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Vorstadtweiber ist ein sexistisches Puppentheater

Die erste Staffel der ORF-Serie Vorstadtweiber ist abgelaufen. Wir haben die letzte Folge angeschaut und uns Gedanken über Humor, Sexismus und falsche Vorbilder gemacht.
Screenshot von ORF TVthek

Nach einem langen Arbeitstag tut es ganz gut, sich zwecks Berieselung vor den Fernseher zu setzen. Und wenn ich Fernseher sage, meine ich auch wirklich das gute alte TV-Gerät, bei dem wir uns nicht unbedingt aussuchen können, die neueste Folge unserer Lieblingsserie zu schauen. Nein, hier wird das Programm von oben diktiert, was manchmal sehr angenehm sein kann. Vor allem weil man ja sonst permanent damit Zeit verbringt, schwerwiegende Entscheidungen zu treffen. Sei es die Wahl der Emojis, die man seinen Freunden aus dem Klo schickt (kleines, grinsendes Gackserl oder doch lieber Totenkopf-Smiley?) oder das Pendeln zwischen Team-Weiß-Gold oder Team-Blau-Schwarz.

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Leider konnte ich mich diesen Montagabend nicht so richtig fallenlassen, weil der ORF1 das Finale von Vorstadtweiber brachte. Das hat ungefähr so einen Guilty Pleasure-Charakter wie ein Autounfall, bei dem man sich fürs Hinschauen schämt. Das Serien-Sahneschnittchen hat aber nun ein Ende gefunden hat. Zumindest seine erste Staffel—aber keine Sorge, die zweite Runde steht schon bereit. Dass dafür nicht einmal die Probezeit von den üblichen 5 bis 6 Folgen abgewartet wurde, zeigt wie selbstsicher der ORF ist, auf eine Goldmine gestoßen zu sein.

Leider wurde dem ORF ein dicker Bär aufgebunden, denn Vorstadtweiber hat so wenig mit einer Goldmine zu tun, wie Girls mit Gossip Girl. Auf den ersten Blick könnten uninformierte Personen glauben, dass diese zwei Serien sehr viel gemein haben, so wegen Sex, Männerproblemen und Job-Quatsch. Doch natürlich haben die glattgebügelten Tussi-Skelette aus Gossip Girl nur sehr wenig mit den realistischen und deshalb auch sympathischeren jungen Frauen aus Girls zu tun. Leider haben unsere heimischen TV-Profis hier auf das falsche, weil seelisch verkrüppelte Pferd gesetzt und eine Serie auf der Prämisse aufgebaut, dass Frauen wie Marionetten sind. Dazu möchte ich an dieser Stelle herzlich gratulieren.

Screenshot von ORF TVthek

Was mich an diesem absonderlichen Telenovela-Verschnitt aber am meisten stört, ist der Humor, der keiner ist. Vorstadtweiber will eine Persiflage sein, aber seine Macher haben irgendwie vergessen, vorher in den Satire-FAQs nachzulesen. Sonst wüssten sie, dass die größte Kunst einer guten Komödie nicht darin besteht, seine Schauspieler übertriebene Klamauk-Einlagen wie im Hoftheater des 18. Jahrhunderts aufführen zu lassen. Wirklich lustig wird es meistens erst, wenn Charaktere sich selbst nicht lustig finden und mit einer vollkommenen Ernsthaftigkeit in den größten Bullshit stolpern. Wenn jeder Scherz mit einem „Wir sind alle so lustig, schaut uns an!" endet, dann ist das nicht besonders komisch.

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Ich bin nur das, wozu ihr Männer mich gemacht habt.

Und außerdem, wer hat eigentlich bestimmt, dass rassistische Gags eher out (zum Glück!), dafür aber Sexismus noch immer total in ist? Vor allem im öffentlich-rechtlichen Fernsehen würde man sich eigentlich erwarten, dass Sätze wie: „Deswegen lassen die in Saudi Arabien ihre Frauen auch nicht Auto fahren!" oder „Ich bin nur das, wozu ihr Männer mich gemacht habt." eher nicht vorkommen. Natürlich meint der ORF nichts davon ernsthaft sexistisch, aber weil sie eben keine Humor-Skills haben, können sie es nicht so rüberbringen.

