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Kämpfen griechische Neonazi-Söldner für Assad?

Nicht jeder Bericht aus Syrien ist eine schlechte Nachricht für Baschar al-Assad. Es kann sein, dass europäischen Faschisten aus Griechenland nach Aleppo fliegen, um seine Soldaten zu unterstützen.

Ein Bild von Baschar al-Assad am Highway von Damaskus nach Aleppo (Foto von James Gordon)

Nicht jeder Bericht aus Syrien ist eine schlechte Nachricht für Baschar al-Assad. Es kann sein, dass Dschihadisten von Accrington nach Aleppo fliegen, um seine Soldaten zu unterstützen. Und wie sich herausstellt, hat Baschar wohl auch an anderen entlegenen Orten gewaltbereite Freunde. Seit Beginn des Konflikts im Jahr 2011 wurde die syrische Regierung von Rechtsaußengruppen umworben. Darunter sind Leute wie Nick Griffin, die wie durchgeknallte Touristen wirken. Der Vorsitzende der British National Party fuhr vor ein paar Monaten nach Damaskus, um ein Foto mit sich und dem Premierminister zu machen und über die Freie Syrische Armee herzuziehen. Noch beunruhigender ist allerdings, dass sich faschistische Söldner aus Griechenland in Syrien möglicherweise auf Assads Verteidigung vorbereiten und ein europäisches Unterstützungsnetzwerk gegründet haben, mit dem sie regimefreundliche Propaganda verbreiten. Vor nur einem Monat schickte mir der irisch-griechische Blogger Glykosymoritis einen übersetzten Artikel der rechtsgerichteten griechischen Zeitung Democratia. Er enthielt ein Interview mit einer rechtsextremen Gruppe namens Black Lily, die die kühne Behauptung aufstellte, sie hätte einen „ganzen Zug Freiwilliger, die Seite an Seite mit Assads Regierungskräften kämpfen“. Ich verbrachte die folgenden Wochen damit, der Gruppe zu mailen und nach Bildern oder Videos zu suchen, die beweisen, dass Black Lily tatsächlich in Syrien kämpft. Die Antworten der Gruppe waren eher zurückhaltend, offensichtlich sorgte sie sich um die Sicherheit ihrer Mitglieder. Ihre Behauptungen waren jedoch nicht völlig unglaubwürdig. „In diesen Tagen kommen noch mehr Griechen zu den Streitkräften Syriens“, erzählte man mir. „Bald werden wir mehr wissen.“ Auch wenn es vielleicht seltsam erscheint, ist diese Information nicht besonders schockierend. Assads Türen stehen schon seit Jahren für rechtsextreme Gruppen offen. 2005, also fünf Jahre nach seinem Machtantritt, reiste der amerikanische Nationalist und Grand Wizard des Ku-Klux-Klans David Duke nach Damaskus, um eine im Fernsehen übertragene Rede zu halten, in der er Israel angriff und dem syrischen Präsidenten versicherte: „Ihr Kampf für die Freiheit ist unser Kampf für die Freiheit.“ Das Regime war entzückt und offensichtlich froh, einen amerikanischen Holocaustleugner zu Gast zu haben, der die eigene Abneigung gegenüber Israel unterstützte. Leider ist eine solche direkte Verbindung zwischen Assad und Black Lily schwer nachweisbar. Meine Kontaktperson mit dem Pseudonym Sebastian Fulidis—der Name eines griechischen Soldaten, der für die Spezialeinheit der Nazis gekämpft hat—war ziemlich verschlossen. Die Frage, ob ich anreisen und die Gruppe persönlich treffen könnte, während sie sich auf den Krieg in Syrien vorbereitet, wurde auf der Stelle verneint. Der griechische Zeitungsausschnitt preist Black Lily und behauptet, dass die „griechischen Nationalsozialisten, die an der Seite des Assad-Regimes kämpfen, weitaus gefährlicher sind als die Goldene Morgenröte“. Weil wir mittlerweile wissen, wie gefährlich die rechtsextreme Partei ist, wollte ich herausfinden, ob Black Lily diesem Hype gerecht wird. Die Gruppe bekennt sich zum autonomen Nationalismus, einem postmodernen Rechtsaußenkonzept, das oft eine anarchistische Ästhetik mit einer militanten und rechtsextremen Anti-Kapitalismus-Rhetorik verbindet und sich für direkte Aktionen anstelle von Abstimmungen stark macht. Als Querfront glaubt sie, über Konzepten wie links und rechts zu stehen, und unterstützt separatistische Bewegungen—in der Hoffnung, dass wir eines Tages in einer Welt mit streng definierten ethischen und nationalistischen Grenzen leben. In dem Zeitungsausschnitt, der mir vorlag, wurde außerdem behauptet, dass Black Lily seit Jahren Kontakt zu ihren „syrischen Waffenbrüdern“ hätte. Es wird beschrieben, wie sie an die Seite des Regimes traten: „Kämpfer aus ganz Europa gliederten sich massenweise in die Syrische Armee und den Zivilschutz ein“, hieß es, „darunter viele Griechen. Griechische Kämpfer haben in allen größeren Kämpfen teilgenommen, die in den letzten zwei Jahren im Süden und Westen des Landes stattgefunden haben. Bisher wurden keine Verluste gemeldet. Es ist kein Zufall, dass es neben der heroischen Hisbollah auch die griechischen Kämpfer waren, die in den erbitterten Kämpfen in Kusseir Anerkennung für ihre Tapferkeit bekamen.