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Popkultur

Superman ist der intergalaktische Jesus und ein Bauer

'Man of Steel' ist wie ein Kugelfisch: einige Stellen sind genießbar, andere bringen die Organe zum Bluten. Dafür macht er Lust auf Comics und bringt uns mit Stratosphären-Kinnhaken ins Schwelgen.

Superman fliegt eigentlich nicht, sondern kann nur ganz weit springen, weil die Gravitation so anders ist auf der Erde. Mein erhobener Zeigefinger senkt sich beschämt. Christopher Reeve kannte damals kein Schwein als er die Rolle der härtesten Sau der Galaxie annahm, aber in den 70ern überzeugte er uns mithilfe der Werbekampagnen der ersten Superman-Filme und dem Satz: "This year you will believe a man can fly." Der Querschnittsgelähmte ist zum (nicht mehr) wandelnden Zeugnis einer plakativen Ironie des Lebens geworden. Von der Rolle des stärksten Wesens der Welt zu einem der berühmtesten Behinderten.

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In unseren verkopften Zeiten mit ihrer oberflächlichen Komplexität und der kürzesten Aufmerksamkeitsspanne überhaupt, steht die Neuauflage des Kryptoniers mit dem CG-Umhang mehr für eine emotional-flache, das cineastische Sommerloch stopfende Modernität, verliert dabei einige alteingesessene Werte der Comic-Vorlage und befriedigt trotzdem meine visuellen Genre-Erwartungen zur Genüge. Ich dauerlutsche immer noch an diesem Eye-Candy.

Der Tagline-Aufhänger des nagelneuen Vorgeschichtefilms über den pistolenschnellen Einwanderer mit dem komischen Familienwappen, das nur aus Zufall wie ein "S" aussieht, sollte dieses Mal lauten: "This year you will believe a man can grow a lot of chesthair" Unglaublich, wie auftrainiert sich die bärige 2013er Reinkarnation des Pfadfinder-Rotblaumanns durch die Filmrollen boxt.

"Where did you train, on A FARM?"

Er sieht nicht ganz wie der Sohn eines Zimmermanns aus—obwohl Zimmer Hans die Musik macht, Wortwitzeinwurf—, aber die Jesus Allegorie, die sich bei Superman, dem beinahe biblisch entsandten Waisen vom anderen Stern, der unserer Menschheit Hoffnung und ein strahlendes Leitmotiv bieten soll, aufdrängt, ist in Man of Steel nicht zum ersten Mal thematisiert worden. Allerdings muss man sagen: auch noch nie so derart mit der Brechstange. "He will be a God to them" sagt Papa Russel Crowe beschwörend in seinem lächerlichen Kampfanzug bevor der Heimatplanet explodiert. Apropos Brechstange, wenn ihr Injustice spielt, könnt ihr dem Mann aus Stahl gediegen Jokers Werkzeugkiste über den Schädel hauen, falls Abneigung gegen den Bravsten der Erdenbürger besteht.

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Die Parallelen zum christlichen Messias waren in Comics und anderen Auskopplungen des Übermenschens immer zu finden, aber doch subtiler verarbeitet. In Man of Steel führen die „Römer" den demütigen Übermenschen ab, der mit 33 von seinen Reisen der Selbstfindung und Sandlerjobs zurückkehrt um sich für uns alle zu opfern und im Weltall ohne grundlos plötzlich die Sohn-Gottes-Pose mit ausgestreckten Armen zu liefern. Vielleicht seine persönliche Form von Planking: Do the Savior! Ob man diese verzerrt religiösen Sinnbilder nun cool findet, völlig lächerlich oder als anspornende Werbung für einfältige Jesus-Freaks erkennt, er könnte „der Erlöser sein, den wir brauchen, nicht der, den wir wollen."

Zack Snyder, den viele hassen und andere für ein visuelles Genie halten, ist scheiße mit Subtext und da ändern seine schwebenden Kamerafahrten durch Smallville im Stil von Terrence Malick wenig daran. Immer diese scheiß Felder! Christopher Nolan, der Regie führende Heiland der letzten Batman Trilogie— wie manche finden—hat bei Man of Steel mitproduziert und bisschen mitgemischt. Ich möchte aber nicht über seine „Handschrift" in dem Film oder Ähnliches spekulieren beginnen, aber manche der unsinnigen Zeit und unrunden Raumsprünge in der Handlung sind definitiv von Nolan. Warner Brothers wollen ihn zum Mastermind aller zukünftigen DC-Verfilmungen aufstellen, so wie Marvel und Disney das mit Joss Whedon sehr erfolgreich implementieren.

