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Warum Österreich das beste Land der Welt ist

Ja, Österreich ist wie ein Haufen Scheiße, der in Versailles monatelang mit Parfum besprüht hinter dem Vorhang lag. Aber er ist unser Haufen Scheiße und ein schöner noch dazu.
Foto von Jakob Steiner

Es ist sehr leicht, Österreich zu hassen. Das tu ich selber auch oft und gerne und wenn, dann hauptsächlich in den Momenten, in denen ich mit Menschen zu tun habe, die Österreich sehr lieben. In anderen Ländern ist Patriotismus so selbstverständlich, dass Landesfahnen nicht nur bei Wählern rechter Parteien über dem Bett hängen, sondern auch noch jeder die komplette Hymne auswendig kann (nicht nur die Zeile, in der es um Töchter und Söhne geht). Die Leute singen sie bei Länderspielen mit Tränen in den Augen und sind mit jeder Faser ihres Körpers, der auch in jedem anderen Land auf die Welt hätte kommen können, einfach nur extrem stolz, aus dem Land zu kommen, aus dem sie eben zufällig kommen (welches auch immer das sein mag).

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Ich würde mich nie im Leben als Patriotin bezeichnen, weil das Wort bei uns viel zu vorbelastet ist, aber gerade das Schimpfen über Österreich macht mich dann doch wieder zu einem Teil davon. Österreich hat viele Dinge, die man lieben kann, aber nur weil das Menschen mit schlecht gestochenen Hakenkreuztattoos auch so sehen, heißt das nicht, dass man es deswegen nicht trotzdem lieben sollte.

Foto von Robert Summerfield.

Wir sind Meister im Relativieren

Deshalb fange ich die Auflistung auch gleich mit einer Relativierung an: OK, wenn wir uns ganz ehrlich sind, finde ich gar nicht, dass Österreich das allerbeste Land der Welt ist, weil das Gras anderenorts ja bekanntlich immer grüner ist und im Hinterkopf habe ich auch die ganze Zeit die rettende Gewissheit, dass ich hier gar nicht für immer bleibe und meine Kinder vielleicht als Schweden, Isländer oder Hamburger aufwachsen werden. Aber ich habe eben auch 8 Jahre meines Lebens in Deutschland verbracht, ein Jahr in Argentinien gelebt und viele andere Länder gesehen—und es ist tatsächlich so, dass man erst merkt, was alles ziemlich toll an Österreich ist, wenn man sieht, dass das anderenorts nicht so ist.

Und damit meine ich ganz gewiss nicht das, was zum Beispiel Pegida meint. Ich glaube absolut nicht, dass wir eines Tages aufwachen werden und uns ärgern, dass am Eck jetzt ein Kebabstand und kein Würstler mehr oder dass im Ort jetzt neben der Kirche auch eine Moschee und eine Synagoge stehen. Zuwanderung ist eine Bereicherung und weil wir faule „Schau ma mal"s sind, würden wir ohne sie sowieso aussterben.

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Foto: VICE Media

Österreich ist voller Menschen, die ihre Lebensenergie aus Jammern und dem Leid anderer ziehen, aber so sind wir nun einmal und in den Momenten, in denen wir uns über die aufregen, die das tun, sind wir auch schon ein Teil von ihnen. So funktionieren wir und so werden wir für immer weitermachen. Welches andere Land hat so viele „Bänke" rumstehen, auf denen nur eine Person Platz hat?

Wir haben das beste Essen

Unser Essen ist voll von Fett, Fleisch und Kohlenhydraten. Wir haben jede Ausrede, dick zu sein und kranke Cholesterinwerte zu haben. Käsekrainer! Außerdem: Schwarzbrot. Nirgendwo auf der Welt gibt es das Brot, das wir haben. Klar, es gibt „Schwarzbrot", ja. Aber im Rest der Welt versteht man darunter totes Weißbrot, das irgendwie ein bisschen dunkel ist (nicht selten übrigens von Zucker gefärbt). Aber im Vergleich zu unserem Gaumenflaum es ist einfach nur eine brotgewordene Frechheit und kein bisschen knusprig.

Andererseits haben wir überall Berge, Wälder, Seen und FitInns, die uns dann doch genug Möglichkeiten bieten, zu trainieren—damit wir nicht mit 35 an Herzverfettung sterben und noch zu alten grantigen Menschen werden können, die wild mit dem Gehstock herumfuchtelnd Jugendlichen hinterherrufen können, dass sie sich schleichen sollen.

