Wir haben AfD-Politiker gefragt, ob ihre Partei ohne Merkel existieren kann
Alle Fotos: Grey Hutton

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AfD-Bundesparteitag

Wir haben AfD-Politiker gefragt, ob ihre Partei ohne Merkel existieren kann

"Gegen Merkel sein, das ist gut, spannend und einfach. Und das wäre dann weg, klar." – Alexander Gauland

Der AfD geht's gerade so prächtig wie der Krähe am Schlachtfeld: Sie muss gar nichts machen und wird trotzdem immer fetter. Die Rechnung, mit der permanenten Panikmache über Geflüchtete die anderen Parteien vor sich herzutreiben, ist erstmal voll aufgegangen. "Merkel fällt, egal wie lange sie noch mit den Armen rudert!", rief Alexander Gauland am Samstag den Delegierten auf dem AfD-Parteitag in Augsburg zu. Ziemlich straucheln tut sie gerade tatsächlich.

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Aber was passiert, würde Merkel tatsächlich fallen? Was macht die "Merkel muss weg"-Partei dann? Wenn es gerade nicht um Flüchtlinge geht, hat die AfD nämlich ein ziemliches Inhalte-Problem: Auch nach fünf Jahren hat die Partei kein Konzept für Sozial-, Renten- oder Steuerpolitik. Ist sie die Partei des kleinen Mannes, wie die ostdeutschen Verbände immer wieder betonen, oder die der freien Marktwirtschaft, wie das die westdeutschen Landesverbände wollen? Alle wissen, wogegen diese Partei ist – aber wofür steht sie eigentlich? Wir haben AfDler gefragt, wie viel Angst sie vor der Zeit ohne Merkel haben.

Alexander Gauland, AfD-Bundessprecher

Der AfD-Politiker Alexander Gauland auf dem 9. AfD-Bundesparteitag

VICE: Sie haben vor Kurzem gesagt, Angela Merkel sei eine Lebensversicherung für die AfD. Heißt das, dass die AfD ohne Merkel gar nicht existieren kann?
Alexander Gauland: Das heißt das natürlich nicht. Aber solange Merkel da ist, ist die Parole "Merkel muss weg" natürlich ein Selbstläufer. Das Leben für uns als Partei ist deshalb einfacher mit Frau Merkel als ohne sie. Wenn Herr Spahn plötzlich Bundeskanzler würde – was ich nicht glaube –, wird das schwieriger für uns.

Hätte die AfD ihr Ziel dann erreicht? Würden Sie dann alle nach Hause gehen?
Nein! Es gibt ja viele Dinge, die auch Merkels Nachfolger beibehalten würden, die wir für falsch halten. Außerdem würde es nicht Spahn werden, sondern wahrscheinlich Frau Kramp-Karrenbauer. Aber das ist mir auch egal: Ich wollte damit nur ausdrücken, dass Merkel sowas wie unser Lieblingsfeind ist. Sie hat eine Million Leute ins Land gelassen, da können wir jetzt ununterbrochen drüber reden.

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Wenn wir über das Rentensystem reden, finden das ihre Kollegen nicht so spannend. Gegen Merkel sein, das ist gut, spannend und einfach. Und das wäre dann weg, klar.

Christoph Merkel, Beisitzer im Vorstand der Jungen Alternative Niedersachsen

Der AfD-Politiker Christoph Merkel auf dem 9. AfD-Bundesparteitag

VICE: Kriegst du hier manchmal Ärger, weil du Merkel heißt?
Christoph Merkel: Nein, den Namen habe ich seit der Geburt, ich bin mit der Frau Bundeskanzlerin weder verwandt noch verschwägert!

Na dann. Deiner Meinung nach: Hätte die AfD noch Sinn, wenn Merkel abtreten würde?
Aber hallo! Ein Wechsel im Personal reicht uns ja nicht. Wir wollen eine Opposition zu allen festgefahrenen Parteien zu bilden, die leider eine Einheitsfront, ein Blocksystem gebildet haben. Zumindest kann man teilweise das Gefühl haben, dass es so ist.

Aber wer wählt euch noch, wenn Merkel weg ist?
Man kann die Motivation der AfD-Wähler nicht auf Unzufriedenheit mit der Frau Kanzlerin reduzieren. Es hat sich ein Stillstand – nein, Stillstand wäre noch zu begrüßen – es hat sich ein regelrechtes Chaos in der Politik ergeben, das weit über Frau Kasner hinausgeht [Anmerkung: Kasner ist Angela Merkels Mädchenname].

