasse im 2. Bezirk statt. In derselben Straße befindet sich der Hauptsitz des österreichischen Ablegers von „Human Life International".

Das HLI Büro in Wien soll seit 2013 auch dem fundamentalistischen Online-Portal „Gloria TV" als Homebase dienen—auch wenn auf der Homepage eine Kontakadresse in Moskau angegeben ist. „Gloria TV" wurde in den 90ern in Linz gegründet. Von Anfang an dabei waren das Geschwisterpaar Markus und Eva Doppelbauer, sowie der Priester Reto Nay.

Reto Nay war zumindest bis 2013 der Kopf hinter „Gloria TV". Seither ist er untergetaucht. Er hat am Päpstlichen Bibelinstitut in Rom studiert und war ab Ende der 90er als Dozent am Internationalen Theologischen Institut für Studien zu Ehe und Familie (ITI) in Gaming bei Wien tätig, wo auch Markus Doppelbauer studiert hat. Das ITI ist ein päpstliches Institut, das von Kardinal Schönborn geleitet und unter anderem vom Land Niederösterreich gesponsert wird. Schönborn selbst steht der Neokatechumenalen Bewegung nahe, die unter anderem an die Allgegenwärtigkeit des Satans glaubt.

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Foto via Facebook-Seite von Jugend für das Leben

Gloria TV ist eine Art Nachrichten-Video-Portal für Ultrakonservative. Geworben wird mit dem Slogan: „The more catholic, the better". Ähnlich wie bei kreuz.net wird auch hier regelmäßig rechte Propaganda verbreitet. Das hört sich dann zum Beispiel so an: „Für Gott gibt es mehr Beweise als für den Holocaust. Sollten wir jetzt alle, die Gott leugnen dafür strafrechtlich belangen?"

Der Beitrag wurde 2009 von einem Benutzer mit dem Namen „Kreuzritter" verfasst und war mehrere Monate online. Ein rechtliches Vorgehen gegen Gloria TV wegen dieser vermeintlich in Bezug auf das Verbotsgesetz relevanten Aussage war jedoch nicht möglich. Sitz der Plattform war damals Moldawien. „Es braucht die ganze katholische Bandbreite", rechtfertigte Pfarrer Reto Nay damals die Holcoaust verharmlosende Aussage. „Das deutsche oder österreichische Recht ist nicht maßgebend für uns."

Unterstützung bekam Gloria TV—trotz mehrmaliger Verstöße gegen österreichisches Recht und rechter Hetze—auch vom Salzburger Weihbischof Andreas Laun. Laun ist auch regelmäßiger Teilnehmer am sogenannten „1000 Kreuze Marsch" in Salzburg, der in den letzten Jahren aufgrund von Gegenprotesten nur unter enormem Polizeischutz durchgesetzt werden konnte. Der Marsch wird auch vom Verfassungsschutz beobachtet.

Auf Gloria TV werden außerdem regelmäßig Fotos und Videos von Pro-Choice-Aktivisten und -Aktivistinnen veröffentlicht und diese etwa als „Homo-Angreifer" bezeichnet. Weiters wird Homosexualität noch als „krankhafte Sucht" beschrieben und mit Lastern wie Rauchen, Alkoholabhängigkeit und Spielsucht verglichen, sowie die Gender-Theorie mit dem Nationalsozialismus gleichgesetzt. Besonderes Schmankerl aus diesem Video: „Da der Mastdarm kein Konzeptionsorgan sondern ein Ausscheidungsorgan ist, ist biologisch gesehen die Homosexualität ein Fehlverhalten."

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Foto: Keoni Cabral | flickr | CC BY 2.0

Es sind verstörende Sätze aus einer noch verstörenderen Parallelgesellschaft, die eine erstaunlich große Anhängerschaft hinter sich vereint. Wenn man bedenkt, dass die oben genannten Aussagen auf dem „ Marsch für die Familie" in Wien gefallen sind, an dem zumindest heuer auch Politprominenzen aus dem schwarz-blauen Ex-Stronach- und Strache-Umfeld—gemeint sind Ursula Stenzel und Marcus Franz—teilgenommen haben, löst das unter dem Gesichtspunkt des religiösen und reaktionären Extremismus zumindest Unbehagen aus.

Gerade der Marsch für die Familie zeigt jährlich, welche Reichweite und Kontakte diese fanatischen Katholiken besitzen. Auf dieser von Alfons AdamRechtsanwalt, Pegida-Anhänger und Gründer der Partei „Die Christen"—organisierten Veranstaltung, treffen ÖVP-Politiker auf polnische Nationalisten, Vertreter der FPÖ auf ranghohe Mitarbeiter der Kirche und strenggläubige Katholiken auf Verschwörungstheoretiker.

Vielleicht ist es an der Zeit, diesen klerikal-faschistoiden Sumpf genauso als Bedrohung wahrzunehmen, wie radikale Islamisten—und daraus ernsthafte Konsequenzen zu ziehen. Andernfalls laufen wir Gefahr, uns irgendwann nicht mehr nur mit gewaltbereiten Islamisten auseinandersetzen zu müssen, sondern auch mit fanatischen Katholiken, die im religiösen Eifer auch auf physischer Ebene jegliche moralische Grenze überschreiten.

Paul auf Twitter: @gewitterland