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Warum Ueli Maurer seine Armee egal ist

Ueli Maurer fürchtet sich vor Secondos in der Schweizer Armee. Dabei sollte sich die Schweiz vor Ueli Maurer fürchten.

Ueli Maurer zweifelt daran, dass Secondos der Armee die Treue halten. An der Delegiertenversammlung der SVP bemerkte er, dass die Schweizer Bevölkerung nicht mehr so geeint sei, wie zu den guten alten Zeiten auf dem Rütli. Er hat Angst, dass die Secondos deshalb im Kriegsfall die Seiten wechseln.

Maurer heizt damit als Motor ein Problem an, das tief im Herzen der stolzen Eidgenossen verankert ist: Einwanderer bleiben Ausländer—egal ob sie hier geboren, hier zur Schule gegangen und hier ihr Leben aufgebaut haben oder nicht. Er ignoriert dabei, dass einige triftige Gründe dagegen sprechen. Ob das an seinem fortgeschrittenen Alter liegt oder daran, dass er als SVP-Politiker im Hinblick auf die Wahlen im Herbst tut, was ein SVP-Politiker eben tut, sei dahingestellt. Ich helfe Maurer auf alle Fälle gerne ein wenig nach, um seinen ängstlichen Geist zur Ruhe zu bringen:

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Secondos sind Schweizer

In der Schweizer Armee gibt es keinen einzigen Ausländer. Ueli Maurer unterscheidet trotzdem zwischen Ur-Schweizern und Neu-Schweizern und schaufelt damit Gräben, wo keine sind.

Ich bin selbst Ausländer. Ich werde deswegen von der Schweiz anders behandelt als Menschen mit dem roten Pass. Dafür gibt es mal gute, mal weniger gute Gründe. Ich darf zum Beispiel nicht abstimmen, weil ich keinen Schweizer Pass habe. Das finde ich zwar auch nicht okay, aber ich kann das nachvollziehen—so sind nun mal die Regeln hier. Wenn aber Menschen mit Schweizer Pass anders behandelt werden sollen, läuft irgendetwas verdammt falsch. Aus irgendeinem Grund ist es schliesslich der rote Pass, der Schweizer von Nicht-Schweizern trennt—und nicht irgendein Pigmenttest.

Das sieht übrigens auch die Armee selbst so. Fragt man sie nach den Secondos im Militär, erhält man als Antwort: „Keine Auskunft. Ein Schweizer ist ein Schweizer." Die Secondos in der Armee sind ihren Vorgesetzten sicher dankbar dafür. So können sie in Ruhe ihren Job machen, ohne sich wegen ihrer Herkunft rechtfertigen zu müssen. Ueli Maurer aber ist das egal. Er poltert munter weiter. Nicht nur treu auf SVP-Linie gegen alles, was nicht 1291 schon auf dem Rütli die Hand zum Schwur erhoben hat—sondern auch gegen seine geliebte Armee.

Wir lernen: Ueli Maurer macht Politik für die SVP, nicht für die Schweizer Armee.

Foto: Simon | Flickr | CC BY 2.0

Rekruten waten freiwillig durch den Dreck

Ich musste nie ins Militär—und bin gottenfroh darüber. Stundenlang in der brütenden Hitze mit einem tonnenschweren Rucksack über irgendwelche Felder marschieren. Sich von Menschen mit Autoritätsdrang rumkommandieren lassen. Von SBB-Kontrolleueren dumm angemacht werden, weil ich meinen Marschbefehl vergessen habe. Das gehört definitiv nicht zu meinen liebsten Beschäftigungen.

Die Secondos in der Armee tun sich das trotzdem an. Sie müssten das nicht. Jeder findet irgendeine Möglichkeit, um dem Armee-Dienst aus dem Weg zu gehen. Wer sich das Getue trotzdem antut, will das so. Und wer das will, der wird auch sein Bestes geben. Das vermute übrigens nicht nur ich—das ist so. Die Schweiz am Sonntag befragte über 20.000 Rekruten und stellte fest: Secondos sind motivierter und leistungsbereiter als ihre Ur-Schweizer Kollegen. Ueli Maurer riskiert, diese grosse Motivation der Secondos in der Armee zu schwächen.