Bis jetzt fallt ihr aber nicht mit Lösungsvorschlägen auf, sondern eher mit regelmäßigen rhetorischen Entgleisungen.
Es gibt keinerlei objektive Anhaltspunkte für den Ruf, den man uns andichten will. Diese Äußerungen zum Beispiel werden auch gerne aus dem Zusammenhang gerissen, nachweislich!

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Gerade eben hat Herr Gauland die gewählte Bundesregierung in seiner Eröffnungsrede als "Regime" bezeichnet.
Aber bitte, das ist ja schon wieder aus dem Zusammenhang gerissen!

Nein, ich habe die ganze Rede gehört, das hat er so gesagt.
Nun gut. Ich weiß gar nicht, ob die Vokabel "Regime" per se verwerflich ist. Das ist ja auch Wortklauberei.

Björn Höcke, Landesvorsitzender Thüringen

Der AfD-Politiker Björn Höcke auf dem 9. AfD-Bundesparteitag

VICE: Herr Höcke, wird die AfD verschwinden, wenn Merkel verschwindet?
Björn Höcke: Nein, mit Sicherheit nicht. Natürlich ist die Kanzlerin für das Chaos im Land hauptverantwortlich, aber das Chaos wird bleiben, wenn Merkel nicht mehr im Amt ist.

Welches Chaos denn? Es kommen doch jetzt schon viel weniger Flüchtlinge, am Wochenende hat die EU sich auf weitere Abschottungsmaßnahmen geeinigt. Was wollen Sie denn noch?
In Brüssel ist noch gar nichts entschieden worden, das waren nur Ankündigungen. Das Entscheidende ist, was dann wirklich exekutiert wird. Aber allein, dass jetzt erste zaghafte Schritte unternommen werden, das wäre ohne die AfD gar nicht passiert. Die CSU wäre nicht unter Druck geraten und hätte nicht Frau Merkel unter Druck gesetzt.

Das mag sein, aber wie machen Sie jetzt weiter? Mit dem Rentenkonzept ist es ja noch nicht so weit her: Die Ideen von Herrn Meuthen sind mit Ihren eigenen doch völlig inkompatibel.
Herr Meuthen hat in seiner Rede die Spannbreite deutlich gemacht, die es in der Partei zu diesem Thema gibt. Wir sind eine werdende Volkspartei, und wir brauchen Spannbreite. Wir müssen uns das Thema soziale Gerechtigkeit, sozialer Frieden in diesem Land sichern, weil das ein großes Zukunftsthema ist. Unsere Sozialsysteme sind maximal belastet, wenn wir nicht grundsätzlich reformieren, werden sie kollabieren. Deshalb werden wir auch noch in den nächsten Jahren gebraucht.

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Reimond Hoffmann, Junge Alternative Baden-Württemberg

Der AfD-Politiker Reimond Hoffmann auf dem 9. AfD-Bundesparteitag

VICE: Wie sehr feiert ihr, wenn Merkel ihren Job verliert?
Reimond Hoffmann: Dann haben wir ein Zwischenziel erreicht auf dem Weg zur Rettung von Deutschland. Das ist doch unser Hauptziel, dass es unserem Land und unserem Volk gut geht.

Unter uns: Die AfD ist doch eine reine Protestpartei, oder?
Nein! Die AfD ist eine Partei mit Menschen, die Positionen haben und sich für Deutschland einsetzen. Eine Volksbewegung sind wir!

Bei der Bundestagswahl haben 85 Prozent der AfD-Wähler gesagt, sie wählen die AfD als Protestpartei.
Na ja, das ist … wo kommen denn die Umfragen her? Das stelle ich infrage. Klar gibt es auch Protest irgendwo, aber die Leute nehmen auch unsere Inhalte wahr.

Was denn das für Inhalte?
Innere Sicherheit, direkte Demokratie, Einsatz für unsere Identität und unsere Sprache. Wir machen eine ganzheitliche Politik, beispielsweise setzen wir uns sehr gegen Steuerverschwendung ein. Wir sind ja eine Partei der Pluralität.

Man könnte auch vermuten, ihr seid ein völlig heterogener Haufen, der nur dadurch geeint wird, dass ihr alle Merkel scheiße findet.
Nein, eben nicht! Wir werden durch ein positives Heimatgefühl geeint. Das ist die Grundlage. Dass man eine Elite schlecht findet, die gegen die Heimat handelt, ergibt sich daraus.

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