Foto: VICE Media

Keinen interessiert, wer wir sind

So lange wir nicht wieder die FPÖ in die Regierung holen, weiß kein Mensch, wer oder wo oder warum wir überhaupt sind. Das hat Vorteile, wenn man im Ausland ist. Sehr viel mehr als Sound of Music, Arnold Schwarzenegger und Mozart verbindet niemand mit Österreich. Hinzu kommen natürlich giftige Schlangen, große Spinnen und das Great Barrier Reef. Diese Vorurteile klärt man besser nicht mit einem: „No, no, Austria, next to Germany!" Denn bei Germany kommt sonst schnell die Merkel- oder Hitlerkeule. Österreich ist andererseits jedem völlig egal—und es gibt wenig, das beruhigender ist, als das.

Österreich hat viel Geschichte und Vergangenheit

Die sieht man überall und das schätzen wir. Nicht nur gute, klar, sondern auch das Abgefuckteste und Schlimmste, was man an Vergangenheit haben kann. Wer ein bisschen Hirn hat, sieht darin eine Chance, weil wir das Übelste vom Üblen kennen und uns somit kaum noch etwas überraschen kann. Wir können nie sagen, wir hätten's nicht gewusst. Aber das ist eben nicht alles, was wir an Vergangenheit haben. Bei uns ist alt nicht automatisch (und ausschließlich) schlecht. Wenn man auf dem Kapuzinerberg in Salzburg spazieren geht, geht man auf einer alten römischen Siedlung, in Wien sieht man im Straßenbild Geschichte aus Tausenden von Jahren. Wenn man im Alt-Wien unter ein paar Tischplatten greift, kratzt man schon einmal an einem Kaugummi aus dem vorletzten Jahrhundert.

Aber wir sehen die tollen Sachen um uns herum zu wenig. Weil wir nur schnell zum Spar einkaufen gehen und dabei an Jahrhunderte alten Häusern, Innenhöfen, Kellern, Dachböden und Denkmählern vorbeigehen. Mein Vater hat vor Kurzem eine neolithische Pfeilspitze im Garten gefunden und mir das ganz nebenbei erzählt, weil das in Salzburg eh ganz normal ist.

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Foto: VICE Media

Österreich ist ein Melting-Pot

Ja, Österreich. Und ja, Melting-Pot. Nicht einer, von dem man im Englischunterricht gelernt hat, aber alleine schon die Österreicher sind so unterschiedlich und innerhalb des Landes von so vielen Vorurteilen gegenüber einander belastet, dass das auf der Insel der Seligen schon einmal zu Unruhen führen kann. Geht man in Wien am (falschen) Sonntag im Prater spazieren und will sich nur schnell etwas zu trinken kaufen, landet man plötzlich in einer Runde dosenbiertrinkender Männer mit grünen oder lila Schals, die anfangen, „Menschenfleisch, Menschenfleisch" zu rufen, wenn sie dich sehen. 10 Meter weiter sitzt ein schmusendes Paar auf der Wiese—ganz bestimmt ist nicht einer aus der Steiermark, der andere aus Kärnten, das wäre zu wahnwitzig—und noch ein paar Meter weiter spielt die junge Familie aus dem 6. mit Aurelius und Guadalupe mit dem Hund, den die Großmutter aus der Slowakei mitgebracht hat.

Unsere Sprache ist super

Eh. Schmusen. Pack ich nicht. Geht sich aus. Oida. Geh scheißen. Schleich dich. Grant. Heuer. Es kann einfach nicht sein, dass es Menschen auf der Welt gibt, die ohne diese Begriffe ganze Unterhaltungen führen können. Dazu kommt, dass jedes Bundesland seine eigenen Worte hat, ohne die es nicht auskommt und die zum Teil auch kein anderes Bundesland versteht. Länder, in denen alle beinahe den selben Akzent sprechen und man kaum weiß, wer aus welcher Region kommt, sind langweilig. Wie viel Spaß man innerhalb Österreichs mit den Dialekten anderer haben kann und was ich schon über Worte wie „Fliangduscha" oder „Schneckndoud" gelacht habe!

Foto von Stefanie Katzinger.