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Wie wohl Green Lantern bei Nolan aussehen würde oder eine tiefenpsychologisierte Adaption von Aquaman? Das Problem mit unmöglichen DC-Helden ist vielleicht jetzt mit dem letzten Satz ersichtlich geworden. Obwohl mich eine Wonderwoman mit ernsthaften Zugang ECHT interessieren würde, Christopher. Flash ginge vielleicht sogar auch noch.

Dahingehend hat das Photoshop-Meme vom Dark Knight zusammen mit dem Man of Tomorrow im Befragungsraum einige Herzen höher schlagen lassen und die (etwas unrealistische) Hoffnung auf einen Justice League-Film bestärkt. Vielleicht finden Snyder und Nolan ja einen gemeinsamen Zugang und wir bringen die JLA zusammen, wie es The Avengers bereits vorgemacht haben.

Superman ist so gesehen nur ein weiterer Schritt und unter diesem Gesichtspunkt kann ich nur zufrieden sein mit Henry Cavill, dem frischen Marmorgesicht von Clark Kent. Wirklichen charakterlichen Spielraum lässt die eindimensionale Figur des Überfliegers nicht zu, also Respekt für die tolle Handhabung einer solchen Rolle. Und es hat schlimmere Interpretationen und Auswüchse dieser Franchise gegeben und hätte noch viel schlimmer kommen können.

Aber kommen wir zum Punkt. Ich mag Man of Steel, wenn auch nur in Form einer szenischen Collage. Kleine Happen der Geschichte und einzelne Bilder sind richtig geil—wie das Format von Comic-Büchern eben. Aber als zusammenhängenden Strom kohärenter Erzählung kann man diese chaotische Dramaturgie nicht bezeichnen. Einige kleine Vorgaben der Superman-Hintergrundgeschichten werden verdreht, eine moralische Problematik ignoriert und störende Handlungslöcher gibt es auch zu Hauf. Aber ENDLICH schlägt der Stahlmann in die Fresse! Seine kryptonischen Landsleute wollen mit der World Engine die Erde platt machen und bekommen im extremen Kontrast zu dem Vorgänger Superman Returns Götterfaustkämpfe durch die Skylines von Metropolis und Kansas. Meine wohl begeistertsten Aufschreie während des Films waren: „Jawohl, in die Gosch'n" und „Jawohl, Terraforming".

Es sind diese vielen Momente mit richtigem Comic-Charakter (SPOILER: Supermann versinkt in einem Meer aus Menschenschädel!), die mich so milde stimmen. Das Ganze besteht aus so manchem perfekten Screenshot-Moment. Und mir als Graphic-Novel-Aficionado reicht eine Einstellung von Kal-El schwebend über einer Infantrie-Einheit oder ein Kinnhaken in die Stratosphäre zum Wohlgefallen. Auch eine viel kritisierte Charakteränderung in Papa Kent (Kevin Costner) hat mich ganz ehrlich zu einer kleinen Träne gerührt. Ich bin zu einfach gestrickt und hab zu wenige Soap Operas gesehen, um nicht auf solche billigen Drama-Tricks reinzufallen. Zum Glück ist der neue Superman kein elender Emo-Witz mit gebrochenen Herzen und Stalker-Allüren wie in Superman Returns.

Was soll man noch sagen. Viele finden den Mann aus Stahl grundsätzlich lahm, weil er keine moralischen Ecken und Kanten hat, ein Gutmensch ist und somit mehr eindimensional als interessant erscheint. Aber er ist doch einfach der Prototyp, die Superhelden-Schablone und quasi die Ursuppe eines ganzen künstlerischen Medienuniversums. Man of Steel ist letztlich genau wie sein Protagonist—wie sollte er auch etwas anderes sein—verfahren, unspannend und etwas lieblos. Oder anders: Der Film ist genau wie sein Protagonist ein hohler Bauer. Auch General Zod ist die leicht ländliche Einfachheit von Superman nicht entgangen und verarscht ihn entsprechend. Ich habe jetzt richtig Appetit auf einen Liebesbrief an den Comic (im Allgemeinen) bekommen.