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Satire

"Ich hab mir schon gedacht, dass es so weit kommen wird" – Warum 'Die Tagespresse' in Zukunft Geld kostet

Die Satire-Website hat ein Drittel ihrer Leser verloren und führt deshalb ein kostenpflichtiges Abo ein. Wir haben mit dem Macher Fritz Jergitsch über die Zukunft der 'Tagespresse' gesprochen.
Foto: imago | Viennareport

Das Internet ist vieles – vor allem aber ist es schnelllebig, und manchmal auch sehr, sehr, unbarmherzig. Das ist eine Lektion, die in den letzten Monaten auch viele Medienmacher lernen mussten: Seitdem Facebook seinen Algorithmus geändert hat und Usern wieder verstärkt Beiträge von "echten" Freunden anzeigt, statt jenen von kommerziellen Seiten, verzeichnen die Facebook-Pages zahlreicher Medien stark sinkende Zugriffe.

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Diese Entwicklung macht auch vor Österreich keinen Halt und trifft nun ausgerechnet den satirischen Liebling der Nation: Wie die Wochenzeitung Falter berichtet, verlor Die Tagespresse – Österreichs mit abstand bekanntestes Satire-Medium – in Folge dieser Änderung in den letzen Jahren ein Drittel ihrer Zugriffe.


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Die Tagespresse zieht nun die Konsequenz aus dieser Krise: In Zukunft wird die Website mit einer Paywall bestückt sein – nur wer für ein Abo bezahlt, wird die Beiträge auf dietagespresse.com uneingeschränkt lesen können. Mit drei Euro pro Monat ist der Abo-Preis zwar vergleichsweise niedrig angesiedelt – für die ansonsten ohnehin sehr karge Satirelandschaft in unserer Republik ist diese Ankündigung aber auf jeden Fall ein Paukenschlag.

Wir haben angesichts dieser Nachrichten bei Fritz Jergitsch, dem 27-jährigen Gründer und Hauptverantwortlichen hinter der Tagespresse nachgefragt, wie es mit der Satire-Webiste nun weitergehen wird.

VICE: Aufgelegte Frage: Warum ist euch euer Fortbestehen – abgesehen von eurem Lebensunterhalt – wichtig und warum sperrt ihr nicht einfach zu, wenn Facebook euch so schadet?
Fritz Jergitsch: Unsere Grundaufgabe in der Gesellschaft ist, gute und relevante Satire zu machen. In den vergangenen Jahren waren die Werbeeinnahmen dafür völlig ausreichend. Seit Facebooks Newsfeed-Änderungen sowie dem Siegeszug der Algorithmen in der Werbebranche funktioniert das aber nicht mehr. Jetzt probieren wir ein anderes Modell.

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War es für euch absehbar, dass es jetzt zu dieser Umstellung kommen muss?
Ich hab mir schon vor vier Jahren gedacht, dass es so weit kommen wird, weil schon damals die Werbeumsätze für kleine Onlinemedien gesunken sind. Wirklich entschieden haben wir uns dafür diesen Februar. Glaubt ihr, dass das Abo-Modell funktionieren wird?
Im ersten Jahr wollen wir 3000 Abonnenten gewinnen. Ich denke, die Chance ist 50:50, dass wir das schaffen. Was ist euer Plan, wenn die Finanzierung durch Abos nicht klappt?
Dann müssen wir uns etwas anderes überlegen. Einen Plan haben wir für diesen Fall derzeit nicht, wir schauen zuerst, wie es mit den Abos läuft.

An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass fünf Artikel weiterhin für alle frei verfügbar sind. Mindestsicherungsbezieher und alle unter 21 bekommen ein gratis Abo.

Macht Satire überhaupt Sinn, wenn sie nicht frei zugänglich ist?
An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass fünf Artikel weiterhin für alle frei verfügbar sind. Mindestsicherungsbezieher und alle unter 21 bekommen ein gratis Abo. Aber ja, dieses Thema haben wir diskutiert. Wir wollen ein Mindestmaß an Zugänglichkeit definitiv erhalten.

Wie bissig kann Satire noch sein, wenn man zahlen muss, um sie zu sehen? Satire funktioniert ja oft gerade dadurch, dass Leute damit konfrontiert werden, aus ihrer Comfort Zone geholt werden, ohne dass sie das urspünglich wollten.
Satire mit Abo ist definitiv bissiger als Satire, die durch Förderungen, GIS-Gebühren oder Sponsoren finanziert wird. Wenn wir Abos verkaufen, sind wir nichts und niemandem verpflichtet außer unseren AbonnentInnen. Charlie Hebdo ist übrigens nur für zahlende Kunden erhältlich.

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Hat euch eure ORF-Sendung geholfen oder geschadet?
Es war eine spannende Zeit. Aber wir haben deswegen nicht mehr Leser bekommen. Inhaltlich waren wir mit unserer Arbeit nicht zu 100 Prozent zufrieden. Ich finde, wir haben uns nicht im Format zurecht gefunden.

Habt ihr vor, weniger massentauglich – in Richtung Titanic – oder noch massentauglicher zu werden, damit die Breite Masse Abos abschließt?
Wir wollen so bleiben wie wir sind und schreiben das, was wir lustig finden.

Ist Österreich einfach zu absurd für Satire?
Wir leben von der Absurdität. Worüber sollten wir zum Beispiel in einem zivilisierten Norwegen Witze machen? Da gibts keinen Häupl, keinen Strache.

Zahlt ihr privat für Medien- oder Satireangebote?
Ja, wir haben alle mehrere Abos. Ich bekomme den Falter und will die New York Times demnächst auch noch abonnieren.

Habt ihr auch überlegt, euch von einem anderen Medium aufkaufen zu lassen, also zum Beispiel Tagespresse als Kommentarbox im Standard oder ähnliches?
Nein. Dadurch ginge unsere Subversivität verloren.

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