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Wir haben gewisse Sicherheiten

Dass jeder Friseur in seinem Namen ein Wortspiel mit „Haar" hat, zum Beispiel, oder dass der Kellner unfreundlich sein wird und man sich gar keine Mühe geben muss, sich mit ihm gut zu stellen. Dass die Leute am Land betrunken Autofahren, dass das Kind mit 16 wahrscheinlich schon seine Jungfräulichkeit verloren hat und man seine Energie besser in das Akzeptieren dieser Tatsache steckt, als es von potenziellen Geschlechtspartnern fernzuhalten. Dass man sich in Altbauten dumm und dämlich heizt und dass man deswegen jedes Mal fast weint, wenn man die Rechnung bekommt. Dass man blöd angeredet wird, wenn der Hund in der U-Bahn keinen Maulkorb oben hat. Dass sich so schnell nicht viel ändern wird, weil die Österreicher und somit auch die von ihnen gewählte Regierung nicht sehr entscheidungsfreudig sind und Revolutionsgedanken ihnen so fremd sind, wie Menschen, die keinen Alkohol trinken. Daraus folgend ist auch sicher, dass Gesetze, die Alkoholtrinker wirklich diskriminieren, nie auch nur überlegt werden.

Es geht uns gut

Foto: VICE Media

An einem Morgen bin ich in Buenos Aires auf die Uni gekommen, meine Freundinnen sind alle in einem Kreis auf dem Boden gesessen und haben sich kaputt gelacht. Als ich mich dazugesetzt habe, haben mich alle angesehen und ein Mädchen aus der Gruppe hat gesagt: „Die Catalina hat gestern im Internet über Österreich recherchiert und sagt, bei euch bekommt man Geld, wenn man Kinder hat." Schallendes Gelächter. Noch mehr Gelächter, als ich sage, dass das stimmt und ich gar nicht verstehe, wie das so absurd sein kann.

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365 Tage im Jahr Unterhaltung

Wir können im Sommer in jedem Park sitzen und werden mit Musik oder Filmen beschallt, wir können in 1.000 verschiedene Museen, Theater und auf unendlich viele Veranstaltungen gehen. Für die Momente, in denen das zu anstrengend ist und wir eigentlich nur daheim sitzen möchten, haben wir das Team Stronach, ATV, Andreas Gabalier und Krone-Schlagzeilen.

„Passt scho, is ma wuascht."

Unser „passt scho, is ma wuascht"—das ultimative Motto von tu felix austria—drückt nicht nur Gleichgültigkeit aus. Es hat uns irgendwie auch zu einem Vorbild für Akzeptanz gemacht. Wir sind zwar sehr unfreiwillig in die Rolle des toleranten ESC-Teilnehmerlands gekommen—man bedenke die Facebook-Gruppe mit ihren zehntausenden Mitgliedern, die forderte, dass Conchita nicht zum Eurovision Song Contest fahren solle, weil Scham und Schande und Peinlichkeit. Weil sie uns den Schas aber gewonnen hat, sind wir dann doch für viele Außenstehende plötzlich zu dem regenbogenfarbenen Land der Träume und Akzeptanz geworden. Es wird eh fleißig und von vielen Seiten (aber hauptsächlich von einer Seite) daran gearbeitet, dass dieser Ruf sich ja nicht durchsetzt und tatsächlich braucht es auch ein VfGH-Urteil, damit das Adoptionsverbot für homosexuelle Paare gekippt wird, aber dank der Mentalität, wegen der in Österreich auch immer noch in Lokalen geraucht werden darf, sind wir trotzdem in die Rolle der Toleranten gerutscht.

Fazit

Das tollste an Österreich: Weil wir so entscheidungsunfreudig sind, wird es für immer Dinge geben, die sich schon längst hätten ändern sollen, wir aber nichts dagegen getan haben und deshalb wieder einen Grund haben, zu jammern. Und wenn sie sich ändern, sind sie sowieso früher besser gewesen. Ein Lederhosen-tragendes Perpetuum Mobile, das seine Energie aus der schlimmsten Eigenschaft der Österreicher zieht und deshalb für immer bestehen wird.

Österreich ist der Haufen Scheiße, der in Versailles monatelang mit Parfum besprüht hinter dem Vorhang lag. Aber er ist unser Haufen Scheiße und ein schöner noch dazu.

Hanna ist auch auf Twitter: @HHumorlos.