Im Allgemeinen haben die Vorstadtweiber keinen Dreck, sondern eher Sexismus am Stecken. Sonst würden in der letzten Folge nicht alle weiblichen Hauptfiguren wegen ihren Männern im Häfen sitzen. Da hilft es dem Humor auch nicht, dass man die Frauen ihre Situation im Bitch-Mode erklären lässt, während sie im Polizeiwagen durchgeschüttelt werden: Die Maria hat mit dem Sohn von der Gerti geschnackselt, während Gertis Mann ein geheimer Klischee-Homosexueller ist! Und die Adina wurde von ihrem Mann nach einer Scheidung mittellos zurückgelassen, was die anderen schon ein bisschen verabscheuungswürdig finden—und damit meine ich nicht den Mann, sondern natürlich Adina. Dann gibt's da noch Nicoletta, die sowieso in jedem Bett mitgemischt hat und das Nesthäkchen Martina mit den schwerwiegenden Daddy-Issues. Schon allein beim Beschreiben der Figuren kommt mir ein bisschen Magensäure hoch, vor allem weil ich mich ja mit ihnen identifizieren soll.

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Screenshot von ORF TVthek

Das sind also die Frauen der Nobelbezirke von Wien— echte Frauen, wie du und ich, nur in reich und dumm. Und liebe Männer, ihr seid angeblich alle schmierige Arschlöcher, die gleich aussehen. Ehrlich gesagt konnte ich sie schon nach Einführung der dritten Männerfigur nicht mehr auseinander halten. Es ist ja gar nicht so schlimm, wenn ein paar Charaktere weniger detailliert dargestellt werden als andere. Das ist selbst bei besseren Comedyserien wie How I Met Your Mother, New Girl oder Community ein klassischer Handgriff. Man muss nicht jede Facette einer Figur kennen, um sich ein umfassendes Bild von ihr zu machen.

Aber in Vorstadtweiber sind die Frauen nicht zu grob gezeichnet, zu wenig ausgearbeitet oder zu einfach. Sie sind auch nicht nur Figuren mit zu wenig (charakterlichem) Fleisch auf den Knochen. Der Punkt ist, dass die Frauen in Vorstadtweiber gar keine Charaktere, sondern einfach nur Marionetten sind. Doch hinter dem Puppenspiel stecken sicher nicht ihre Männer—die radeln nämlich selber wie seelenlose Prototype durch die Wiener Innenstadt. Was die Frage aufwirft, wer hier überhaupt die Fäden in der Hand hat. Und ich fürchte, die Antwort kann nur lauten: Die Serienmacher, die anscheinend keine Sekunde daran gedacht haben, die Kontrolle an ihre Charaktere abzugeben. Genau das hätte Vorstadtweiber aber gut getan, damit tatsächlich ein bisschen Empowerment und nicht nur hohler Sexismus dabei rausschaut.

Was soll ich abschließend noch zu dieser Sendung sagen? Dass Freunderlwirtschaft nicht nur in der Serienhandlung, sondern wahrscheinlich auch bei der Produktion eine Rolle gespielt hat? Dass nicht nur Polizisten, sondern auch alle anderen Professionen ärgstens durch den Stereotypen-Kakao gezogen werden? Oder, dass man sich als Mann sofort verkutzen muss, wenn eine Frau mal einen Callboy hat? Nein, ich glaube, es ist eigentlich alles gesagt. Ich kann nur noch hoffen, dass Vorstadtweiber werdende Drehbuchautoren oder Nachwuchsschauspieler nicht davon abhält in Zukunft mit dem ORF zusammenarbeiten zu wollen.

Anne-Marie auf Twitter: @Viennesecat


Titelbild via ORF