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Wir lernen: Ueli Maurer nimmt es in Kauf, die Armee zu schwächen.

Foto: Kecko | Flickr | CC BY 2.0

Angst ist ein schlechter Politiker

Ueli Maurer sagt, er habe Angst vor den Secondos in der Armee. Ich habe auch vor so einigem Angst. Jedes Mal, wenn ich auf einem Balkon stehe, habe ich aus unerklärlichen Gründen Angst, hinunter zu fallen. Doch ich schleife diese Sorge nicht auf die politische Bühne der Schweiz, indem ich alle Balkone verbieten möchte. Warum? Weil Gefühle etwas Persönliches sind und in der Politik nichts zu suchen haben. Ueli Maurer soll seine Ängste doch bitte mit seiner Familie oder dem Sorgentelefon besprechen—aber nicht mit der ganzen Schweiz.

Aber wenn wir schon bei Gefühlen sind: Auch die Secondos in der Armee haben Gefühle. Eine ETH-Studie hat herausgefunden, dass sich viele Secondos nach der Rekrutenschule schweizerischer fühlen als vorher. Die Armee schafft also keine fremden Schläfer im Herzen der Schweiz, sondern sie dient schlicht und einfach der Integration. Wenn Ueli Maurer sagt, dass Secondos in der Armee keine gute Idee sind, möchte er einfach nicht, dass Secondos sich integrieren.

Wir lernen: Ueli Maurer ist gegen militärische Integration.

Der Kosovo wird die Schweiz nie bekriegen

Die Secondos in der Schweiz stammen grösstenteils aus Italien und Ex-Jugoslawien. Wie realistisch ist es, dass diese Länder irgendwann gegen die Schweiz in den Krieg ziehen werden? Zu 100 Prozent unrealistisch. Die Schweizer Armee ist ihnen in etwa so wichtig wie eine von chronischem Dünnpfiff gequälte Kuh im tiefsten Emmental. Sie haben schlicht keinen Grund, sich militärisch gegen die Schweiz zu stellen—ausser Italien beginnt Kriege, weil Menschen Spiegeleier auf Pizzas pflanzen.

Ueli Maurer geht trotzdem davon aus, dass so ein Krieg realistisch ist. Er sitzt seit sechs Jahren im Bundesrat. Dort ist er der Chef des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport. Ich bezweifle, dass der Boss der Schweizer Armee nicht weiss, dass die Schweiz sich vor kaum etwas fürchten muss—besonders nicht vor einem nahenden Krieg. Und wenn er davon wirklich nichts weiss, dann zwingt er mich dazu, an seiner Kompetenz zu zweifeln.

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Wir lernen: Ueli Maurers „Angst" ist reine Propaganda.

Foto: bolzlimacher | Flickr | CC BY 2.0

Ueli Maurers Rumpolterei gegen Secondos in der Armee ist also schlicht und einfach billige SVP- Propaganda. Bewusst bedient der wahlkämpfende Bundesrat jene 29 Prozent der Schweizer, die in einer ETH-Studie angeben, dass sie den Secondos in der Armee ihre Loyalität absprechen. Und jene Schweizer, die sich von allem bedroht fühlen, das von weiter her kommt als dem Nachbarkanton. Oder in anderen Worten: Jene Schweizer, die nicht mit der gesellschaftlichen Entwicklung Schritt halten können und die Schuld dafür bei anderen suchen.

Neu ist das Rumtreten auf Minderheiten natürlich nicht. Migranten müssen bei der SVP schon lange als schreckliches Plakatmotiv und Sündenbock für alles herhalten. Wie so oft sind Gefühle dabei wichtiger als Fakten. Eines ist aber noch wichtiger als Gefühle: Die Wahlen im Oktober. Für diese kann ich Ueli Maurer nur eines mit auf den Weg geben: Lieber Ueli, nicht die Secondos sind das Problem, du bist das Problem!

Schickt Sebastian eure Propaganda auf Twitter: @nitesabes

Und VICE Schweiz ebenfalls: @ViceSwitzerland


Titel-Foto: Kecko | Flickr | CC BY 2.0