“ Die geschwollene Rhetorik ist hier noch nicht zu Ende. Black Lily ist erpicht darauf, die eigene Blutsverwandtschaft mit Syrien zu belegen, und verweist auf die Tatsache, dass die griechisch-orthodoxe Kirche die größte Christengemeinde des Landes ist. Als ich die Gruppe drängte, mir die Anzahl der anwesenden Kämpfer zu nennen, berichtete man mir, dass eine Kampfeinheit in Syrien anwesend sei und sich Tausende russische, ukrainische und polnische Nationalisten bereit erklärt haben, Assad zu verteidigen. Das klingt vielleicht nach den Worten eines Fanatikers, könnte aber durchaus seine Richtigkeit haben. Ein Rebellen-Blogger schrieb vor Kurzem, dass er auf käufliche Militärberater aus Russland und Osteuropa gestoßen sei. „Sie sind nicht von den Armeen dieser Länder geschickt worden“, schrieb er, „aber sie haben einen militärischen Hintergrund. Deshalb ist die Lage in Ghouta so schwierig: Weil sie so viele sind, können sie aus so vielen Richtungen angreifen. Und wenn wir ein paar von ihnen töten, wollen noch mehr nach Syrien kommen und kämpfen.“ Meine Kontaktperson von Black Lily behauptete, dass die Gruppe Teil der European Solidarity Front for Syria (ESFS) sei. Die ESFS organisiert auf dem ganzen Kontinent Proteste und Kundgebungen zur Unterstützung Assads, die vielen faschistischen Querfronten als Treffpunkt dienen. Im Juni hielt die ESFS eine Veranstaltung mit dem belgischen Querfrontstrategen Ruben Sosiers als Hauptredner in Rom ab, die von der faschistischen Vereinigung CasaPound organisiert wurde. Bei einem späteren Treffen wurden Fahnen von CasaPound, der ESFS-nahen Initiative Sempre Domani und der faschistisch inspirierten Gruppe Zenit aufgespannt.   Die ESFS scheint allerdings nicht besonders scharf darauf zu sein, mit Black Lily in Verbindung gebracht zu werden. Als ich Kontakt mit ihnen aufnahm und sie fragte, ob ich ein Foto von ihrem Besuch beim syrischen Premierminister verwenden dürfte, sagte man mir, dass sie nicht mit der Behauptungen in Verbindung gebracht werden wollen, dass die syrische Regierung von Faschisten unterstützt werde. Vielleicht hätten sie Begriffe wie Nationalisten, Neonazis oder Querfront vorgezogen. „Wir sind Syrier. Wir wissen, was in Syrien passiert, und wir wissen, wen wir unterstützen“, erzählten sie mir. Wenn meine Quelle bei Black Lily die Wahrheit sagt und die beiden Gruppen in Verbindung stehen, würde dies sicherlich den Einfluss der ersteren erhöhen. Die ESFS prahlt damit, 17 Pro-Assad-Plakatwände in Griechenland aufgestellt zu haben, und auf ihrer Facebook-Seite präsentiert sie all die schicken Artikel, die von ihren Anhängern erworben werden können. Sie verfügt über Zweigstellen in Frankreich, Spanien und Tschechien und wurde bereits in italienische Schulen eingeladen, um über die Situation in Syrien zu sprechen. Jenseits aller Rhetorik wird klar, dass die Gemeinsamkeit der europäischen Faschisten und Assads im Anti-Zionismus liegt—dem gemeinsamen Hass auf Israelis. Es ist bezeichnend, dass das Zeitungsinterview mit Black Lily mit einem Aufruf zum Einsatz für das Zionist Occupation Government (ZOG) endet. Dabei handelt es sich um eine antisemitische Verschwörung, die behauptet, dass Juden die Welt beherrschen. „Wir fordern alle unvoreingenommenen Menschen auf, unter allen Umständen die patriotischen Kräfte Syriens zu unterstützen“, heißt es dort, „und zu verstehen, dass sie sich auf den bevorstehenden Sturm vorbereiten müssen, der sich aufgrund der Pläne der lokalen ,Zionistisch besetzten Regierung‘ rasant nähert.“ Im Moment ist der Umstand, dass Neonazi-Söldner möglicherweise nach Syrien reisen, eines der kleinsten Probleme der Region, da sich unzählige zwielichtige Gruppen und politische Motivationen in den Konflikt einmischen. Angesichts dessen, dass Assads Verzweiflung wächst, könnte die Anwesenheit von idealistischen Europäern, die über große Netzwerke verfügen, jedoch schon bald von größerem Belang sein.

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